Kurzrezensionen Oktober 2008

  • QRT: Zombologie – Teqste. Berlin: Merve 2007
  • Oliver Schmidt: Leben in gestörten Welten. Stuttgart: ibidem 2008
  • Oliver Machart: Cultural Studies. Konstanz: UVK 2008
  • Alexander Böhnke: Paratexte des Films. Bielefeld: transcript 2007
  • Helen Donlon (Hg.): David Lynch Talking. Berlin: Schwarzkopf & Schwarzkopf 2008
  • Daniel Tyradellis/Burkhardt Wolf (Hgg.): Die Szene der Gewalt. Frankfurt am Main u. a.: Peter Lang 2007
  • Irmbert Schenk: Kino und Modernisierung. Marburg: Schüren 2008
  • Markus Schroer (Hg.): Gesellschaft im Film. Konstanz: UVK 2007
  • Susanne Marschall/Fabienne Liptay (Hgg.): Mit allen Sinnen. Marburg: Schüren 2006Zombologie

Es ist bereits der vierte Band mit Texten des 1996 verstorbenen Markus Konradin Leiner (kurz: QRT), der im Merve-Verlag erscheint. Die Texte stammen allesamt aus dem Nachlass und den in diesem Buch versammelten sieht man an, dass sie oft erst Vorstufen zu publikationsfähigen Gedanken darstellen. Dennoch lohnt sich ihre Veröffentlichung, denn die Ideen QRTs sind oft so frisch und radikal in ihrer Thesenhaftigkeit, dass sie auch heute noch Anstoß zu Perspektivwechseln bieten können. So auch die „Zombologie“, in der der Berliner Kulturwissenschaftler 1989 den Grundriss einer Kulturtheorie der Zombies skizzierte. Das Denken solle sich im Anschluss an die Theoretiker der Postmoderne und Posthistoire nun vom Lebenden auf den Toten richten und speziell das Hybrid des Untoten für neue Theorien fruchtbar machen. Leiner reißt dabei sowohl die Möglichkeiten eines Strukturalismus („Zombinarismus“) wie auch einer „Nekrophilosophie“, die über den Tod hinaus denkt an und stellt listenartig einen möglichen Disziplinen-Kanon vor. Zeitweise ist der Text zwar etwas stark vom Willen zum Neologismus bestimmt, doch haben die Gedanken, eine Theorie von unten (aus dem Erdreich) neu zu denken, sicherlich etwas Originelles, denn die Kultur am Ende der Zeit, wie sie QRT beschreibt, ist von etlichen Philosophen beschrieben worden und findet nun ihren Bildhaften Abdruck im Film. Was Leiner nicht wusste, ist, dass der Zombiefilm heute tatsächlich so etwas wie ein kulturwissenschaftliches Gedankenexperiment geworden ist – was er zu Zeiten von Lucio Fulci und George Romero ja erst in Ausnahmefällen war. Der Merve-Band enthält neben der Zombologie noch weitere „Teqste“, die sich mit dem kulturellen Phänomen „Gewalt“, mit dem Christentum und mit der Analogie von „Führer und Filmvorführer“ beschäftigen. Erwähnenswert ist auch noch eine Traumnotiz des Autors sowie das Nachwort von dessen Freund und Herausgeber Frank Wulf.

QRT: Zombologie – Teqste, Berlin: Merve 2006, 145 Seiten (Taschenbuch), 20,80 Euro. Bei Amazon kaufen.

