Die Dolmetscherin

Die Dolmetscherin, USA 2005, Sydney Pollack

Es wäre vielleicht zuviel des Guten, wenn man einen Film, der die Frage nach der Beweiskraft der gesprochenen Sprache stellt, mit dem metaphysischen Streit über das Vorrecht der Stimme vor der Schrift in Verbindung bringt. Jedoch lassen sich diese tiefgründigen Sophistereien nicht wirklich ausblenden, wenn es sich dabei um einen Film handelt, dessen Thema gerade die Rolle der Stimme im globalen Machtpoker beschreibt. Sydney Pollacks neuestes Werk „Die Dolmetscherin“ stellt in einem packenden Polit-Thriller das Spielfeld internationaler Diplomatie dar und nimmt dabei dezidiert Stellung zur amerikanischen Außenpolitik, den jüngsten Entwicklungen in den Krisenregionen und zur Position der Vereinten Nationen.

Die UN-Dolmetscherin Silvia Broom (Nicole Kidman) hört eines Abends zufällig über die Kopfhörer in ihrer Dolmetscherkabine eine Unterhaltung mit, die in einem seltenen afrikanischen Dialekt geführt wird. Dabei geht es um ein bevorstehendes Mordkomplott an dem Diktator Edmund Zuwanie (Earl Cameron), der für die kommende Woche eine Ansprache vor dem UN-Plenum angekündigt hat, um so eine drohenden Vorladung vor das Kriegsverbrechertribunal in Den Haag abzuwenden. Als Broom danach selbst zur Zielscheibe wird, stellt man ihr die beiden Bundesagenten Tobin Keller (Sean Penn) und Dot Woods (Catherine Keener) zur Seite, doch Keller hält Silvia für eine Schwindlerin, da sie außer ihrer Nacherzählung der besagten Unterhaltung keine Beweise für den Anschlag vorzubringen hat. Stattdessen gerät sie selbst aufgrund ihrer Vergangenheit immer weiter in den Kreis der Verdächtigen und als nun auch noch der Holländer Nils Lud (Jesper Christensen) als Dr. Zuwanies Sicherheitsberater auftritt und in die Ermittlungen eingreift, gerät das Spiel um Wahrheit und Lüge außer Kontrolle.

Es ist kein Geheimnis, dass sich Sean Penn neben anderen Hollywoodgrößen in der Vergangenheit öffentlich gegen die amerikanische Außenpolitik unter Georg W. Bush engagiert hat. Umso bemerkenswerter ist der Umstand, dass Pollack dies mit allerhand Rückgrat zum Inhalt seines neuesten Films gemacht hat und dabei nicht nur die Chance der Vereinten Nationen und deren Wichtigkeit für die Diplomatie überdenkt, sondern auch die lauernde Gefahr von Korruption und Gewalt, die all denjenigen droht, die den inneren Kreis der Macht betreten. Erzählt wird dabei eine Geschichte um Intrigen und persönliche Wahrheiten, ohne den Blick für die Probleme des „global village“ zu verlieren. Nicole Kidman und Sean Penn sind mit den Rollen der desillusionierten Dolmetscherin und des abgehalfterten Bullen hervorragend besetzt und bieten in jeder Beziehung eine gelungene Vorstellung.

Die narrative Ebene wird durch einen interessant geführten Wechsel der Erzählperspektiven kontrastiert: Wo man in der ersten Hälfte noch sehr nahe bei der Dolmetscherin verharrt, findet man sich in der zweiten Hälft in der Beobachterposition neben Tobin Keller wieder und bekommt so automatisch einen kritischeren Blick auf die Dinge.

Die Dolmetscherin wurde vorwiegend an Originalschauplätzen gedreht. Für die Arbeiten im Hauptgebäude der Vereinten Nationen bedeutete dies, dass der Dreh ausschließlich an den Wochenenden stattfinden durfte. Sydney Pollack bekam als erster Regisseur überhaupt eine Drehgenehmigung für diese Location. Somit liefert der Film zusätzlich bisher unbekannte und interessante Einblicke in die Kulissen der UN.

Pollack geht aber über die Dimension des reinen Erzählens noch einen Schritt hinaus, indem er in der Figur der Dolmetscherin die medialen Strukturen dieser Macht mitdenkt. Die Transformation der menschlichen Stimme in eine andere spielt auf einige der Thesen des Medientheoretikers Marshall McLuhan an und beleuchtet die darüber hinausgehende synästhetische Dimension – also die Verbindung von Körper und Medium – des Kommunikationsprozesses in Form von Sprache und Gehör. Dies wird besonders in den Szenen deutlich, in denen Nicole Kidman als Simultandolmetscherin auftritt.

Der Film überzeugt durch seinen spielerischen Umgang mit Spannung und Dramaturgie, seine exzellenten Darsteller und sein Gespür für die Probleme der Zeit. Außerdem verzichtet er gütigst auf die Ausformulierung neoromantischer Nippifizierungen (wenn gleich er auch nicht mit Anspielungen spart), wie sie sonst in derlei Filmen zum Standard gehören und umreißt stattdessen einige wichtige Themen medientheoretischen Nachdenkens … Alles was ein spannender Mainstream-Polit-Krimi braucht und noch ein bisschen mehr.

Die Dolmetscherin
(USA 2005)
Regie: Sydney Pollack
Drehbuch: Charles Randolph, Scott Frank, Steven Zaillan
Darsteller: Nicole Kidman, Sean Penn, Catherine Keener, Jesper Christensen, Yvan Attal, Earl Cameron, Sydney Pollack
Verleih: Universal Pictures, 120 Minuten.

Florian Reinacher

Schreibe einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.