Auf der Suche nach dem Unsichtbaren

Vor kurzem erschien der schweizerische Science-Fiction-Film „Cargo“ in Deutschland auf Blu-ray-Disc und DVD (Kritik bei F.LM). Wir sprachen mit dem Regisseur und Drehbuchautor Ivan Engler, der zur Zeit in Los Angeles weilt, wo er neue Film-Projekte verfolgt, über seine Ideen zu „Cargo“ und die Dreharbeiten.

Ivan Engler - Foto: Bryon Paul McCartney
"Cargo"-Regisseur Ivan Engler - Foto: Bryon Paul McCartney

F.LM: Herr Engler, wie ist die Idee zu „Cargo“ entstanden?

Ivan Engler: Im Prinzip aus dem Verlust des Unsichtbaren: In der heutigen, technologisierten Welt wird für mich vieles entzaubert. Dinge und Orte werden transparent, alles ist jederzeit greif- und erreichbar. Das ist zwar ganz nützlich für den Alltag. Doch ich vermisse dabei das Mystische. Das Magische, Unerklärbare … Ich vermisse die Orte, welche sich nicht auf den ersten Blick decodieren und durchschauen lassen. Aus dieser Sehnsucht nach dem Mystischen stammt mein Bedürfnis, in Fantasiewelten abzutauchen. Und diese auszuformulieren, und mit anderen Menschen zu teilen. Ich bin ein klassischer Geschichtenerzähler, am Lagerfeuer, nachts, wenn das Sichtbare zu schwinden beginnt und das Unsichtbare die Bühne betritt. Ob meine Geschichten heute, in vergangenen Zeiten, oder gar in der Zukunft spielen, macht für mich keinen Unterschied. Das Kernthema ist und bleibt das Unsichtbare, das Unheimliche, die Schattenwelt, das Mystische.

F.LM: Wie lief die Vorproduktion des Films ab?

Ivan Engler: „Cargo“ ist ein sehr außergewöhnliches Projekt. Es hat sieben Jahre gedauert von den ersten Ideen bis zum fertigen Film. Es war alles andere als einfach, dieses Projekt in der Schweiz zu realisieren. Überraschenderweise erfuhren wir immer dann sehr viel Unterstützung und Begeisterung, sobald die Leute das Projekt im Detail kennengelernt hatten. Die ersten Präsentationen waren immer sehr harzig und wir wurden teilweise auch ausgelacht und nicht ernst genommen, was uns sehr viel Energie gekostet hat, welche wir gerne anderweitig investiert hätten. Doch wir haben nicht locker gelassen und haben an uns geglaubt.

Die Vorproduktion dauerte sehr lange, da mir eine konsistente Vision der Zukunft äußerst wichtig war. Der Production Designer Matthias Noger und ich haben über 1000 Skizzen hergestellt, Form- und Farbstudien gemacht, und das Drehbuch vorwärts und Rückwärts analysiert um ein Production Design zu kreieren, welches zu 100 % aus der Story hervorgeht und diese vollumfänglich unterstützt. Diese Arbeit war zwar sehr hart und aufwändig, hat uns beiden aber auch viel Spaß bereitet und war sehr spannend.

Am Set von "Cargo"

F.LM: „Cargo“ ist ein Science-Fiction-Film aus der Schweiz, die nur eine sehr kleine Tradition in diesem Genre hat. Welche Vorbilder hatten Sie?

Ivan Engler: Mein großes Vorbild ist die Natur. Ich schöpfe fast alle meine kreativen Visionen aus dem Sein in der offenen, freien Natur. Gerne meditiere ich auch im Freien, an Flüssen und anderen stillen Orten. Es gibt für mich zum Beispiel nichts Faszinierenderes als eine noch unbetretene Schneelandschaft im Winter, wo ich der Erste sein darf, welcher sachte in das noch unbekannte Gebiet vordringt. Ich habe drei Jahre lang Biologie und Medizin studiert, und mein Interesse für die Naturwissenschaften ist ungebrochen. Die Faszination für die Schönheit der Natur, verbunden mit dem Staunen über die dahinter liegenden Prozesse und Regelwerke geben mir Tag für Tag Inspiration und sind eine unerschöpfliche Quelle für neue Ideen.

Skizze der Krankenstation von "Cargo"

F.LM: Wenn man auf Science Fiction und die Schweiz zu sprechen kommt, dann fällt einem als ersten „H. R. Giger“ ein. Und einiges in „Cargo“ insbesondere im Production Design erinnert an „Alien“. Haben Sie Kontakt zu Giger gehabt? Wie ist das Statement von ihm auf dem DVD-Cover zustande gekommen?

Ivan Engler: Wir luden H.R. Giger zu einem privaten Screening in Zürich ein. Nach dem Film war er völlig überwältigt und kam aus dem Staunen über das Production Design und den Production Value, den wir aus dem kleinen Budget heraus gepresst hatten, nicht mehr heraus. Dieser Moment hat uns natürlich sehr, sehr geehrt, denn H.R. Giger ist eine Ikone für uns.

Dreharbeiten zu "Cargo"

F.LM: Die Utopie, die Sie in „Cargo“ von der Erde zeichnen, ist keine sehr angenehme. Science Fiction ist das Genre, das im Modus des Fantastischen und Zukünftigen immer auch etwas über die Gegenwart aussagt. Haben Sie eine Message in „Cargo“ verpackt?

Ivan Engler: Ja, die Message ist relativ deutlich: Es gibt kein käufliches Paradies. Wir dürfen uns nicht von den Regierungen anlügen lassen. Um die Erde vor dem Öko-Kollaps zu bewahren, braucht es Arbeit, und Umsicht, und das von jedem von uns. There’s no easy way out! Ich bin in einer Öko-Kommune auf einem Bauernhof aufgewachsen. Wir hatten einen Kompost, haben alles immer rezykliert, auch kaputt gegangene Geräte haben wir wieder instandgesetzt und nicht einfach etwas Neues gekauft. Nach diesem Credo lebe ich, sofern mir das möglich ist, auch heute noch. Mich beunruhigen die rasanten technologischen Entwicklungen. Das alles penetrierende Mensch-Maschinen-Interface wird täglich realistischer. Wir werden mit der Maschine verschmelzen, es ist nur eine Frage der Zeit. Doch wollen wir Menschen dies wirklich? Diese Frage beschäftigt mich, und sie war einer der Hauptgründe, diese Story zu erzählen.

Dreharbeiten zu "Cargo"

F.LM: Welche Projekte stehen als nächsten bei Ihnen auf dem Plan?

Ivan Engler: Ich weile zur Zeit in Los Angeles, wo meine Agentur CAA (Creative Artists Agency) daran ist, für mich ein großes Projekt in den USA an Land zu ziehen. Daneben schreibe ich an 2 eigenen Drehbüchern, über welche ich noch nicht zu viel verraten möchte. Nur soviel: Es geht um Quantenphysik, Parallelwelten, Drogen, Musik, Hippies, Gamedesigner und um die 1970iger Jahre im Silicon Valley.

F.LM: Na, das scheint ja auf jeden Fall in unser Ressort zu fallen. Wir danken Ihnen für das Interview.

(Die Bilder wurden freundlicherweise von Ivan Engler zur Verfügung gestellt.)

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