Film, Raum, Lynch

Die Filmografie des US-amerikanischen Regisseurs David Lynch dürfte mittlerweile als publizistisch aufbereitet gelten. Vor allem nach seinem Film „Wild at Heart“ sind etliche Studien film- und kulturwissenschaftlicher Provenienz erschienen, die an der „theoretischen Interessantheit“ von Regisseur und Werk wohl keinen Zweifel lassen. Daher ist es nicht verwunderlich und offenbar an der Zeit Lynchs Werk nun selbst zur Basis filmtheoretischer Erörterungen zu machen. Teilweise hat dies bereits in Untersuchungen zum so genannten „unzuverlässigen Erzählen“ stattgefunden. Mit Oliver Schmidts Monografie „Leben in gestörten Welten“ wird David Lynch nun an den spatial turn der Medienwissenschaften herangeführt – oder diese an ihn. Er untersucht die Filme „Eraserhead“, „Blue Velvet“, „Lost Highway“ und „Inland Empire“ daraufhin, wie filmische Raumkonzepte zur Wirkung und vor allem zur Verunsicherung der Erzählungen beitragen. Gestützt wird die Analyse durch eine theoretische Basis, die sich vor allem aus der Untersuchungen der Post Theory zur filmischen Raumdarstellung ableitet und insbesondere auf die Forschungsergebnisse Hans Jürgen Wulffs und dessen Habilitationsschrift „Darstellen und Mitteilen“ zurückgreift. Wulfff hat Schmidts Schrift dann auch in seine Reihe „Film- und Medienwissenschaften“ beim ibidem-Verlag aufgenommen. Schmidts Buch ist nicht nur jedem David-Lynch-Interessierten empfohlen, sondern auch jenen, die raumtheoretische Überlegungen für die Filmwissenschaft – zumal an einem hochinteressanten Beispiel – kompatibel machen wollen.

Oliver Schmidt: Leben in gestörten Welten. Der filmische Raum in David Lynchs ERASERHEAD, BLUE VELVET, LOST HIGHTWAY und INLAND EMPIRE, Stuttgart: ibidem 2008, 180 Seiten (Taschenbuch), 27,90 Euro. Bei Amazon kaufen.

Kultur als Problem

„Wenn die Beschäftigung mit Kultur lohnt, ja sogar dringend geboten erscheint, dann weil Kultur alles andere als harmlos ist. Im Feld der Kultur werden politische und soziale Identitäten produziert und reproduziert. Identitäten, die – etwa im Fall nationaler und ethnischer Identität – im ungünstigsten Fall zum Treibstoff für Krieg und Bürgerkrieg werden können.“ Dies könnte in etwa das Forschungsparadigma der Cultural Studies sein, die in den 1960er Jahren in Großbrittanien entstanden sind und bis heute mit zu den produktivsten Schnittbereichen zwischen Geistes- und Sozialwissenschaft zählen. Oliver Machart, aus dessen Buch „Cultural Studies“ das obige Zitat stammt, hat mit seiner 280-seitigen Monografie ein ideales Einführungswerk in diese Disziplin vorgelegt. Im Wesentlichen auf die Schriften des britischen Soziologen Stuart Hall, der zu den Gründungsvätern der Cultural Studies gehört, referierend, unterteilt Machart das Untersuchungsfeld in vier Bereiche. Nach einer theoretischen und historischen Einführung werden Subkulturen, Medien, Identität und Politik als Forschungsgegenstände der Cultural Studies vorgestellt. Machart hält dabei stets den Überblick über die leitenden Forschungsfragen und die Disziplinen-Historie im Blick. So wird seine in die UTB-Reihe aufgenommene Schrift zu einer hilf- und kenntnisreichen Einsteiger-Lektüre, der – um den Gebrauchswert zu erhöhen – allerdings ein Register gut zu Gesicht gestanden hätte.

Oliver Machart: Cultural Studies. Konstanz: UVK 2008 (URB), 277 Seiten (Taschenbuch). 17,90 Euro. Bei Amazon kaufen.

Rahmen und Grenzen

Etliche der literaturwissenschaftlichen Konzepte des französischen Philologen Gerard Genette sind bereits für die Medienwissenschaften fruchtbar gemacht worden. So sind dessen Ausführungen zur Intertextualität und Intermedialität, seine Fokalisierungstheorie und nicht zuletzt die von ihm entwickelte Systematik der Paratexte in allen Wissenschaften, die sich mit einem erweiterten Text-Verständnis befassen, aufgegriffen worden. Nachdem 2004 Klaus Kreimeier und Georg Stanitzek einen Sammelband zu „Paratexten in Literatur, Film und Fernsehen“ herausgegeben hatten, erscheint nun eine Forschungsarbeit, die sich zentral mit den „Paratexten des Films“ beschäftigt und auch so heißt. Alexander Böhnke, der Autor, unternimmt darin abermals den Versuch, die Überlegungen Genettes auf den Film zu übertragen und Werk, Distributionsumfeld und Rezeptionsrahmen in ihrer Funktion als Epi- und Peritexte des Mediums darzustellen. Eine Vorgehensweise, die ebenso plausibel wie gewinnbringend ist, denn der Film wird erst durch Rezeption zu dem was er ist (einem Kommunikat) und dass und wie er wahrgenommen wird, wird nicht unwesentlich vom Drumherum (Titel, Werbung, …) bestimmt. Böhnke geht dabei kleinschrittig und detailliert vor, bezieht von Verleiher-Logo über den Vorspann bis hin zu DVD-Sonderausstattungen alle denkbaren Paratexte in seine Überlegungen ein. Diese Präzision und die Aktualität (die Trägermedien des Films betreffend) machen Böhnkes Buch besonders interessant.

