Godzilla oder wie die Japaner lernten, die Bombe zu lieben

Vor der japanischen Insel Oto verunglücken mehrere Fischerboote. Die abergläubische Bevölkerung glaubt an eine Rückkehr des Seeungeheuers Godzilla, das menschliche Opfer einfordert, sobald es durch menschlichen Raubbau an der Natur keine Nahrung mehr findet. Als das Monster die Insel betritt und eine Panik auslöst, beschließt auch die Regierung zu handeln. Sie evakuiert die Küstenregionen und stellt ein gewaltiges Armeeaufgebot, um dem Ungeheuer die Stirn zu bieten. Doch Godzilla lässt sich nicht aufhalten: In einer gewaltigen Zerstörungsorgie macht es Tokio dem Erdboden gleich, bis der Wissenschaftler Serizawa seine neueste Waffe zur Verfügung stellt …

41r9nvsjyql_ss400_1.jpg„Godzilla“ ist seit über fünfzig Jahren ein wichtiger Bestandteil der japanischen Filmkultur. Regisseur Ishirô Honda schuf mit seinem Ungeheuer nicht nur ein mittlerweile legendäres Kinomonster, sondern gleich ein ganzes Filmgenre: den so genannten Kaiju Eiga, den japanischen Monsterfilm. Von Hondas Ur-„Godzilla“ von 1954 bis zum bisher letzten Godzilla-Film, Ryuhei Kitamuras „Godzilla: Final Wars“ aus dem Jahr 2004, enstanden mit mehr oder weniger langen Pausen 28 Filme um die Riesenechse, die sich in den Siebzigerjahren auch in Deutschland einiger Popularität vor allem bei Kindern und Jugendlichen erfreute. Keinen geringen Anteil an diesem Erfolg hatte die japanische Effekttechnik der „Suitmation“, was nichts anderes bedeutet, als dass Schauspieler in den fantasievollen und quietschbunten Monsterkostümen stecken und sich unbeholfen durch die detailverliebten Miniatursettings balgen. In Ishirô Hondas „Godzilla“ ist jedoch vom Trashappeal und dem kindlichen Übermut späterer Beiträge noch nichts zu spüren, im Gegenteil. Sein Film zeichnet sich durch eine ausgesprochene düstere Atmosphäre aus, die durch die kontrastreiche Schwarzweiß-Fotografie noch unterstrichen wird. Godzilla selbst, später eindeutig Held und sogar Protagonist der Kaiju Eigas, bleibt hier die unheimliche Bedrohung, die der Zuschauer erst zu fortgeschrittener Spielzeit in ganzer Pracht zu Gesicht bekommt, ganz nach den damals etablierten Regeln des Monsterfilms.

Mit diesen amerikanischen Vorläufern teilt Hondas Film dann auch seine unmissverständliche Botschaft: Es ist viel darüber geschrieben worden, dass die Riesenchse Godzilla den Schrecken der Atombombe personifiziere und so ein japanisches Trauma verkörpere. Die unaufhaltsame Kraft, mit der das radioaktiv verseuchte Ungeheuer alles dem Erdboden gleichmacht, was ihm in die Quere kommt, und dabei Ruinen und Trümmerfelder zurücklässt, die weit aufgerissenen Augen der japanischen Zivilbevölkerung, die dabei zusehen muss, wie ihre Heimat zerstört wird, das alles untermauert diesen Vergleich. Dennoch liegt in der Gleichsetzung von Godzilla und Atombombe nur die halbe Wahrheit: Denn Godzilla ist auch ein uralter Naturgeist, der die Hybris der Menschen bestraft, die sich an der Natur vergangen haben. Dies geht nicht nur aus der Erzählung des alten Mannes auf der Insel Oto hervor, es ist auch ganz klar aus den Bildern des Films herauszufiltern, die immer wieder die Zerstörung von Fabriken und Strommasten und damit von Errungenschaften der Zivilisation durch das Monster zeigen. „Godzilla“ steckt voller Skepsis: Skepsis vor dem technischen Fortschritt, den Plänen der Wissenschaftler und den Versprechungen der Regierung. Als ein Politiker sagt, er werde alles daran setzen, Tokio vor dem Ungeheuer zu beschützen, begehrt eine Frau vom Land auf, die befürchtet, die Politiker opferten die Provinz zugunsten der reichen Hauptstadt. Man kann nur spekulieren, wie sehr Honda mit seinem Film den Nerv der japanischen Bevölkerung traf. Ihm war aber wohl auch klar, dass er mit seinem Film das Trauma der Atombombe nicht würde auflösen können. Das vorgebliche Happy End des Films spricht Bände in dieser Hinsicht. Um Godzilla zu besiegen, kommt eine neue Waffe zum Einsatz, eine Bombe, die in der Lage ist, Sauerstoff zu zerstören. Der Zirkel von menschlicher Hybris und göttlich-natürlicher Rache wird somit nicht aufgebrochen, sondern immer wieder aufs Neue geschlossen. Godzilla lässt sich nicht vertreiben: Die Auseinandersetzung mit ihm ist ein Prozess ohne Ende. Das Trauma bleibt.

Godzilla
(Gojira, Japan 1954)
Regie: Ishirô Honda, Drehbuch: Ishirô Honda, Takeo Murata, Shigeru Kayama, Kamera: Masao Tamai, Musik: Akira Ifukube, Schnitt: Kazujo Taira
Darsteller: Akira Takarada, Momoko Kôchi, Akihiko Hirata, Takashi Shimura, Fuyuki Murakama
Länge: ca. 98 Minuten
Verleih: Splendid

Zur DVD von Splendid

Splendid veröffentlichen „Godzilla“ in einer „Japanischen Langfassung“, in die einige Dialogpassagen reintegriert wurden, die man in der deutschen Urfassung aus Straffungsgründen entfernt hatte. Da diese Szenen damals nicht synchronisiert worden waren, sind sie in der vorleigenden Fassung im Originalton mit deutschen Untertiteln enthalten. Einige Abstriche muss man beim Bild machen, das deutliche Verschleißerscheinungen aufweist und an den Seiten minimal beschnitten ist, sowie bei den Extras: Diese erschöpfen sich in einem Trailer. Schade, zumal es in Deutschland mit Jörg Buttgereit ja einen ausgewiesenen Godzilla-Experten gibt, mit dem man einen schönen Kommentartrack hätte aufnehmen können. Gemessen am kleinen Preis geht die Scheibe aber letztlich dann doch in Ordnung.

Zur Ausstattung der DVD:
Bild: 1,33:1
Ton: Deutsch, Japanisch (Dolby Digital 1.0 Mono)
Extras: Trailer
Länge: ca. 98 Minuten
Freigabe: Ab 12
Preis: 8,95 Euro

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