Dawn of the Teeth

berlinale_logo.jpgEin Gespenst geht um in Amerika: Der christliche Radikalfundamentalismus. Unter der Ägide George W. Bushs hat nicht nur ein merklicher Rechtsruck in Sachen Sexualmoral stattgefunden. Auch den Naturwissenschaften weht seit einigen Jahren gehörig Wind ins Gesicht – produziert hauptsächlich von den Vertretern der so genannten „Creative Design“-Theorie, die die Evolutionstheorie zugunsten einer auf Schöpfungsfantasien basierenden Biologie auszuhebeln versuchen. Die Zielrichtung derartiger Bestrebungen ist mehr als klar: Es soll ein fest-definiertes christliches Moralgebäude errichtet werden, das westliche streng von östlichen (sprich: muslimischen) Wertmaßstäben trennt. Dass die größtenteils vernunft- und menschenverachtenden Projekte der „Wiedergeborenen Christen“ u. a. Gruppen als finales Angriffsziel den Menschen selbst haben (und damit eigentlich genau dasselbe Ziel verfolgen, wie die Taliban und ähnliche von ihnen bekämpften Regimes), versuchen Kulturkritiker und Künstler in den USA seit einiger Zeit zu betonen. Nun ist das Thema auch im Splatterfilm angekommen: Mitchell Lichtensteins Erstlingswerk „Teeth“ erzählt von der sozialen Mutation der Gesellschaft parabelhaft fokussiert auf die körperliche Mutation eines jungen Mädchens.

teethposter.jpgDieses Mädchen heißt Dawn. Sie ist prominentes Mitglied einer ortsansässigen Enthaltsamkeitssekte: „Kein Sex vor der Ehe“ ist ihr angeblich aus der Bibel stammendes Motto. Die völlig gleichgeschaltete Grupppe, in der sie sich bewegt, kämpft aber auch noch für andere Dinge: Keine Filme mit sexuellem (worunter auch küssen fällt) oder gewaltdarstellendem Inhalt (wozu auch Jack Arnolds Werk zählt) für jugendliche Zuschauer, keine Informationen über die Sexualbiologie des Menschen (Schulbücher sind an eindeutigen Stellen bereits von der Schulbehörde mit Aufklebern zensiert) und offener Protest gegen die im Biologieunterricht gelehrte Evolutionstheorie. Dawn tritt also für all jene Werte der Christofaschisten ein, die tatsächlich derzeit in den USA immer wieder öffentlich hochgekocht werden. Doch auch Dawn kann sich ihrer Natur kaum erwehren. Als eines Tages ein neuer Junge in ihre Gruppe kommt, fordert die Pubertät ihren Tribut. Dawn beginnt sich mit dem Jungen zu treffen, es kommt sogar zu Küssen und an einem einsamen Ort im Wald geschieht es schließlich: Gegen ihren Willen fällt der Junge über sie her und versucht sie zu vergewaltigen. Scheint Dawns Geist hier zunächst willig, ihr Fleisch ist keineswegs schwach: Ihre Vagina ist mit Zähnen bestückt, die den designierten Vergewaltiger entmannen.

Sichtlich verwirrt sucht Dawn zunächst Rat im Internet und erfährt von der „Vagina Dentata“, der bezahnten Vulva, die in vielen Mythen der Welt eine Rolle spielt. Sie konsultiert einen Gynäkologen, doch auch der wird zudringlich („Gosh, you’re tight!“), deshalb kurzerhand handgekürzt und verliert beim allzu forschen Eingriff in Dawns Körper vier Finger. Nach und nach beginnt das Mädchen nun ihre biologische Mutation als Chance zu begreifen, sich gegen die Zudringlichkeiten der Männer und damit gegen die Sexualität an sich zu wehren. Und so hinterlässt sie bald eine Blutspur, trennt Penis um Penis vom Besitzer ab und hat am Ende nur ein Ziel: es ihrem Halbbruder heimzuzahlen, der wie ein Geschwür ihre Familie zerstört und Dawn von Kindesbeinen an inzestuös bedrängt hat.

