Geretteter Lebensretter aus Todessehnsucht

Zuerst nur ein dumpfer Herzschlag, millisekundenkurze Bilder, viel Schwarz. Ein Autounfall, eine schöne und vielleicht auch tote Frau. Ein Schrei. Schwarz. Dann ein kurzer, so prägnanter wie lakonischer (und schlussendlich ambivalenter) Titelcredit: „Hero Wanted“.

herowanted„I really wish we hadn’t started here.“ Wir finden uns in diesen Film geworfen und treffen auf seinen Protagonisten als jemanden, der bereits in einem grundlegenden Danach gefangen ist. Immer schon alles zu spät: Volltrunken in einer Bar, über die Theke kotzend. Augenblickskurze Flashbacks, eine tote Ehefrau, schwanger, gestorben in einem Autounfall. Liam Case (Cuba Gooding, Jr.) erscheint in diesen Momenten wie ein Schlafwandler, der unberührt durch die Ruine seines Lebens streift – bis ihn (und uns) ein ohrenbetäubender Crash aus der Lethargie herausreißt. Erneut ein Autounfall, und ohne einen Augenblick zu zögern, stürzt sich Liam in das brennende Wrack, um ein kleines Mädchen vor dem Flammentod zu retten. Zum ersten Mal seit dem Tod seiner Frau, so teilt er uns mit, habe er etwas Sinnvolles getan. Ein Leben gerettet, „but not tonight“. Sekunden später sehen wir Liam mit einer Waffe in der Hand, einen Anschlag auf den fröhlich masturbierenden Gangster Lynch McGraw vorbereitend. Wieder ein Schnitt, und das bedeutet hier stets: wieder ein Sprung ins Ungewisse. Nun finden wir Liam in einer Bank wieder, schüchtern mit einer Angestellten flirtend und schließlich in einen eskalierenden Überfall verwickelt. Einer der Bankräuber verliert die Nerven, schießt der jungen Frau in den Kopf, auch Liam, der ihr zu helfen versucht, fängt sich eine Kugel ein. Noch ein Schnitt, Krankenhaus, Liam am Krankenbett der ins Koma gefallenen Bankangestellten. Dann wieder die Waffe: ein Rachefeldzug, erzählt in schlingernden Zeitpirouetten. Den Tod des mit einem Wok brutalst zu Tode geprügelten Lynch sehen wir zunächst nur in seiner Konsequenz, durch die Augen des ermittelnden Polizisten Terry Subcott (Ray Liotta). Dann endlich formieren sich jene grundsätzlich durchaus geradlinigen Bewegungen, die den Plot des ungewöhnlichen Action-B-Movies „Hero Wanted“ über den größeren Teil seiner Laufzeit tragen werden: Subcott sucht, wenngleich wenig leidenschaftlich, den Mörder McGraws, während dessen Bruder Skinner (Kim Coates) Vergeltung sucht – nur um ebenfalls kaltblütig von Case getötet zu werden. Der Konflikt spitzt sich zwischen diesem und dem ebenfalls am Banküberfall beteiligten Psychopathen Derek (Thomas Flannigan) und Liam zu – welche Verbindung jedoch zwischen diesem und den Räubern besteht, welche Rolle sein Freund Swain (Norman Reedus) spielt, und vor allem: in welchem Verhältnis genau nun Heldenmut und kriminelle Umtriebe stehen, das alles wird sich erst im Verlauf des Filmes entwirren.