Alexander Böhnke: Paratexte des Films. Über die Grenzen des filmischen Universums. Bielefeld: transcript 2007, 191 Seiten (Taschenbuch). 25,80 Euro. Bei Amazon kaufen.

Und noch mal Lynch

Auch wenn das Ansehen des US-amerikanischen Regisseurs David Lynch durch dessen Sekten-Engagement im öffentlichen Bild zunehmend Schaden nimmt, reißt die Diskussion um sein filmisches Werk nicht ab. Seit seinem Film „Wild at Heart“ hat Lynch breite Publikumsschichten für seine skurrilen, oft grausamen und stets verklausulierten Filme gewinnen können. Es ist das Rätsel selbst, das Werke wie „Lost Highway“, „Mulholland Drive“ und zuletzt „Inland Empire“ für das Publikum nachhaltig interessant macht. Bittet man den Regisseur – etwa in Interviews – um Aufklärung, erhält man selten eine Antwort, die zu mehr Erhellung führt, die aber oft genug selbst wieder zu einem interessanten Diskussionsgegenstand werden kann. Die Journalistin Helen Donlon hat etliche dieser Aussagen Lynchs nun thematisch gruppiert und zu einem Buch zusammengefasst. „David Lynch Talking“ heißt das im Berliner Schwarzkopf&Schwarzkopf-Verlag erschienene Hardcover, in welchem in 12 Kapiteln Interview-Fragmente zusammengestellt sind. Zwar mag der verwirrte Zuschauer wohl auch hier kaum Erklärungen zu den Filmen finden, doch verleiten die teils analytisch prägnanten, teils metaphysisch verklärten Gedankensplitter Lynchs dazu, vielleicht einmal andere Fragen an das Werk zu stellen. Unterhaltsam sind die Aphorismen Lynchs allemal.

Helen Donlon (Hg.): David Lynch Talking. Berlin: Schwarzkopf & Schwarzkopf 2008, 175 Seiten (gebunden), 14,90 Euro. Bei Amazon kaufen.

Die Gewalt der Codierung

Nachdem der „Splatter Movies“-Band, der im Rahmen des Berliner Graduiertenkollegs „Codierung von Gewalt im medialen Wandel“ 2005 erschienen war, zuvorderst nach der Ästhetisierung von Gewalt in den Medien, insbesondere im (Splatter)Film gefragt hatte, dreht der im selben Projekt entstandene Sammelband von Daniel Tyradellis und Burkhardt Wolf die Fragestellung um: Wie formiert Gewalt – etwa durch Medien vermittelt – das Bewusstsein, die Diskurse und die Gesellschaft? Diese perspektivische Wendung schafft zunächst vor allem eines: der Huhn-Ei-Frage zu entkommen, ob denn die Gesellschaft die Gewalt in die Medien oder aber die Medien die Gewalt in die Gesellschaft bringen. Nein, es ist die Gewalt selbst, die als Bedingung der Möglichkeit von Kulturproduktion etwas zu etwas anderem „bringt“. Der im Sammelband entwickelte Gewaltbegriff wird also zu einem Kommunikat. Zehn Beiträge versuchen diese Kommunikationsleistung an gesellschaftlichen Phänomenen und medialen Beispielen zu exemplifizieren. Film spielt dabei auch eine, wenngleich sehr kleine Rolle. Behandelt werden zum Beispiel auch die Bildwissenschaft (Nacy), die Diskursanalyse (Sarasin, Baßler), Mythologie und Religion (Brunotte), die Geschichte des Theaters (Döring) und das Fine de Siecle (Utz). Damit rundet der Band das Bild ab, das das Kolleg seit seiner Gründung etabliert hat: Die „Codierung von Gewalt“ sollte von Beginn an als Genetivus subjectivus und objectivus verstanden werden. Nur so ist es möglich, einen komplexen Gewaltbegriff zu entwickeln, der sich selbst seiner Gewaltvermitteltheit bewusst bleibt.

