Feeling good about feeling bad

Als die Bilder gerade erst laufen lernten, brachten europäische Missionare von ihren Reisen Filmmaterial mit, das ferne Völker und ’Rassen’ in ihrer Lebensweise und ihren vermeintlichen Eigenarten dokumentieren sollte. Heutzutage ist man sich darüber einig, dass diese Ethno-Filme eher rassistischen Stereotypen Vorschub leisteten als kulturelle Informationen zu transportieren. Sie stellen die beobachteten Menschen aus wie es zuvor in den höfischen Kuriositäten-Kabinetten der Fall war. In Debra Graniks „Winter’s Bone“ wird man ebenfalls das Gefühl nicht los, dass da halb belustigt, halb abgestoßen, auf jeden Fall aber fasziniert durchs Schlüsselloch geschaut wird. Als Faszinosum dient hier die weiße Unterschicht eines vergessenen Amerikas, das in hoffnungsloser Armut und Klein-Kriminalität vor sich hin vegetiert und – in Zeiten, da der „schwarze Mann“ aus Gründen der Political Correctness nicht mehr als Schreckgespenst dienen darf – das Andere einer von der Finanzkrise bedrohten weißen Mittelschicht repräsentiert. „Feeling good about feeling bad“ weiterlesen

Berlinale 2011 – Geschichtsausbeutung

Lee Tamahori hat sich nach seinem mit viel Anerkennung bedachten „Die letzte Kriegerin“ vor allem mit Hollywood-Filmen und einer James-Bond-Verfilmung einen Namen gemacht. Er ist das, was man umgangssprachlich einen „Jobber“ nennt: Er betrachtet das Filmemachen als Job und kommt so gut wie jedem Auftrag nach. Behält man also die Tatsache im Hinterkopf, dass Tamahori quasi ein Mann der großen Studios ist, dann ist es umso erstaunlicher, welche Show er in „The Devil’s Double“ abzieht. „Berlinale 2011 – Geschichtsausbeutung“ weiterlesen

The Wild Angels

Cormans Wild Angels ist, wie kaum anders zu erwarten, ein waschechtes Exploitation-Movie, nach allen Regeln der Kunst. Strukturell nimmt dieser Bikerfilm (womit wesentliches an und für sich bereits gesagt wäre) bereits den nur wenige Jahre später (auf breiter Ebene wahrnehmbaren) Pornofilm vorweg: Die Handlung ist allenfalls sekundär, zumindest aber in so geringem Maße vorhanden, dass die Spielfilmlänge unter diesem Gesichtspunkt kaum berechtigt scheint. Sie dient allenfalls als Stichwortgeber für mal endlos lange und langweilige, mal endlos amüsante, spekulative Sequenzen, schnell und nur des billigen Effekts wegen runtergekurbelt: Minutenlang fährt man auf der Harley durch zerklüftete Landschaften, genüsslich lang inszenierte Schlägereien finden statt, wo es sich gerade anbietet und wenn sie sich nicht anbieten, wird eben irgendein Grund, bzw. Anlass erfunden. Knallige Setdesigns – wie etwa bizarre, mit allerlei Nazi-Memorabilia eingerichtete Kneipen und dergleichen mehr – werden einzig und allein des Knalligseins wegen ins Bild geholt und fungieren nicht notgedrungen sinnstiftend als Kulisse für die Narration. Kein Zweifel: Mit diesem Film wird exemplarisch in der Berlinale-Retrospektive „New Hollywood“ jene oft unterschlagene Traditionslinie des Kinos gewürdigt, die unter hehren Cineasten bestenfalls Naserümpfen hervorruft. Ein diebisch unmoralisches Vergnügen bisweilen, dem nicht selten sinnentleerten Treiben auf der großen Leinwand zuzusehen. „The Wild Angels“ weiterlesen

Full Metal Yakuza

Die Tagline „Takashi Miike meets Robocop“ zu Takashi Miikes Full Metal Yakuza aus dem Jahr 1997 ist erstaunlich treffsicher. Der Film spielt souverän mit den Formeln des Cyborggenres nebst einiger anderer, die wegen ihres Exploitationwertes heranzitiert werden. In bewusstem Verzicht auf Sinn und Verstand wird in Full Metal Yakuza versucht, mit offensichtlich eher bescheidenen Mitteln in jeder Szene das Sensationelle herauszukitzeln. Keisuke Hagane, eine unbedeutende Putzkraft, ist ein großer Bewunderer von Tosa, einem Yakuza-Boss. Der mit farbigen Drachentätowierungen übersäte Rücken und sein Schwert werden zu Symbolen für Macht und Potenz, an der sich Haganes eigenes Versagertum umso deutlicher abzeichnet. Sieben Jahre nachdem Tosa eine Gruppe rivalisierender Yakuza eigenhändig mit dem Schwert erledigt hat und dafür im Gefängnis gelandet ist, ist Hagane der unfähigste Yakuza in der gesamten Organisation. Er kann nicht nur seine Aufgaben als Geldeintreiber und Killer erfüllen, sondern hat auch ständig Schulden bei seiner Freundin Naomi, die er überdies sexuell nicht befriedigen kann. Als Höhepunkt seiner Demütigung wird er von vier Jugendlichen beraubt und zusammengeschlagen. Mit Tosa, den er nach sieben Jahren aus dem Gefängnis abholt, gerät er in einen Hinterhalt des konkurrierenden Yomo und wird erschossen. Danach wechselt das Genre. Ein Mad Scientist bastelt ihm einen neuen Körper, der zum größten Teil aus Metall, aber auch aus dem Yakuza-Rücken von Tosa besteht, und trainiert ihn zu einem Superhelden-Cyborg-Kämpfer, einem Power Ranger nicht ganz unähnlich. Der Racheplot kann anlaufen. Endlich ermächtigt, aber mit einem monströsen Körper ausgestattet, zieht Hagane seine blutigen Kreise durch die rivalisierenden Yakuza-Banden. Er zieht an den Strand und wohnt dort in einer provisorischen Zelthütte, wo ihn Tosas ehemalige Freundin Yokoi um Liebe anbettelt, bis sie seinen Full Metal Yakuza-Körper erblickt. Ihr Racheversuch gegen Yomo endet kläglich. Der Ton des Films, der nach der Gefangennahme Yokois die idyllischen Strandszenen in Parallelmontage mit einem Ketten-Bondage-S/M-Set-Piece konterkariert, ändert sich merklich. Yokoi wird gefoltert und vergewaltigt, bis sie sich auf blutige Weise selbst umbringt. Hagane, der mit ihrer Gefangennahme erpresst werden soll, muss dies alles über ein Cyberauge miterblicken und startet seinen finalen und äußerst blutigen Rachefeldzug gegen Yomo und seine Yakuza.
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