„Sometimes, things worth dying for are worth living for.“ Auf den ersten Blick ist „Hero Wanted“, das Regiedebüt des als Second Unit Regisseur und Stuntkoordinator in Hollywoods Größtproduktionen erfahrenen Brian Smrz, auffällig fragmentarisch erzählt. Zwar gelingt es Smrz durchaus, im ersten Filmdrittel eine (ungefähre) Konstellation von (Anti-)Held und Antagonisten zu konstruieren – mit einem seltsam äußerlich anmutenden Nebenplot um den als eindeutiger der Lichtseite zuneigenden Doppelgänger inszenierten Cop Subcott, der sich erst am Ende in das Gesamtsystem des Films einschmiegt –, doch lässt er sich niemals auf einen schnörkellosen Verlauf seiner im Grunde schlichten Narration ein. Tatsächlich scheint sich diese eher festzuhaken an einer Reihe von „unerhörten Begebenheiten“, um jene dann schier manisch zu umkreisen. Diese Erzählweise wirft eher Fragen nach Schuld, Leid, Verlust auf als bloß das Verlangen nach dem nächsten Plot Point – Liam Case ist Mörder und Retter zugleich, ein trauriger Rächer, verflucht gleichermaßen von der Last der guten wie der bösen Tat. Zerrissen zwischen divergierenden Bildern seiner selbst, die stets zu groß für ihn sind. Im Schlussdrittel von „Hero Wanted“ werden sich dann die Verstrickungen aufklären, und spätestens hier wird klar, dass jegliche scheinbare Abschweifung stets nur wieder zu Liam zurückführt, dass tatsächliche das komplette (moralische wie narrative) System des Films ausschließlich um diese eine zentrale Figur herum inszeniert ist. Hierin spiegelt sich die solipsistische Weltwahrnehmung und Handlungsweise dieses Antihelden, und konsequenterweise ereignet sich die katastrophische Eskalation dann auch jeweils durch das Eindringen äußerlicher Faktoren, welche die „simplen Pläne“ Liams – mit unbeholfenen Mitteln das Gute wollend und das Böse schaffend  – zum Scheitern bringen. Der vorgetäuschte Banküberfall, der unvermittelt zum „echten“ wird und sehr reale Folgen zeitigt – so ähnlich übrigens, vielleicht ja gar nicht zufällig, eines der Grundmomente in Baudrillards „Agonie des Realen“ –; der scheinbare Mut, der aus der Feigheit geboren ist; der gerettete Lebensretter aus Todessehnsucht: „Hero Wanted“ ist ein hochinteressanter Beitrag zum jüngeren DTV-Actionkino, der sich diesen Widersprüchlichkeiten nicht nur stellt, sondern der sie nachgerade fetischistisch umkreist und sie letztlich zum eigentlichen Motor seiner physischen wie narrativen Bewegungen macht.

Hero Wanted
(USA 2008)
Regie: Brian Smrz; Buch: Chad Law, Evan Law; Musik: Kenneth Burgomaster; Kamera: Larry Blanford; Schnitt: Tim Anderson
Darsteller: Cuba Gooding, Jr., Ray Liotta, Norman Reedus, Kim Coates, Thomas Flannigan, Jean Smart, Christa Campbell, Steven Kozlowski, Ben Cross u.a.
Länge: 91 Min.
Verleih: 3L Filmverleih

Zur DVD von 3L Filmverleih

Der bemerkenswerte Film erscheint in angemessener Bild- und Tonqualität und in ungekürzter Fassung auf DVD. Das Bonusmaterial hat (neben Trailern und einer Bildergalerie) lediglich eine unkommentierte Featurette zu den Dreharbeiten sowie einige sehr kurze Statements der beteiligten Schauspieler und Filmemacher zu bieten.

Bild: 1,85:1
Ton: Deutsch (DTS, Dolby Digital 5.1), Englisch (Dolby Digital 5.1)
Untertitel: Deutsch
Extras: Hinter den Kulissen, Statements zum Film von Darstellern & Crew, Deutscher Trailer, Originaltrailer, Bildergalerie
FSK: Keine Jugendfreigabe

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Eine Antwort auf „Geretteter Lebensretter aus Todessehnsucht“

  1. Im Ernst – Ich liebe einfach eure Rezensionen! Ihr präsentiert sogar ein B-Movie würdevoll, welchem sonst, von den meisten Seiten, sicherlich keine Beachtung geschenkt werden würde. Mich werdet ihr als Leser sicherlich nicht so schnell wieder los ;-)

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