Daniel Tyrandellis/Burkhardt Wolf (Hgg.): Die Szene der Gewalt. Bilder, Codes und Materialitäten. Frankfurt am Main u.a.: Peter Lang 2007. 195 Seiten (Taschenbuch), 41,10 Euro. Bei Amazon kaufen.

Kino und Moderne

Der Bremer Medienwissenschaftler Irmbert Schenk hatte bereits 1999 einen Sammelband mit dem Titel „Dschungel Großstadt“ und dem Untertitel „Kino und Modernisierung“ herausgegeben. Im selben Verlag ist in diesem Jahr abermals ein Buch von ihm zum Thema „Kino und Modernisierung“ erschienen – dieses mal jedoch eine Monografie bzw. eine von Schenk selbst herausgegebene Sammlung mit eigenen Texten zum Thema. Darin enthalten sind zehn Beiträge, die zwischen 1991 und 2004 bereits andernorts veröffentlicht wurden und sich hier nun thematisch sortiert neu abgedruckt finden. So disparat die Sammlung auf den ersten Blick erscheint, so sehr ist sie doch dem Leit-Thema verpflichtet, untersucht Kino als Motor der Moderne und als dessen mediales Substrat. Die Bandbreite reicht von kultur- und medienhistorischen Untersuchungen zur Technologie und Ästhetik der (visuellen) Beschleunigung über Auseinandersetzungen mit dem Film zur Zeit des Faschismus und in der jungen Bundesrepublik Deutschland bis hin zu Analyse einzelner Werke (von Ruttmann und Antonioni), Genres (Bergfilme der 30er, Heimatfilme der 50er) und dem Richtungsstreit der Zeitschrift „Filmkritik“. Der Band ist damit ebenso zur Stellenlektüre bei Fragen zu einzelnen Phänomenen wie auch vielseitiger Überblick über die im Titel angesprochene Verbindung zu nutzen – wenn man die Beiträge nicht bereits kennt.

Irmbert Schenk: Kino und Modernisierung. Von der Avantgarde zum Videoclip. Marburg: Schüren 2008. 240 Seiten (Taschenbuch), 19,99 Euro. Bei Amazon kaufen.

Soziologie und Film

Der Konstanzer UVK-Verlag zählt zu den Häusern, die am produktivsten an der Schnittstelle von Gesellschafts- und Medienwissenschaften arbeiten. Die von Markus Schroer herausgegebene Textsammlung, die soziologische Phänomene im Film untersucht, ist ein weiterer Beleg hierfür. Schroer leitet seinen Band mit der Feststellung ein, dass sich, obwohl die Soziologie bereits zu Beginn der Filmgeschichte auf diesem Themenfeld gearbeitet hat, nach dem Zweiten Weltkrieg doch kaum ein Soziologe mit dem Film beschäftigt hat. Zwar verhandelt die Soziologie nicht selten Wirkungs- und Einflussfragen, doch die Theorie geht zumeist mit Verachtung (Adorno) oder Ignoranz (Luhmann) auf das Medium ein. In Schroers Band wurden nun Soziologen eingeladen, genuine  Fragestellungen ihrer Disziplin an bestimmte „Filmgenres“ heranzutragen, um diesem Manko erstmals zu begegnen. So werden Phänomene wie Architektur und Stadt, Überwachung, Familie, Gewalt, Jugend, Medien, Politik, Sexualität, Sport, Tod, Utopie, Wissenschaft und Wohnen in je einem eigenen Text unter analogem Aufbau untersucht: Zunächst umreißt jeder Autor sein methodisches Vorgehen, nennt dann einen Korpus einschlägiger Filme für sein Thema und liefert schließlich eine detaillierte Interpretation eines gewählten Beispiels. Diese Vorgehensweise ist überaus gewinnbringend für das Vorhaben, weil sie einerseits deutlich macht, worin die Stärken des Zugangs liegen und andererseits einen Rahmen für weitere Untersuchungen vorgibt. Und auch, wenn der erste Eindruck eine „verkappte“ filmwissenschaftliche Untersuchung vermuten lässt, ist die Leitthese des Bandes doch in jedem einzelnen Text nachvollziehbar: „Die Beiträge in diesem Band teilen – bei allen Unterschieden im einzelnen – die These, dass der Film eine wichtige Quelle darstellt, die über den Zustand einer Gesellschaft Aufschluss zu geben vermag. […] Die filmische Wirklichkeit ist also keineswegs eine im fiktiven Raum verbleibende, sondern eine in andere Wirklichkeiten hineinreichende Wirklichkeit.“

