Indianer sind die besseren Amis

Das Geschichts-Crossover bietet eigentlich eine wunderbare Quelle für quietschbunte Exploitationware. Schaut man sich jedoch die wenigen Vertreter dieses Genres an, kommt man kaum umhin zu bemerken, dass es einige randvolle Fettnäpfchen für die bereithält, die sich an ihm versuchen. Die Begegnung von Mayas und Indianern in J. Lee Thompsons „Könige der Sonne“ (1963) wirkt wie von Grundschülern erdacht und den arabischen Krieger, der den Wikingern zur Seite steht, hat man in „Der 13. Krieger“ (1999) vorsichtshalber gleich auf den Status einer exotischen Nebenfigur zurecht gestutzt, um Peinlichkeiten zu vermeiden. Marcus Nispel versucht sich nun im Kampf der Kulturen zwischen Indianern und Wikingern, die angeblich schon 600 Jahre vor Columbus einigen Ärger miteinander hatten.

Die Handlung ist schnell abgefrühstückt: Eine Indianerin findet in einem gestrandeten Drachenboot einen vereinsamten Wikingerjungen, den ihr Stamm kurz entschlossen bei sich aufnimmt. Der blondmähnige Wildfang wächst und gedeiht zum kernigen Krieger, der sich beweisen muss als seine Blutsverwandten aus dem fernen Skandinavien plötzlich ans heimische Tipi klopfen. Ab diesem Moment beginnt ein breit ausgewalztes Gemetzel, das schon nach kurzer Zeit zu langweilen beginnt.

pathfinder-poster-1.jpgMarcus Nispel kommt wie so viele der jungen Hollywood-Regisseure aus der Werbung. Neben zahlreichen Werbespots drehte er auch die obligatorischen Videoclips und das durchaus mit einigem respektablen Erfolg. Diese Herkunft sieht man „Pathfinder – Fährte des Kriegers“ in jeder Sekunde an: Die Credit-Sequenz rast an einem vorbei als hätte Nispel schon zu diesem Zeitpunkt etwas aufzuholen und dieses Tempo hält der Film bis zum Ende durch. Nicht verkehrt bei einem Actionfilm, ist man geneigt zu denken, doch das ist ein Irrtum: Die Figuren bleiben leer und fremd, weil sie von einer Sequenz zur nächsten gehetzt werden, und im raschen Wechsel austauschbarer Actionszenen fehlt einfach der dramaturgische Höhepunkt. „Pathfinder – Fährte des Kriegers“ pegelt sich schon nach wenigen Minuten auf einem Level ein, das weder Ausreißer nach oben noch nach unten kennt – todsterbenslangweilig. Nun wissen Werbeleute natürlich wie sie ihren Zuschauern etwas verkaufen können und hier weiß auch Nispel zu punkten: Sein Film sieht toll aus. Monochrome Grau- und Brauntöne dominieren und verleihen dem martialischen Treiben die nötige monolithische Wucht. Doch leider fehlen auch hier die Akzente: Schnell hat man sich satt gesehen an den immergleichen Bildern und vermisst eine Abwechslung, die Nispel dem Zuschauer jedoch nicht gönnt.

Interessant ist „Pathfinder – Fährte des Kriegers“ allein aus ideologischer Perspektive. Nachdem die Indianer in den Western der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts zu gesichtslosen Mordbuben abgestempelt wurden, bemühte man sich später darum, dieses Bild zu revidieren und die ehemalige Rothaut zum edlen Wilden zu stilisieren, der mit seinem Ethnoschwurbel ja so viel näher an der Natur war als der dumme Weiße. In Nispels Film wird der vorläufige Gipfel dieser Entwicklung erreicht: Seine Indianer sind nicht nur naiv wie Kinder und außerdem friedliche Naturbuschen, sie sind auch – noch bevor überhaupt ein Europäer den amerikanischen Kontinent betreten hat – zur englischen Sprache befähigt. Natürlich nicht nur ein ökonomischer Schachzug (ein Film mit Untertiteln hat es an der Kasse ungleich schwerer), sondern vor allem ein inhaltlicher: Denn wenn die Nordmannen mit ihrem Kauderwelsch einfallen, sind die Fronten geklärt und auch der überzeugteste Redneck weiß, zu wem er halten muss. Dass erst ein weißer Mann daherkommen muss, um die Indianer zu retten, mag die Identifikation ebenso erleichtern wie das finstere Outift der Wikinger, die mit Vorliebe ausgehöhlte Tierschädel auf dem Quadratschädel tragen.

Das Aufeinandertreffen von Indianern und Wikingern hätte genug Stoff für einen aufregenden Abenteurfilm geboten. Um dieses Potenzial auszuschöpfen hätte es aber eines einfallsreicheren Drehbuches und vor allem etwas nerdigen Überschwanges oder kindlicher Naivität bedurft. So kommt ein fader Einheitsbrei dabei heraus, dessen Geschmacksrichtung man auch aufgrund der Farbgebung von Nispels Film mit „grauer Anzug“ beschreiben möchte. Da fragt man sich nur, warum man diesen Film auf die große Leinwand bringt, anstatt die Werbetrommel für eine sicherlich chancenreichere Videopremiere zu rühren.

Pathfinder – Fährte des Kriegers
(Pathfinder, USA 2007)
Regie: Marcus Nispel, Drehbuch: Laeta Kalogridis, Nils Gaup, Kamera: Daniel Pearl, Musik: Jonathan Elias, Schnitt: Jay Friedkin, Jay Scantlebury
Darsteller: Karl Urban, Moon Bloodgood, Russell Means, Clancy Brown, Ralf Moeller
Verleih: Fox
Länge: ca. 90 Minuten

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