Hank Chinaski ist ein Rumtreiber, chronischer Hilfsarbeiter, stolzer Müßiggänger, 1-A Ficker, enthusiastischer Säufer, verhinderter Schreiber und ein verdammter Versager. Chinaski ist Bukowski ist ein Teil von jedem Menschen. Factotum setzt ihm ein Denkmal.
Abgesteckt durch die Koordinaten „schummrige Kneipe“, „heruntergekommenes Apartment“ und „primitive Aushilfsstelle“ schlägt Hank Chinaski (Matt Dillon) sich irgendwie durch: Abgetakelten Kneipenschönheiten kann er nicht widerstehen, ebenso wenig dem Glücksspiel und einem guten Whiskey, Chancen vergeigt er souverän oder geht ihnen gleich aus dem Weg. Am Ende verschlägt es ihn mittel- und ambitionslos wieder dorthin, wo der Film immer wieder hinstrebt – in die Kneipe.
Chinaskis Schicksal wird episodisch erzählt. Weder Zeit noch Ort sind von Bedeutung und ihre Abfolge erscheint zufällig. Als Autor schafft es Chinaski nicht, seinen ersten Roman abzuschließen, verharrt stattdessen bei sporadischen Kurzgeschichten; analog besteht die Geschichte seines anarchischen wie abgewrackten Lebens ausschließlich aus verstreuten Einblicken in selbiges. Dabei wechseln Humor und Ernst einander ab: Zwar gibt es viele Stellen, die Lacher provozieren; sie sind jedoch in ein Scheitern als Lebensentwurf eingebettet, was ihnen eine zynische Qualität verleiht – Factotum will nicht amüsieren, auch wenn es genug Anlass zum Lachen gibt. Den insgesamt ernsten Tonfall untermalen auch Chinaskis längere Off-Kommentare, die aus drei seiner Bücher stammen und in ihrer Kürze dann leider doch lächerlicher wirken als sie sollten.
Das und der Rest des Films wird vielen Bukowski-Jüngern nicht behagen. Sie monieren vor allem die inhaltlichen Veränderungen an den Vorlagen und die Darstellung Matt Dillons. Die erste Kritik ist wohl unvermeidbar und wie so oft überzogen – die Mitarbeit von Bukowskis Frau und dem Institut, das seinen Nachlass verwaltet, schließt nennenswerte Verfälschungen und Verwässerungen aus. Die Kritik an Dillon ist ebenfalls ungerechtfertigt. Dass er es der Vorstellungskraft etlicher Bukowski-Leser nicht gerecht würde, war abzusehen; im Vergleich mit ähnlichen Charakteren ist seine Darbietung jedoch durchweg überzeugend. Vor allem an Jeff Bridges in The Big Lebowski ist da zu denken, dessen Dude die nettere Humorvariante Chinaskis ist.
Insgesamt wird Factotum Bukowski also gerecht. Der üblichen Versuchung, sich aus einem Kultautor die biografischen Rosinenstücke herauszupicken, hat er glücklicherweise widerstanden, sich stattdessen auf ein gesundes und atmosphärisch stimmiges Portrait beschränkt. Nach dem Abspann mag einem dann auch der Sinn nach Kneipe und etwas dosiertes Lebensversagen, kurz dem Chinaski in uns stehen.
Factotum
(USA 2005)
Regie: Bent Hamer; Buch: Charles Bukowski, Bent Hamer, Jim Stark;
Kamera: John Christian Rosenlund; Schnitt: Petter Fladeby
Darsteller: Matt Dillon, Lili Taylor, Fisher Stevens, Marisa Tomei, Didier Flamand
Verleih: Pandora Film Verleih
Länge: 94 Min.