Die Zeit der Weimarer Republik ist als Zeit des Umbruchs und des produktiven Chaos im kollektiven Gedächtnis verankert. Kultur und Kunst befanden sich in permanenter Bewegung. Der Film schickte sich an als Kunstwerk akzeptiert zu werden. Filme wie „Das Cabinet des Dr. Caligari“ erregten großes Aufsehen und Regisseure wie Fritz Lang und F.W. Murnau sorgten für internationales Renommee. Später, unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg, sah der Filmsoziologe Siegfried Kracauer im Stil dieser Regisseure und anderer Exempel des Weimarer Kinos eine deutsche Mentalität gespiegelt. In seinem berühmten, im amerikanischen Exil verfassten und 1947 erschienenen Buch „Von Caligari zu Hitler. Eine psychologische Geschichte des deutschen Films“ erkannte er in „Das Cabinet des Dr. Caligari“, „M“ und in vielen weiteren Filmen eine Tendenz zu Motiven, die Aufschlüsse darüber zuließen, wie es zur Machtergreifung Hitlers gekommen sein könne. Kracauers spektakuläre These ist mitterweile vielfach relativiert und revidiert worden, zu heterogen war letztendlich die Filmproduktion jener Zeit. Außerdem lassen sich selbst die Filme, die bei Kracauer im Zentrum stehen, auch anders lesen. Anton Kaes, Professor an der University of California, Berkeley beschäftigt sich schon seit vielen Jahren mit einer entsprechenden alternativen Lesart. Nun ist der Ertrag seiner Arbeit erschienen.
Aufgewärmtes schmeckt nicht
Wenn man den Namen Martin Scorsese hört, denkt man an eine Liste von großartigen Filmen, deren ausgereifte Figuren und Handlungen überwältigen. Dementsprechend hoch sind die Erwartungen, wenn man sich seinen neuen Film „Shutter Island“ ansieht, dessen düsteres Filmplakat eine spannend-schaurige Atmosphäre verspricht, und dessen Aufgebot an Schauspielern fast schon ein Garant für einen erstklassigen Film ergeben muss. Doch in wie weit kann derartiger „Schmuck“ einen Film ausmachen? „Shutter Island“ zeigt, dass Scorsese sein Handwerk versteht, und dennoch genügt diese Feinmechanik einfach nicht.
Wahnsinn mit Routine
Die konstruktivistische Psychologie sieht in der Wahnvorstellung des Psychotikers nicht einfach eine „falsche Wahrnehmung“; sie geht vielmehr davon aus, dass zwischen der Wirklichkeit erster Ordnung (die uns allen in ihrem Sosein verschlossen ist) und der zweiter Ordnung (die nur als Bild in unserem Gehirn existiert) lediglich eine „schlechte“, das heißt: leidensverursachende interpretatorische Verbindung besteht. Der Psychotiker kann also geheilt (oder sein Leid zumindest gemindert werden), wenn seine Interpretation der Wirklichkeit einen anderen Verlauf nimmt. Dann zum Beispiel leidet er nicht mehr darunter zu glauben, ein Cyborg zu sein, er sieht es als Chance.