RE: Kannibalen

Über den Fall des so genannten „Kannibalen von Rotenburt“ ist so viel wie zuvor wohl seit der Mordserie Jürgen Bartschs nicht mehr in den Medien zu lesen gewesen. Der skandalöse Tabubruch, dass ein Mensch einen anderen isst und dies auch noch mit dem Einverständnis des Opfers geschieht, hat ein kulturelles Trauma ausgelöst, das die Medien zu ununterbrochenen Erklärungsversuchen genötigt hat. Die „Wahrheit“ über den Fall und die „ganze Geschichte“ hat indes wohl nur einer zu erzählen: der Täter, der nun zu lebenslanger Haft verurteilt im Gefängnis sitzt. Ein geschäftstüchtiger Journalist, Günter Stampf, hatte sich die Publikationsrechte zur Fallgeschichte beizeiten gesichert und noch bevor sich die erste Aufregung in der Sache gelegt hatte, Bücher und Filme angekündigt. Während Produktionen Dritter (etwa der US-amerikanische Spielfilm „Rohtenburg“) einige Schwierigkeiten hatten, sich gegen die Persönlichkeitsrechte des Täters durchzusetzen (und besagter Film aus diesem Grund hierzulande sogar gar nicht erscheinen durfte), hat Stampf im Hintergrund an einer dreiviertelstüdidigen Dokumentation über den Fall für den Sender RTL gearbeitet, die am 15. Oktober 2007 ausgestrahlt wurde – etwa zur selben Zeit als auch Stampfs Buch „Interview mit einem Kannibalen“ auf dem Markt erschien. Nun ist der Dokumentarfilm in einer längeren Fassung als DVD erschienen und verspricht „unzensiert unveröffentliches Material“ auf die Mühlen des öffentlichen Kannibalen-Interesses zu gießen.

Und in der Tat bekommt man dieselben Szenen, Interviews und Personen zu sehen und zu hören, die ein halbes Jahr zuvor bereits im RTL „Extra Spezial“ zu sehen gewesen sind. Nur, dass hier jetzt mehr Material in den Film eingeflossen bzw. dringelassen wurde. Der Zuschauer wohnt etwa einer sehr ausführlich(er)en Begehung des Tatortes – ein mittlerweile verfallenes Gutshaus im Hessischen Wüstefeld – bei, hört ausführliche(re) Kommentare einer Spiegel-Gerichtsreporterin, eines österreichischen Kriminalpsychologen, eines Berliner Sexualmediziners und nicht zuletzt Interviewpassagen mit dem Täter, der seine Biografie und den Tathergang in ruhigen Worten vor der Kamera rekapituliert. Natürlich findet sich in der Langfassung auch all jenes reißerische, boulevardeske Material, das die RTL-Fassung zuvorderst bestimmt hatte. Dies sind vor allem die spekulativen, den Skandal und seine Details bis ins Unendliche wiederholenden Off-Kommentare, mit denen die Bilder immer dann unterlegt sind, wenn der Täter oder einer der Fachleute schweigen. Nur, dass diese „Ausfälle“ in der Langfassung mit einem Problem zu kämpfen haben, dass man eine „Ursupation der Form durch den Inhalt“ nennen könnte.

Es sind nämlich gerade die Ruhe und die Eloquenz des Täters und daneben die fachlich unaufgeregten Analysen des Sexualmediziners, die das eigentliche Projekt dieses „Stampfwerks“ konterkarieren. So sehr sich der Regisseur und Produzent nämlich auch bemüht, das reißerische Potenzial des Falles (etwa durch die bereits erwähnten Off-Kommentare) immer wieder nach oben zu kehren und einen ziemlich hilflosen Wiener Polizeipsychologen geduckt vor dem Täter platziert und planlos die obskursten Fragen an diesen stellen lässt – so sehr unterläuft das Mehr an Information, das nun endlich wirklich einmal dazu geeignet ist, Verständnis zu stiften, dieses Projekt. Meiwes nimmt dem Autor regelrecht den Stift aus der Hand und erzählt nun wirklich einmal seine eigene Geschichte. So mag „Der Kannibale von Rotenburg“ als DVD vielleicht endlich das sein, was Stampf schon immer vollmundig angekündigt hat: Aufklärung. Diese stellt sich allerdings ganz anders dar, als die boulevardeske Aufmachung der Medienausbeutung es bisher insinuiert hatte und dürfte damit vor allem diejenige enttäuschen, die das Blutrünstige, Monsterhafte, Horrible hinter dem Skandal zu entdecken hoffen.

Wie sehr Überzeichnungen und (oftmals am Schneidetisch entstandene) Fehler die kurze Version sehr und auch noch die lange Version ein wenig bestimmt haben, erfährt der geneigte Zuschauer übrigens bei einem Blick auf die zweite DVD, auf der längere Interviews mit dem Täter und dem Kriminalpsychologen zu sehen sind. Gerade letzterer „entlarvt“ dort Verkürzungen des Hauptfilms und korrigiert das von ihm vermittelte Bild eines wenig vorbereiteten und verschlagen wirkenden „Agenten der Produktion“.

Der Kannibale von Rotenburg
(Deutschland 2008)
Regie: Günter Stampf & Susanne Stampf-Sedlitzky; Musik: Giovanni Vindigni; Redaktion: Jutta Gottsche; Schnitt: Oliver Haas
Länge: 96 Minuten
Verleih: More Music and Media

Die DVD von More

Bild und Ton dieser TV-Produktion sind tadellos für die DVD-Veröffentlichung aufbereitet.

Bild: 16:9 (anamorph)
Ton: Deutsch (DD Stereo)
Extras: Interview mit dem Täter (120 Minuten), mit dem Kriminalpsychologen (28 Minuten), Hausführung mit dem Rechtsanwalt des Täters (23 Minuten)
FSK: ab 16 Jahren
Preis: 18,95 Euro

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