Wer einmal rückwärts fährt, dem glaubt man nicht …

Irvin Yeaworths „The Blob“ zählt heute zu den großen B-Film-Klassikern der 1950er Jahre. Geradezu synonym ist er für billig produzierte, exploitative Science-Fiction-Filme geworden und dürfte auch nicht ganz unschuldig an der Erfolgsgeschichte des Genres gewesen sein. Nicht Zufällig beginnt die Blüte Roger Cormans AIP-Studios etwa zu der Zeit, in der Yeaworths Film reüssierte. Doch beim genauen Hinschauen entbirgt „The Blob“ weit mehr als die Alien-Horror-Geschichte – er bildet auf der Schablone des Genres die Geschichte eines Generationenkonflikts ab – weniger dramatisch als die James-Dean-Filme der Jahre zuvor, doch mit einem genauso beliebten Teenager-Idol.

Steve Andrews (Steve McQueen), seine Freundin Jane (Aneta Corsaut) und deren Freunde können machen, was sie wollen – ständig werden sie von den Erwachsenen, besonders von der Polizei gegängelt. Als in der Nähe des Kleinstädtchens, in dem sie leben, ein Komet nieder geht, entschließen die jungen Leute sich, ihn zu suchen. Doch sie finden nur eine zerbrochene Hülle, denn ihnen ist ein alter Farmer zuvor gekommen. Dieser ist nun von einem Gallert-artigen Wesen befallen, das sich langsam über seinen ganzen Körper ausbreitet und beständig wächst. Steve und Jane bringen den Mann zum in der Nähe wohnenden Arzt Dr. Hallan (Alden Chase), doch auch dieser ist ratlos. Während die jungen Leute nach weiteren Hinweisen in der Nähe des Kometenkraters suchen, werden auch Hallan und seine Krankenschwester von dem mittlerweile gewaltig angewachsenen Alien verschlungen. Die Polizei, die die Arzt-Praxis kurz darauf aufsucht, findet einen Ort der Verwüstung und verdächtigt sofort die Teenager, dort randaliert zu haben. Diese ahnen jedoch, in welcher Gefahr die Stadt wirklich ist und versuchen die Polizei und die Bevölkerung zu warnen. Man glaubt ihnen jedoch so lange nicht, bis es zu spät ist.

Die Bedrohung in „The Blob“ hat nur wenig von der typischen Paranoia der us-amerikanischen Nachkriegs-SF. Waren die Aliens dort („The Thing“, „Invasion of the Body Snatchers“ und später dann auch „Village of the Damned“) oft unübersehbar politisch konnotiert, so bleibt der Blob was er ist: Eine abstrakte Bedrohung für den Körper. Seine Amorphität ermöglicht es dem Film, die Aufmerksamkeit auf die Protagonisten zu lenken – denn zwischen ihnen findet die eigentliche Erzählung statt.

Und diese Erzählung ist die Verschränkung eines Coming-of-age- mit einem Generationenkonflikt-Plot. Der in „The Blob“ schon etwas in die Jahre gekommene „Teenager“ Steve McQueen (bei Drehbeginn war er 28 Jahre alt) verkörpert als Jugendidol den typischen Youngster mit all seinen Problemen. Undf Probleme hat er zumeist mit seiner Freundin, die sich unsicher über den Status ihrer Beziehung ist, mit seinen Kumpels, die ihn ständig zu rebellischem Verhalten anstacheln und (auch deswegen) mit den Erwachenen und der örtlichen Polizei. Als zum Beispiel einer der Polizisten Steve beim rückwärts fahren erwischt (was zu der Zeit offenbar ein Vergehen war), steht für den Ordnungshüter fest, dass er es mit einem unzähmbaren und unglaubwürdigen Rebellen zu tun hat.

Erst durch die Bedrohung von außen ist Steve (und auch seine Freundin) in der Lage, sich zu beweisen und sozusagen seine eigene Initiation in die Erwachsenenwelt zu vollziehen. Doch dieser Prozess wird keineswegs so einseitig vollzogen, dass man „The Blob“ die Jugendfeindlichkeit eines Films wie „Just for the Hell of it“ (H. G. Lewis) unterstellen könnte. Vielmehr relativieren die Erwachsenen im Gegenzug ihr Misstrauen und ihre überkommenen moralischen Ansichten über die „Kinder“ (wie sie die Jugendlichen zeitweise nennen): So bricht der Schulleiter kurzerhand in seine eigene Schule ein, als seine Schlüssel nicht ins Schloss der Eingangstür passen wollen und die Jugendlichen der Stadt koordinieren eine Rettungsaktion für den vom Blob eingeschlossenen Steve. Verkehrte Welt, möchte man meinen.

Steve hat während dessen genug damit zu tun, seine Freundin, deren kleinen Bruder und das Besitzer-Ehepaar eines Diners, den der Blob gerade dabei ist zu verdauen, zu beruhigen. In dem Restaurant eingesperrt, erwarten die fünf ihren sicheren Tod. Steve hat hier die Möglichkeit, sich als Beschützer und Tröster seiner (unfreiwilligen) Kleinfamilie zu gerieren und führt auch prompt die Rettung herbei, weil er den Kopf zu bewahren gelernt hat.

Unter dieser Perspektive gelesen, entwickelt Yeaworths Film regelrech familientaugliche Qualitäten und man ahnt, dass der schlechte Ruf von „The Blob“ (als Trash-Film) nur gerechtfertigt dann ist, wenn man ihn oberflächlich rezipiert. Sicherlich wirken die Darstellungen und Handlungen aus der heutigen Perspektive eher albern als dramatisch, doch verfehlt der Film seinen Effekt auch jetzt nicht.

„The Blob“, der zwei Remakes erfahren hat und derzeit ein drittes erwartet, ist nun als deutsche DVD von e-m-s erschienen. Bild- und Ton-Qualität sind erfreulich gut und vor allem die Farbreproduktion schwelgt im satten DeLuxe-Look der 50er Jahre. Die Ausstattung der recht preisgünstigen DVD kann sich ebenfalls sehen lassen: Neben zwei durchgehenden Audio-Kommentaren (einer von Produzent Jack H. Harris und Filmkritiker Jack Eder, der andere von Regisseur Irwin S. Yeaworth und Schauspieler Tony Fields) finden sich Kinotrailer und die ursprüngliche deutsche Titelsequenz auf der DVD.

The Blob
(USA 1958)
Regie: Irvin S. Yeaworth, Buch: Kay Linaker, Irving H. Millgate, Kamera: Thomas E. Spalding, Schnitt: Alfred Hillmann, Musik: Ralph Carmichael
Darsteller: Steve McQueen, Aneta Corsaut, Earl Rowe, Olin Howland, Alden ‚Stephen‘ Chase u.a.
Länge: 83 Minuten
Verleih: e-m-s

Die Aufmachung der DVD im Einzelnen:

Bildformat: Widescreen 1:78:1 (anamorph)
Tonformat: Dolby Digital 2.0 mono (deutsch, englisch)
Sprachen: Deutsch, Englisch
Untertitel: Keine
Extras:
1. englischsprachiger Audiokommentar vom Produzenten Jack H. Harris und dem Filmhistoriker Bruce Eder
2. englischsprachiger Audiokommentar von Regisseur Irwin S. Yeaworth, Jr. und Schauspieler Tony Fields
3. Original Kinotrailer
4. Artworkgallerie mit internationalem Artwork
5. Filmo – und Biografie zu Steve McQueen, alte deutsche Titelsequenz
FSK: ab 12 Jahre
Preis: 10,99 Euro
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