Schänder in Schlaghosen

Wenn die Schweizer mal einen Film drehen, dann aber auch direkt ’nen Hammer. „Greta – Haus ohne Männer“ (Teil 3 der „Ilsa“-Reihe), „Mad Foxes – Feuer auf Räder“ (jo, der heißt wirklich so!) oder der ultraseltene und mir leider auch unbekannte „Ruf der blonden Göttin“ sind neben „Mosquito“ wohl die prägnantesten Titel in der Filmografie der Eidgenossen. Und eines haben sie alle gemein: Einen Trashfaktor jenseits Ed Woods kühnster Träume.

So ist auch „Mosquito“ (alternativ: „Bloodlust“ und „Mosquito the Rapist“) ein Film aus der Kategorie „genial-scheiße“, denn irgendwie ist hier alles und jeder total kaputt. Im Mittelpunkt der Geschichte steht ein taubstummes Milchgesicht (wird im Film eigentlich sein Name genannt?), verkörpert von Krimi-Veteran Werner Pochath (Star-Portrait bei den Cineastischen 4). Schon sein erster Auftritt ist ein Brüller: Während die Credits laufen, sehen wir den Schänder mit einem seltsamen Mikro-Moped durch die Straßen seines anonymen schweizer Heimatortes heizen.

Kurz darauf lernen wir den Arbeitsplatz des Schänders kennen: Ein tristes Büro im besten 70er- Jahre-Stil mit dem Charme einer Baumwollunterhose. Seine Arbeitskollegen sind groteske Brillenträger ohne Moral und verarschen den armen Sack nach Strich und Faden. (Die Diskriminierung kulminiert später in einer brillanten Szene, in der die versammelte Belegschaft dem Schänder voller vorgetäuschtem Stolz eine Gummipuppe überreicht, die er in seiner Schreibtischschublade versteckt gehalten hatte. Der Schänder findet das nicht lustig.) Doch auch nach Feierabend wird’s nicht besser: Kaum zu Hause angekommen, wird der Schänder von einem schlagfertigen Nachbarn Marke Bernd Schuster als „schwuler Heini“ betitelt und mit dem Kopf gegen die Wand gehauen. Aua!

Anschließend erfahren wir endlich den Grund für des Schänders Außenseiterdasein: In einer bombastischen Rückblende, unterlegt mit hämmerndem schweizer Industrial à la „Tetsuo“, sehen wir, dass der Vater des Schänders ein Oberarschloch war, der an Sohnemann Dresche und an sein Töchterchen übermäßige Zärtlichkeiten verteilte… Zudem plagen den introvertierten Single Komplexe wegen seiner Taubstummheit, die Marijan Vajda in einer seltsamen Szene mit auf dem Boden liegenden Ärzten zu visualisieren versuchte. Um klarzukommen sucht der Schänder in bester „Maniac“-Manier Zuflucht bei seinen Puppen und seinem drolligen Hamster.

Doch Püppchen und Hamster stoßen schnell an ihre Grenzen und so stattet der schüchterne Schänder einer Prostituierten einen Besuch ab. Völlig überfordert mit der nackten Dame schaut der Schänder glatt wie „eine Katze wenn’s donnert“ (Zitat!). Schließlich erntet er auch von der Dirne nichts als Hohn und Spott, denn anstatt mit ihr das zu tun, was man mit einer Dirne tut, legt er nur seinen Kopf auf ihre Brust und genießt sichtlich die ihm sonst verwehrte Geborgenheit. Marijan Vajda hat diese Szene wohl tatsächlich ernst gemeint (ich fürchte fast, er hat den gesamten Film ernst gemeint!), aber nüchtern betrachtet ist sie eine der trashigsten des gesamten Films.

