Schwanz ab

Als „einen widerwärtigen Sack voll Müll“ bezeichnete der berühmte Filmkritiker Roger Ebert Meir Zarchis „I Spit On Your Grave“, die Sichtung als „eins der deprimierendesten Erlebnisse meines Lebens“. Auch wenn man zu einer anderen Bewertung des Films kommt als Ebert mit seinem damaligen Null-Sterne-Verriss, seine emotionale Reaktion muss man als durchaus angemessen bezeichnen. „I Spit On Your Grave“ – neben Ferraras „Ms. 45“ sowas wie die Apotheose des Rape-and-Revenge-Genres – ist kein schöner Film, den man sich zurückgelehnt ansieht, sondern im Gegenteil eine Rosskur, die durchstanden und erlitten werden muss. In seiner narrativen wie filmischen Schmucklosigkeit ragt „I Spit On Your Grave“ aus dem Horrorfilm jener Zeit, mit seinen übermenschlichen Killern und der fast schon als barock zu bezeichnenden Gewaltzelebrierung, einsam heraus. Regisseur Steven R. Monroe präsentiert mit seinem Remake nun eine geglättete Version des Skandalfilms, die sich im Kontext des seit ein paar Jahren reüssierenden Terrorfilms und aller gebotenen Überhärten zum Trotz sehr viel leichter rezipieren lässt und damit unweigerlich in die Ideologiefalle tappt … „Schwanz ab“ weiterlesen

Unterweltler statt Hinterwäldler

Was einst ein archaisches Initiations- und Bewährungsritual war, das ist heute zum flachen, enthemmten Besäufnis entleert worden. Der Junggesellenabschied, so erfahren wir an exponierter Stelle in Peter A. Dowlings Horrorfilm „Stag Night“, geht auf ein Jagdritual archaischer Stämme zurück, die den Bräutigam vor der Hochzeit auf die Hirschjagd schickte – und somit in einen Kampf auf Leben und Tod. Erlegte der junge Mann das Tier, erwies er sich somit seiner Braut als würdig; gelang es ihm nicht, so ließ er sein Leben in diesem Duell auf Augenhöhe. In einen Kampf auf Leben und Tod stolpern auch die Freunde Mike, Carl und Joe, die gemeinsam mit Mikes Bruder Tony den Junggesellenabschied von Mike feiern wollen – obgleich sich der Ehemann in spe seiner Sache gar nicht mehr so ganz sicher ist, scheint ihm doch der eigene Lebensweg zu glatt und ungebrochen. „Unterweltler statt Hinterwäldler“ weiterlesen

In Kroatien, auf dem Berg, hinter dem Wald

Der französische Horrorfilm unterhält ein interessantes und spannungsgeladenes Verhältnis zum Balkan – und insbesondere zur dortigen Familienkultur, wie sich zuletzt am 2006 erschienenen „Ils“ gezeigt hat: Verwahrloste rumänische Kinder machen Jagd auf harmlose französische Erwachsene. In „Vertige“ sind es noch junge Franzosen, die dieses mal von einem kroatischen Kindskopf gejagt werden – ein erwachsener Mann, der, wie sich im Abspann herausstellt, als Kind in Kroatien entführt und auf einen einsamen Berg verschleppt wurde, wo ihm kaum etwas anderes übrig blieb, als verrückt & Kannibale zu werden.

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Kathartische Rückversicherung

Auch das australische Hinterland beherbergt den Redneck. Den grimmigen Antipoden zu Crocodile Dundee hat bereits Greg McLean mit „Wolf Creek“ auf die Leinwand gebracht (welcher als Produzent auch an „Storm Warning“ beteiligt ist). Hier nun hat er Gesellschaft bekommen, ist zu einer dreiköpfigen Familie, einem Vater und zwei Brüdern, gewachsen und nach wie vor auf den zivilisierten Städter nicht gut zu sprechen. Das bietet mittlerweile nicht mehr allzuviel Anlass zur Verwunderung: „The Texas Chainsaw Massacre“ samt Prequel, „Hostel“, „The Hills have Eyes“ und „Wrong Turn“ samt Fortsetzungen, nicht zuletzt eben auch „Wolf Creek“ haben genügend Steilvorlagen geboten, um die Pioniere des 70er und frühen 80er Terrorfilms des vergangenen Jahrhunderts ins zeitgenössische Kinogedächtnis zu retten und lassen mittlerweile nicht mehr sonderlich viel Variationsbreite des bekannten Sujets zu. Indem die urbanisierten Eindringlinge die Fesseln ihrer inneren Naturbeherrschung abstreifen und ihnen nichts anderes bleibt, als sich den enthemmten Trieben ihrer hinterwäldlerischen Antagonisten anzugleichen, um das eigene Überleben zu sichern, bleibt ihnen zum Schluss meist die kathartische Erkenntnis von der eigenen Bestialität im Korsett der zivilisatorischen Hybris.

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Higher Tension

Nach dem sagenhaft guten, jedoch viel diskutierten und -zensurierten „High Tension“ musste man sich schon fragen, ob Alexandre Aja seinem Stil treu bleiben kann – einem Stil, der sich durch vollständige Kompromisslosigkeit in puncto Gewaltinszenierung (und damit ist nicht nur deren bildliche Darstellung gemeint) und Narrations-Apokalypse auszeichnet. Durch die sehr nah am 1977er Original orientierte Erzählung von „The Hills have Eyes“ sind der Plot- und Figurenentwicklung in „The Hills have Eyes“ natürlich einige Grenzen gesetzt. Diese kompensiert und überschreitet Aja jedoch in seiner Inszenierung.
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