»Art is not a Crime«

1827 veröffentlicht der englische Essayist und Journalist Thomas de Quincey seine ironische Schrift „Der Mord als eine schöne Kunst betrachtet“. Spätestens zu diesem Zeitpunkt setzt eine diskursüberschreitende Debatte zwischen Kriminologie und Ästhetik ein, die in der Kunstproduktion des 20. Jahrhunderts, und hier vor allem in Film und Fotografie, ihre radikalste Ausformulierung bekommen hat. Zum einen adaptieren die Künste authentische Kriminalfälle, weil die ihnen inhärenten Momente von Erhabenheitsästhetik und Affektivität zu den maßgeblichen Faktoren der Kunst gehören; zum anderen beanspruchen nicht wenige Verbrecher für sich den Status eines Künstlers. Vor allem am Phänomen Serienmord ist dieser zweiseitige Anspruch immer wieder formuliert worden. Die Argumente und Ergebnisse stellt Terry Zwigoff nun in seinem ironisch-reflexiven Beitrag „Art School Conficential“ vor.
asc.jpgIn ihm wird die erfolglose Entwicklung des jungen Künstlers Jerome erzählt. Jerome besitzt Talent, Technik und Engagement und dennoch kann er sich gegenüber seinen Komilitonen und bei seinen Professoren an der New Yorkerv Strathmore-Akademie nicht durchsetzen. Hinzu kommt, dass er sich in das Aktmodell Audrey verliebt, dass anstelle seiner jedoch lieber erfolgreiche Künstler wählt. Jerome versucht sich mit allen Mitteln, zunächst mit abgrenzender Kritik an den Areiten der Kollegen, dann durch Experimentieren mit verschiedenen Stilen ein Standing sowohl als Künstler als auch als Verehrer Audreys gehör zu verschaffen. Erst als er den abgehalfterten und erfolglosen Strathmore-Absolventen Jimmy kennenlernt, kommt ihm die rettende Idee: Er gibt Jimmys großartige Gemälde ermordeter Frauen als sein eigenes Werk aus. Was Jerome jedoch nicht weiß, ist, dass Jimmy ein Serienmörder ist, der Frauen auf dem Campus erwürgt, um Vorlagen für diese Gemälde zu bekommen. Die Polizei hingegen erkennt die Darstellungen als das wieder, was sie sind und Jerome wird damit „berüchtigt“.

Das Thema Serienmord ist in „Art School Confidential“ zwar nur ein erzählerischer Seitenstrang, doch wird gerade dieses Verbrechen vom Plot als genuin künstlerisch ausgewiesen. Nach der vermeintlichen Entlarvung Jeromes wird dieser zu einem gefeierten Künstler – eine Anerkennung, die er durch sein eigenes Schaffen nie erlangt hätte. Die Frage, ob „seine“ Werke nun Kunst oder Beweismittel sind, wird dabei besonders kontrovers diskutiert – zumal in die Bilder Gegenstände der Opfer eingearbeitet sind. Ein Polizist, der als verdeckter Ermittler an der Kunsthochschule eingeschrieben war, entwickelt eine veritable Karriere mit seiner naiven Malerei – er ist damit und als Nebenbuhler Audreys Jeromes größter Konkurrent. Die Tatsache, dass die Polizei den Mörder unter den Kunststudenten vermutet, wird nie erklärt, sondern von der Polizei fraglos angenommen.

Regisseur Zwigoff führt alle erdenklichen Überschneidungen zwischen Kriminalistik/Krinimologie und Ästhetik in seinem Film zusammen. Selbst einen Filmregie-Studenten integriert er in den Plot, der die Taten des „Strathmore-Stranglers“ zum Thema erst eines Spiel-, dann, als er herausfindet, dass es sein Mitbewohner Jerome gewesen sein soll, eines Dokumentarfilms macht. Jerome selbst weist die Rolle des Serienmörders nicht von sich – zumal sie ihm doch jede Anerkennung verschafft hat, nach der er sich sehnte. Und auch sein Manager und Galerist hält nichts davon, seinen Protegé vorzeitig zu rehabilitieren. Diese recht sarkastische Spitze, in der der Film seine enggeführten Themen kulminieren lässt, ist nicht einmal abwegig: hatte der 33-fache Serienmörder John Wayne Gacy doch ebenfalls in der Todeszelle eine Maler-Karriere begonnen, die seine Werke zu veritablen Kunstsammelobjekten werden ließ. Dass solche Auswüchse überaus kompatibel zur Kunstproduktion und –rezeption sind und die moralischen Fragen hintangestellt werden, konstatieren Jeromes Komilitonen, die von den Medien über ihren berüchtigten Mitstudenten befragt werden: „Should is art be less value?“

Art School Confidential
(USA 2006)
Regie: Terry Zwigoff; Buch: Daniel Clowes; Musik: David Kitay; Kamera: Jamie Anderson & Chandra Mouli; Schnitt: Robert Hoffman
Darsteller: Max Minghella, Sophia Myles, John Malkovich, Jim Broadbent, Matt Keeslar, Ethan Suplee u.a.
Länge: 102 Minuten
Verleih: n.n.
Start: n.n

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