Während nur wenige Türen weiter in ausgesuchten Kinosälen das New Hollywood retrospektiv gefeiert wird, scheint sich in der us-amerikanischen Filmauswahl des diesjährigen Wettbewerbs ein penetranter Regress Bahn zu schlagen. Kein Zufall scheint es, dass die beiden bisherigen US-Filme jener Reihe mit einem sich auffällig gleichenden Bild enden: Die Konflikte sind befriedet, die Harmonie ist hergestellt, das wiedervereinte Bild der Familie – ein Keimzelle, man weiß das ja – findet sich am reich gedeckten Tisch ein und wonneproppiger Nachwuchs, den es in der Narration bislang nicht gegeben hat, springt auch schon durchs Bild, während Geiger geigen und Kameras in die Totale wechseln. Kein Zweifel: Hier wird eine neue, innere Harmonie ausgerufen, die sich, auch und gerade, weil in Something’s Gotta Give mit Jack Nicholson eine Ikone des New Hollywood befriedet wird, förmlich mit der Retrospektive anzulegen scheint.
Bis zu dem beschriebenen Bild ist es ein langer, qualvoller Weg: Zu Beginn herrscht Rock’n’Roll, bzw. was davon übrig geblieben ist, zumindest aber ist Harry Sonborn jenseits der 60, Besitzer eines florierenden HipHop-Labels und vor allem besonders erfolgreich darin, junge Dinger abzuschleppen. In der Wohnung seines neuesten Aufrisses Marin (Amanda Peet) kommt schließlich, was kommen muss: Eine Herzattacke während des Vorspiels, von Marvin Gaye musikalisch unterlegt. Pikant obendrein, dass Marins zugeknöpfte Mutter Erica (Diana Keaton), eine angesehene Drehbuchautorin, und deren Schwester Zoe (selten so nebensächlich für einen Film: Frances McDormand) ebenfalls anwesend sind und sich dazu gezwungen sehen, den alternden Hengst ins Krankenhaus einzuliefern und ihn später dann auch weiter beherbergen müssen. Kleines Liebesgeplänkel mit dem Arzt Julian (Keanu Reeves), Annäherung Nicholson/Keaton, Nicholsons nackter Arsch und ebenso Keatons Titten, Sex zwischen Blutdruckmessgerät und Hornbrille. Konflikt, Keaton am Boden zerstört, dann eben Reeves, wenn Nicholson nicht will, Nicholson am Boden zerstört. Ein Drehbuch für ein Theaterstück als Rache an Nicholson, der ist beleidigt und noch mehr am Boden zerstört, am Ende dann Paris und Happy End wie oben erwähnt.
Was für eine unerquickliche Anhäufung von Zoten, Peinlichkeiten und intellektuellen Fehlleistungen. Es geht, natürlich, um die an sich eh schon unnötige Domestizierung exaltierter Lebensentwürfe, wenn auch, um den Ruch des allzu Kleinbürgerlichen zu entgehen, im bildungsbürgerlichen Milieu angesiedelt. Natürlich darf aber auch die kulturell interessierte, still und heimlich etwas verhärmte Emanze in ihren späten 50ern noch etwas dazulernen, ihre Säfte, vor allem aber den Körper nämlich, indem er vom Lover – wie peinlich – mit der Schere aus dem Kokon der Rollkragenpullis herausgeschnitten wird. Dem folgt eine kleinkarierte Liebesfantasie vom stillen Glück zu zweit, im einsamen Strandhaus, bei Gewitter und Kerzenschein, die schmerzlich lange und sträflich unironisch ihr Spiel treiben darf. Und natürlich kann ein „old dog“ nicht (so schnell) belehrt und in den Schoß der Familie zurückgeführt werden, deshalb wird sich an ihm auf die denkbar verknöchertste Art feministisch abgekämpft – soll er wenigstens im Theater zum Schluss sterben -, bis er dann eben doch einlenkt und in Paris zum Charmeur heranreift. Ein in die Jahre gekommener, durch seine Epigonen selbst schon überholter Feminismus macht sich hier breit, der sich letztendlich doch nur als sturer Konservatismus mit Kulturkolorit zu erkennen gibt – wie rundum und unsäglich langweilig. Nie war das gute, alte New Hollywood wichtiger.
Der Film läuft auf den 54. Internationalen Filmfestspielen Berlin außer Konkurrenz im Wettbewerb.
Was das Herz begehrt
(Something’s Gotta Give, USA 2003)
Regie/Drehbuch: Nancy Meyers; Kamera: Michael Ballhaus; Musik: Hans Zimmer
Darsteller: Jack Nicholson, Diana Keaton, Amanda Peet, Keanu Reeves, Frances McDormand, u.a.