See you last Wednesday!

Ein Jahr nach der Flutkatastophe erschüttert ein Terroranschlag New Orleans: Eine Fähre vollbesetzt mit Mitgliedern der Navy wird im Hafen in die Luft gesprengt, über 500 Menschen verlieren ihr Leben. Der ATF-Beamte und Spezialist für Sprengstoffanschläge Doug Carlin (Denzel Washington) beginnt die Untersuchungen und findet in der Leiche der attraktiven Claire Kuchever (Paula Patton) bald schon eine heiße Spur zum Attentäter.10m.jpg Der FBI-Agent Pryzwarra (Val Kilmer) heuert Carlin daraufhin umgehend für die Ermittlungen an. Mittels neuester Satellitentechnologie, die einen umfassenden zeitversetzten digitalen Film erzeugt, in dem kein Winkel der Stadt dem menschlichen Auge verborgen bleibt, wollen die Beamten dem Terroristen durch Beschattung Claires auf die Spur kommen. Doch bald findet Carlin heraus, dass der vermeintliche Mitschnitt mehr ist als nur das: Es handelt sich um nicht weniger als eine Zeitmaschine, die den Blick in die Vergangenheit ermöglicht. Und diese Enthüllung weckt in Carlin die Idee, aktiv in die Geschehnisse einzugreifen, um das Verbrechen rückwirkend zu verhindern.

Zeitreise-Filme sind ein fester Bestandteil des Science-Fiction-Kinos. Ob nun in Form düsterer Zukunftsutopie ("Terminator"), turbulenter Komödie ("Zurück in die Zukuft") oder Fantasy-Spektakel ("Die Zeitmaschine"), eines haben diese Filme immer gemein: die Warnung vor den Folgen eines übermütigen Eingriffs in die Zeit und die Mahnung zur Demut. Am Ende steht die Erkenntnis, dass es besser ist, die Vergangenheit anzunehmen, anstatt zu versuchen, sie aus egoistischen Motiven zu verändern. Auch Tony Scotts neuer, von Jerry Bruckheimer als großes Spektakel produzierter Film, scheint sich in diese Tradition einzureihen: Der Wunsch, endlich einmal ein Verbrechen im Vorfeld aufzuklären, eine Tragödie zu verhindern, wird für Doug zur Obsession, die nicht zuletzt durch persönliche Hingezogenheit zu Claire zusätzlichen Treibstoff erhält. Nach De Palmas "The Black Dahlia" beobachtet der Zuschauer dieses Jahr zum zweiten Mal, wie der Protagonist dem Filmbild einer Frau verfällt.

Der bloßen Betrachtung folgt bald das aktive Eingreifen, doch alle Versuche Dougs, die Vergangenheit zu ändern, bestätigen immer nur den Status Quo, führen zu den schon bekannten Ergebnissen. Die Zeit präsentiert sich in "Déjà Vu" als geschlossenes Kontinuum, zu dem man keinen archimedischen Punkt einnehmen kann, von dem aus ein Eingriff möglich wäre. Das Schicksal, so scheint es, ist unveränderbar. Dass "Déjà Vu" dennoch ohne logische Brüche mit einem Happy End schließen kann, verdankt er zum einen dem Kniff, es gerade zu Dougs Schicksal zu machen, die initiale Katastrophe durch Eingriff in die Vergangenheit zu verhindern, zum anderen der Tatsache, dass er nicht die mahnende Schicksalsgläubigkeit propagieren will, sondern eben deren Gegenteil: den Glauben, die Dinge entscheidend ändern zu können. "Déjà Vu" ist eigentlich nur aus seinem unmittelbaren Kontext heraus zu verstehen. Nicht umsonst schließt er mit einer Widmung für die „tapferen Menschen von New Orleans“. Was zunächst wie ein weiteres Beispiel für amerikanischen Jubelpatriotismus und Heldenverehrung aussieht, entpuppt sich als ein von tief empfundenem Humanismus geprägter Versuch, ein nationales Trauma zu therapieren. Die Weigerung Dougs, sich dem Schicksal zu beugen und dagegen anzukämpfen, ist als direkte Reaktion auf die gescheiterten Sicherheitsvorkehrungen in New Orleans und als Aufforderung zum unbedingten Widerstand auch angesichts scheinbar unbezwingbarer Naturgewalten zu verstehen. Eine brave Fügung in ein wie auch immer geartetes Schicksal wird hier zurecht als zynisch diffamiert.

Dennoch ist "Déjà Vu" keine runde Sache. Durch seine Verortung in der Tagespolitik beraubt er sich seiner universellen Interpretierbarkeit, der selbstbewusste und pathetische Stil Scotts und der unverkennbare Stempel Bruckheimers rücken den Film zu Unrecht in die Nähe solcher Rührstücke wie zuletzt etwa Stones WTC. Das ist schade, denn es gibt zahlreiche intelligente und spannende Momente, in denen der recht konservativ erzählte Film visuell am ehesten an Scotts letzte Werke anknüpft. Hier ist vor allem die kühne Zeitkonstruktion zu nennen, die es erlaubt, Vergangenheit und Zukunft gleichzeitig abzubilden. Die Vergangenheit wird hier tatsächlich zum Film gemacht, den die Protagonisten betrachten und interpretieren können. Das kulminiert in einer spektakulären Verfolgungsjagd, bei der Carlin mittels einer Brille, mit der er die Vergangenheit sehen kann, den Verdächtigen in der Gegenwart sozusagen rein virtuell verfolgt. Da wäre es ja konsequent gewesen, die Vergangenheit als etwas zu beschreiben, das erst im Auge ihres Betrachters an Bedeutung gewinnt. Doch DEJA VU will eben nicht einfach nur ein Science-Fiction-Film sein. Dass er dennoch über weite Strecken vortäuscht, einer zu sein, ist sein größtes Manko: Nachdem er seine Agenda aufdeckt, darf man sich nicht zu Unrecht etwas verschaukelt fühlen.

Déjà Vu
(USA 2006)
Regie: Tony Scott, Drehbuch: Bill Marsilii, Terry Rossio, Kamera: Paul Cameron, Musik: Harry Gregson-Williams, Schnitt: Chris Lebenzon
Darsteller: Denzel Washington, Paula Patton, Val Kilmer, Jim Caviezel, Adam Goldberg, Elden Henson
Verleih: Buena Vista International
Länge: ca. 128 Minuten

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