Markus Schroer (Hg.): Gesellschaft im Film. Konstanz: UVK 2007. 397 Seiten (Taschenbuch), 29,90 Euro. Bei Amazon kaufen.

Im Kino gewesen, geweint/gelacht/gefürchtet …

Mediale Affekttheorien haben Konjunktur. Der bereits 2006 erschienenen Sammelband „Mit allen Sinnen. Gefühl und Empfindung im Kino“ gehört zu den Publikationen, die dieses Interesse nicht mehr allein ästhetisch begründen. Schon im Vorwort machen die Herausgeberinnen klar, dass die Neurowissenschaften – die zur Publikation substanziell und finanziell beigetragen haben – im Verein mit der Filmtheorie imstande sind, der „aufklärerischen“ Trennung von Verstand und Gefühl entgegenzuwirken. Der Sammelband im Schüren-Verlag ist als Festschrift zum 65. Geburtstag des Mainzer Filmwissenschaftlers Thomas Koebner erschienen und dementsprechend reichhaltig und vielzählig sind die Beiträge. In fünf Sektionen finden sich insgesamt 43 Aufsätze und Interviews, die das Thema aus den verschiedensten Perspektiven einkreisen: Das erste Kapitel versucht das Forschungsfeld Affektivität zu umreißen und rückt filmhistorisch wichtige, selbstreflexive Werke in den Fokus (wie Kubricks „Clockwork Orange“ oder Kluges „Die Macht der Gefühle). Im zweiten Kapitel wird der sensuelle Teil des Themas abgehandelt. In den Beiträgen geht es um Geschmack, Geruch, Tastsinn, … und deren Verbildlichung im Film. Ästhetische Affektstrategien werden im dritten Teil beleuchtet. Die Bandbreite reicht hier von Darstellungskonzepten einzelner Schauspieler (wie Bill Murray oder Ralph Fiennes) über allgemeine Erörterungen etwa zu Pathos, Trauer oder Melancholie. Im vierten Kapitel wird eines der vordringlichsten Mittel zur Emotionserzeugung diskutiert: Der Ton und insbesondere die Filmmusik – abermals anhand einzelner Werke oder Künstler. Im letzten Kapitel finden die vorangegangenen Themen schließlich ihre philosophische „Aufhebung“ in der Frage, in welchem Verhältnis Film und (die) Wirklichkeit (außerhalb des Films) zueinander stehen, auf welche Weise es möglich ist, dass rein fiktionale Ursachen ganz lebensweltliche Wirkungen (eben: Gefühle) zeitigen und wie die Filmgeschichte gleichzeitig als Geschichte der Affektästhetik zu verstehen ist. Die Vielzahl der Texte des Bandes verschafft zwar einen überaus heterogenen Zugang zum Phänomen, ist jedoch auch dafür verantwortlich, dass jedem einzelnen Beitrag nur wenig Raum zur Verfügung steht. So verstehen sich die meisten Texte sicherlich zunächst als Anriss des Themas und Anregung zum Weiterdenken. Dafür jedoch liefert „Mit allen Sinnen“ eine denkbar geeignete Basis. Es sollte sich zu jedem Aspekt der Affekt-Theorie des Films etwas darin finden lassen.

Susanne Marschall/Fabienne Liptay (Hgg): Mit allen Sinnen. Gefühl und Empfindung im Kino. Marburg: Schüren 2006. 470 Seiten (Taschenbuch), 29,90 Euro. Bei Amazon kaufen.

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