Yella

 Ein Geheimnis liegt in diesem Film. Nicht in seinen Bildern, die klar bleiben, präzise. Aber der Ton schlägt oft schrecklich hart ins Bild, von Außen. Der Donnerschlag eines Düsenjägers als Schock, der die Welt entrückt. Die Welt ist hier, zunächst, das Umland um Magdeburg, Wittenberge, sozusagen eine „Petzold-Gegend“ (Petzold drehte hier auch schon früher): flach, mehr oder weniger profillos, man kann sich in ihr zurechtfinden. Der Schlag des Düsenjägers straft dies Lügen.

Eine Frau, Yella, zieht von Wittenberge nach Hannover. Ein neuer Job ist in Aussicht, Probezeit. Und sie flieht vor ihrem Gatten, den wir gleich zu Beginn als aggressives Arschloch kennenlernen. Er fängt sie ab, nimmt sie im Auto mit – Unfall an der Brücke, Sturz in den Fluss. Yella steigt aus dem Wasser, rennt zum Bahnhof: Weiter.

In Hannover stellt sich die Situation anders dar: Das Unternehmen ist in Auflösung. Yella lernt einen anderen Mann kennen, ein neuer Job winkt. Man lernt sich kennen, lernt zu arbeiten, bald auch Sex. Doch an Yella nagt’s: Die Welt ist seit dem Sturz ins Wasser nicht mehr dieselbe. Das Geheimnis nimmt sich Raum.

Mit Yella dringt Petzold in die Welt der melancholischen Romantik vor – und dreht doch keinen Film, der im klassischen Sinne ‚romantisch‘ wäre. Das sich säuselnd Phantasmen hingebende ist ihm als Geste völlig fremd. Keine Schatten durchziehen Yella: So farbig, so hell ausgeleuchtet, so satt an Detail war ein Petzold-Film bislang noch nie.

Mit ungeheurer Präzision lässt Petzold das Unheimliche in diese Räumlichkeiten dringen. Was auf der Tonspur stattfindet ist schlicht fabelhaft. Auch mise-en-scène und Kadrierung sind auf der Höhe der Kunst, Nina Hoss als Darstellerin ohnehin über jeden Zweifel erhaben: Sie verleiht der Figur der Yella, die mit dem Leben davonkommt und doch darüber im Zweifel ist, mit unglaublicher Präsenz und Intensität.

Was Petzold gelingt, ist großartig: Eine Gespenstergeschichte, die ihre Ursprünge gleichermaßen im 19. Jahrhundert wie in Herk Herveys großartigem B-Movie Carnival of Souls findet, die von beiden Quellen die Präzision in der Subvertierung vertrauter Koordinaten übernimmt, und doch ganz here and now ist. Im Transferpunkt zwischen West und Ost – Petzold drehte den Film letztes Jahr während der WM und wollte dem, wie er auf der Pressekonferenz sagt, „etwas entgegen setzen“ – entsteht eine flirrende interzone, die zumindest mir den Atem raubte.

Schreibe einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.