Yukinojos Rache

„Words can’t describe the mysteries of Art!“
(aus den Untertiteln)

Perfekt ist ein Kunstwerk, wenn man von ihm nichts mehr entfernen kann. So in etwa soll der japanische Begriff von Perfektion aussehen. Reduktion bis zum Abstrakten, Minimalismus. In Yukinojos Rache – neben all den gewiss schönen, aber eben auch weitgehend sattsam bekannten Filmen der diesjährigen Retrospektive sicherlich eine der schönsten und lohnenswerten Entdeckungen dieser Sektion – kann man dieser Methode in Formvollendung zusehen: Eine schwarze Leinwand bedeutet Nacht, kaum, dass man die Personen sähe (sie sind oft nur an bestimmten Stellen be-, nicht ausgeleuchtet), kommt es zum Kampf, so reichen lichtreflektierende Streifen, die über die Leinwand sausen, um die Auseinandersetzungen mit dem Schwert zu referenzieren. Es bildet sich eine Logik des Erzählens, die nicht den geschlossenen diegetischen Raum sucht, diese an sich verlogene Simulation der Alltagserfahrung. Es ist eine Logik des Schauens und Präsentierens, eine, die die Leinwand nicht als unsichtbare Wand begreift, sondern vielmehr durch sie ganz auf den Zuschauer abgerichtet ist. Eine offene Form, an die anzuknüpfen ist. Kurz überlege ich, ob diese spezifische Form des populären Films (denn „Genre“ ist Yukinojos Rache durchaus), wie sie sich in Japan herausgebildet hat, vielleicht wirklich auch mit der spezifischen Kinotradition Japans zu tun hat, mit den Benshi nämlich, den Kommentatoren, den ersten japanischen Kinostars, die die frühen Filme einst Jahre, Jahrzehnte lang erklärend kommentierten. Im nach außen hin sehr verschlossenen Kinoland Japans könnte sich hier eine spezifisch offene Form des Bildes entwickelt haben, deren Echo in diesem Film vielleicht ja wirklich zu spüren ist. Dies im Kino zu erleben ist schlicht sagenhaft.

Dabei ist diese theoretische Gymnastik an sich gar keine solche, denn der Film eröffnet schon mit einem formalen Paukenschlag im besten Sinne, der genau dieses Verhältnis von Diegese zum Bild zum Zuschauer zur Erzählung auf vorderster Ebene behandelt. Wir sehen eine Kabuki-Vorstellung; der abstrakte Tanz in einer künstlich-flachen Schneelandschaft einer von der männlichen Hauptfigur, Yukinojo, dargestellten Frau rührt eine Frau im Publikum so sehr, dass sie sich ans Herz fasst (und sich in den Schauspieler tödlich verliebt). Wir bewegen uns auf die Bühne, hin zu dem Schauspieler und mir einem Male ist die Bühne eine Landschaft, von einem Publikum nichts mehr zu sehen, nur kurz reißt der Blick in den Schnee zum Saal hin auf: Drei Männer aus dem Publikum sind eingeblendet. Yukinojo erkennt sie als vormalige Peiniger seiner Familie, die das Leben seiner Elten und also sein eigenes schwer beschädigt hatten. Ein Wechselspiel der Erzählformen, das diese sich durchdringen, überlappen lässt; gleichzeitig bestimmt der Film mit erfrischender Bestimmtheit in kürzester Zeit den Rahmen seiner Handlung und impliziert schon den weiteren Verlauf. Auch hier höchst effektiver Minimalismus, der sich nicht lange mit langwierigen Expositionen herumzuschlagen gedenkt. Und nie wird im weiteren Verlauf mit letzter Sicherheit beweisbar, ob wir uns im Theater, im Film oder in einem vom Theater evozierten Bilderraum befinden. Immer wieder fällt das eine ins andere und zu sich zurück.

Was sich, in Worte gefasst, nach grüblerischer Reflektion anhört, ist in Wirklichkeit ein leichtes Spiel mit den Erzählformen und Möglichkeiten des Films von beeindruckender Eleganz, das sich gekonnten Schrittes von Liebreiz zu Liebreiz bewegt. Eine Abfolge wunderbarer Bilder, Räume, Kameraeinstellungen, wo mit Charme und Klugheit um die Gunst des Zuschauers gebuhlt wird. Dazu ist jedes Mittel Recht und wenn es sich an sich mit anderen beißt, so überzeugt es im einzelnen doch: Barjazz der 1960er Jahre unterlegt manche Bilder (der Film spielt in den 1830ern …), die besonders schön gestalteten Liebesszenen umschmeichelt Musik, die von Ferne an us-amerikanische Melodramen aus der Filmenstehungszeit erinnert. Gerade diese Leichtigkeit, diese Freude an der Perfektion der Schönheit ist es schließlich, die, neben all der Klugheit der Inszenierung, dieses Filmerlebnis zu einem genussreichen sondergleichen machte.

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