Im Medium Film hat das Doppelgängermotiv seine ideale Darstellungsform gefunden. Es tritt dort nicht nur als handlungsbestimmendes Element auf, sondern auch als Gestaltungsmerkmal, das auf symbolischer Ebene Zwiespälte der Protagonisten verbildlicht oder auch die Identität einer Figur in Frage stellt.
Sven Herget untersucht in seiner Dissertation zunächst die folkloristischen und literarischen Ursprünge des Motivs, um es dann in seinen verschiedenen Manifestationen anhand zahlreicher Filmbeispiele genauer zu analysieren. Nicht nur das Alter Ego eines Dr. Jekyll ist ein Doppelgänger, auch Spiegel, Schatten, Porträts oder Zwillinge verdoppeln das Ich und finden sich in einer Vielzahl von Genres, von der Komödie über den Film Noir bis zum Horrorfilm. Wie diese Doubles inszeniert werden, ist von Film zu Film unterschiedlich, doch auch interessante Parallelen zeigen sich auf, wie die Verwendung von symmetrischen Bildkadern im Zwillingsfilm, sei es Josef von Bakys „Das doppelte Lottchen“ oder David Cronenbergs „Dead Ringers“.
Klassiker des phantastischen Films wie „Der Student von Prag“ (1913, 1926), „The Picture of Dorian Gray“ (1945) oder „Dr. Jekyll and Mr. Hyde“ (1933) werden von Herget dabei ebenso unter die Lupe genommen wie jüngere Beispiele mit Hang zur Selbstreferenzialität a la „Fight Club“ (1999) und Adaptation (2002). Der Autor stellt dabei präzise Beobachtungen zum Wandel des Motivs an und stellt auch Filme vor, die die Verdopplung nicht zum eigentlichen Thema haben, aber in Schlüsselszenen gestalterisch einsetzen. So ist auch dem Rollentausch ein Kapitel gewidmet, das sich neben dem auch hier zu beachtenden Feld der Komödien besonders intensiv mit den Verfilmungen von Patricia Highsmiths Roman „The Talented Mr. Ripley“ beschäftigt. Vor allem in der Version von Anthony Minghella finden sich zahlreiche Sequenzen, deren Bildgestaltung über die reine Abbildung der handelnden Figuren herausgeht: So erscheint Tom Ripley mit der Hilfe von Spiegeln bereits als Double seines zukünftigen Mordopfers, dessen Identität er schließlich annimmt, als dieses noch lebt. Herget zeigt ebenso auf, wie mit Hilfe von Beleuchtung und Raumaufteilung der Zwiespalt in Ripleys Ich nach verübter Tat auf der visuellen Ebene herausgestellt wird und zieht Parallelen zu Hitchcocks „Vertigo“, dem bereits ein früherer Abschnitt gewidmet ist.
Ein wenig schade ist das Fehlen von Beispielen aus dem asiatischen Kino, haben doch vor allem in Japan einige bemerkenswerte Filme wie Shinya Tsukamotos Edogawa Rampo-Verfilmung „Gemini“ oder Kiyoshi Kurosawas „Dopperugenga“ interessante Variationen des Motivs zu bieten – der Einwand, daß es sich dabei um einen gänzlich anderen Kulturkreis handelt, ist aber durchaus nachzuvollziehen, auch wenn er ein wenig im Gegensatz zu der Beobachtung steht, daß der Mythos über eine universelle Verbreitung verfügt, die im Schlußkapitel noch einmal unterstrichen wird. Abgesehen davon untersucht Hergets Studie aber einen bemerkenswert vielschichtigen Kanon, und läßt trotz der hohen Anzahl von Filmbeispielen die nötige Tiefe nicht vermissen.
Sven Herget
Spiegelbilder: Das Doppelgängermotiv im Film.
Marburg: Schüren 2009.
270 Seiten (broschiert), 24,90 Euro.
Alex Klotz