still2_122267cc.jpgMitchells Film ist scheinbar ambivalent was seine politische Agenda angeht. Wirkt es zunächst, als manifestierten sich die Wahnvorstellungen der „Purity“-Fanatiker fleischlich in der bissigen Vagina Dawns, ist dieses Annahme jedoch „zweischneidig“: Wenn ihre Abnomalie von Gott geplant ist, scheint damit das von Dawn lange Zeit beschworene Ehe-Prinzip hinterfragt (welcher Ehegatte würde die Ehe an ihr schon vollziehen können?), wenn es allerdings an dem hinter Dawns Haus befindlichen Atommeiler liegt, dass die Männer bei ihr mehr als nur den Kopf verlieren, dann wäre sie gezwungen, die Existenz biologischer Mutationen in Betracht zu ziehen (ein Affront gegen die christiliche Schöpfungslehre). Der Film weicht diesem Dilemma aus, indem er sich selbst als das Zerrbild real-existierender Zustände definiert. Dass Dawn kann, was sie kann, ist lediglich eine Versinnbildlichung der puritanistischen Wahnvorstellungen, die postulieren, dass Sex vor der Ehe – oder sexuelle Betätigung im Jugendalter überhaupt – eine krankhafte Entgleisung sei. Dawn mutiert schließlich nicht nur zwischen ihren Beinen, sondern auch im Kopf: Sie gerät zum Ende des Films zu einer Art feministischem Racheengel, der dem chauvinistischen Vergewaltigertum den Kampf ansagt.

„Teeth“ ist ein pointiert fomulierter Beitrag – nicht nur angesichts des in ihm verhandelten religionspolitischen Diskurses, auch was die Inszenierung betrifft, überrascht der Film seine Zuschauer mehrfach. Man glaubt seinen Augen kaum, was da zeitweilig in Großaufnahme veranstaltet wird. Mit bitterem Sarkasmus wird Entmannung um Entmannung ins Bild gerückt und irgendwann gewinnt Dawn sogar Spaß an ihrem Tun, behält – wie zur Verhöhnung ihrer Opfer – deren abgetrennte Glieder noch eine Weile in ihrer Vulva, bevor sie sie verächtlich auf den Boden purzeln lässt. „Teeth“ trifft damit (hoffentlich) nicht nur den Nerv der christofaschistischen Bewegung in den USA, er schürt in einem feministischen „Schwanz ab!“-Subtext auch die in ihm verhandelten Urängste von der Männer verschlingenden Frau. Zeitweilig bleibt einem (als Mann) das Lachen wirklich im Halse stecken, wenn man sich vorzustellen versucht, was da genau im Körper des Mädchens vor sich gehen mag (letztlich wiederum eine Parabel auf die oftmals als unheimlich beschriebene weibliche Sexualität überhaupt). Auf der Berlinale hat der Film das Publikum zwar stellenweise entsetzt, am Ende jedoch großen Beifall bekommen. Es wäre zu wünschen, dass diese kleine Erstlingsproduktion mit ihren guten Schauspielern, witzigen Einfällen und brisanten Themen zu breiterer Bekanntheit gelangt – wenn nicht hierzulande, dann hoffentlich in den USA.

Teeth
(USA 2007)
Regie & Buch: Mitchell Lichtenstein; Kamera: Wolfgang Held; Schnitt: Joe Landauer; Musik: Robert Miller
Darsteller: Jess Weixler, John Hensley, Josh Pais, Hale Appleman u.a.
Vertrieb: n.n.

Der Film lief auf der Berlinale 2007 im Rahmen des Panorama-Programms.

3 Antworten auf „Dawn of the Teeth“

  1. Ich denke, dass es in dem Film höchstens am Rand um puritanische Wahnvorstellungen geht und er absolut keine „politsche Agenda“ hat. Die Vagina dentata ist auch keine Parabel auf irgend etwas, sondern eine Art Urbild in der menschlichen Psyche. Insofern sind die Themen des Films so alt wie die Menschheit. Ich habe von der vagina dentata geträumt, lange bevor ich in einem Buch von Joseph Campbell darüber gelesen habe. Den Film fand ich auf Grund der für einen low budget Horrorfilm sehr guten schauspielerischen Leistungen und des Humors sehr gut.

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