Es kommt wie es kommen musste und der Schänder schändet. Dazu düst er in astreiner Carl-Lewis-Haltung auf dem Mikro-Mofa (Nahaufnahme, juhu!) zur örtlichen Leichenhalle, um sich an den dort erstaunlicherweise völlig offen gelagerten Frauenleichen zu vergehen. Das Repertoire der Schandtaten reicht dabei von zaghafter Bearbeitung mit dem Klappmesser bishin zum Hardcore-Augenrauspulen und sogar kompletter Enthauptung per Rasiermesser. Als der Schänder dann eines Tages während seiner Erkundungstour in der Leichenhalle ertappt wird, killt er gar einen Polizisten! Die eingesetzten Effekte sind dabei wahrlich miserabel und sollten als abschreckendes Beispiel für alle F/X-Designer verstanden werden, denn gegen die „Mosquito“-Scherze wirken selbst Fulcis stümperhafte Bluttaten hollywoodreif.

Doch der aufmerksame Zuschauer ahnt bereits, dass das muntere Schänden nicht ewig so weiter gehen kann. Die tragische Wende des Films erfolgt schließlich in einer fulminanten Szene, bei der man sich endgültig von seinen Lachmuskeln verabschieden kann: Ein Nachbarsmädchen, in das sich der Schänder verguckt hat, tänzelt fröhlich auf dem Dach des Hauses (die Schweizer machen sowas wohl zum Spaß) umher. Es kommt wie es kommen musste und die Ärmste stürzt in dramatischer Zeitlupe wie eine Blei-Ente hinunter. Einen Augenblick später liegt sie in ungesunder Pose auf dem Rasen und alle sind traurig.

Für den Schänder bricht eine Welt zusammen: Nachdem ein neuerlicher Puff-Besuch samt Lesben-Show keine Besserung bringt, erleidet er in seiner Wohnung einen hysterischen Anfall inklusive Kniefall und Rumgeheule. Nach dem Motto „Jetzt scheiß‘ ich auf alles“ demoliert er sein Wohnungsinventar und sticht wütend mit dem Messer auf ein Bild ein. Er geht dabei dermaßen rabiat zur Sache, dass selbst Axel Rose vor Neid erblassen würde!

Pointe des Films ist dann Blei-Entes Beerdigung. In seiner grenzenlosen Trauer kann der Schänder natürlich nicht anders, als Blei-Ente – dezent, nachdem alle gegangen sind natürlich – aus ihrem Sarg zu holen und mit ihr ein bizarres Schauspiel zu zelebrieren, bei dem er zuerst einen undefinierbaren Ausdruckstanz aufführt und sich anschließend die Pulsadern aufkratzt. Dann bekommt er Schiss und lässt Blei-Ente allein und tot auf dem Friedhof zurück…

Nach weiteren Leichenschändungen findet schließlich der Showdown im Wald statt. Dort beobachtet der Schänder ein knutschendes Pärchen, als ihm in einer Vision Blei-Ente erscheint, wie sie dämlich grinsend durch die Botanik hupft. Das ist dann endgültig zuviel für ihn und er schnetzelt kurzerhand die Liebenden ab.

Der Film endet mit der Festnahme des Schänders, denn die Bullen haben blöderweise seinen blutüberströmten Perso (?) sowie den Picker, mit dem er das Blut seiner Opfer getrunken hat, gefunden. Das war’s dann vorerst mit den Moped-Touren. Während des kurzen Abspanns sehen wir dann wieder die hupfende Blei-Ente, was wohl irgendwie aussagekräftig sein soll.

Was für ein Fazit soll man zu dieser wunderbaren Trashgranate ziehen? Mir fällt nur eins ein: Man muss wohl schon Marijan Vajda heißen, um so einen Film zu drehen. Für feucht-fröhliche Abende im alkoholisierten Ambiente definitiv ein Geschenk Gottes.

Mosquito, der Schänder
Schweiz 1976, 90 Minuten
Regie: Marijan David Vajda
Drehbuch: Mario d’Alcala
Kamera: Norbert Friedländer, David Khan
Darsteller: Fred Berhoff, Peter Hamm, Charley Hiltl,
Marion Messner, Werner Pochath, Gerhard Ruhnke,
Ellen Umlauf, Birgit Zamulo

Dennis Ott

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