„Irgendwann wird’s lächerlich“

Woran erkennt man einen Horrorfilm? Am großzügigen Gebrauch unstet flackernder Lichter, an dichter Schwärze, die unheilvoll hinter nur einen Spalt weit geöffneten Türen hervorlugt, an undeutlichen Bewegungen im Dunkeln, die genauso gut auch nur auf ein irritiertes Auge zurückführbar sein könnten, an einem Telefon, das stille Momente der Anspannung lautstark und überraschend durchtrennt, oder aber an einer Bewegung in eine Richtung, die man nicht hätte einschlagen sollen. Und so weiter und so fort. Dies sind zuvorderst wahrnehmbare Elemente, die, unter anderem, einen Horrorfilm zu einem solchen machen. Nicht schon zwangsläufig zu einem guten, gewiss. THEY – SIE KOMMEN, von Hitcher-Regisseur Richard Harmon bereits im letzten Jahr inszeniert, bietet im wesentlichen genau eine solche Aufzählung einzelner Gruselelemente. Allein, die Summe der einzelnen Teile ergibt kein Mehr.

Dies wird schon in der ersten Sequenz ersichtlich. Um die biografische Urszene geht es, an der sich jeder Horrorfilm labt: Das Kind, nachts im Bett, nimmt das ansonsten wohlbekannte Revier des eigenen Zimmers, durch das Zwielicht verfremdet, als unheimlich, grauenhaft wahr. Was ist Schatten, was ist Monster? Der Ruf nach der Mutter, die Sehnsucht nach der Geborgenheit des mütterlichen Bettes wird zurückgewiesen: Der Schrecken des Älterwerdens, der Trennung von den Eltern tritt ins Leben. Man versteckt sich in Folge unter der Decke, wo die Taschenlampe schnell erlischt und das Unheimliche da draußen bedrohliche Ausmaße annimmt. Soweit der Anfang, den hätten wir, wie geht’s nun weiter? Nach Schema F.

19 Jahre später ist der Junge, Bill (Jon Abrahams), traumatisiert und sichtlich von hysterischer Paranoia gezeichnet. Nachdem er sich seiner besten Freundin Julia (Laura Regan), die er seit Kindestagen kennt, anvertraut hat – „Sie kommen aus der Dunkelheit, um uns zu holen!“ -, bringt er sich vor ihren Augen um. Der Freundeskreis ist entsetzt, allesamt entwickeln in Folge Nachtängste wie aus frühsten Kindheitstagen, eine merkwürdige, sternförmige Wunde lässt sich bald schon an aller Körper beobachten. Einer nach dem anderen stirbt unter mysteriösen Umständen, am Ende ist es Julia selbst, die, nunmehr auf sich alleine gestellt, entscheiden muss, ob sie nur paranoid ist oder noch nicht paranoid genug.

So dramaturgisch wenig reizvoll wie das auf dem Papier klingt, ist es im Ergebnis auch. Man begnügt sich mit einer simplen Aneinanderreihung von blass gehaltenen Szenen, in denen einfach nur eins zum anderen kommt, unter gelegentlicher, meist recht willkürlicher Zuhilfenahme eingangs erwähnter Erkennungsmerkmale. Mal nestelt was im Dunklen, dann geht ein Licht aus, woanders wiederum flackert es wieder auf und Telefone klingen, auditiv besonders betont, gerade dann, wenn man es eigentlich gar nicht erwartet hat. Auch die eine oder andere schräge Kameraeinstellung wurde ausgesucht, verkommt aber ebenso, wie alles andere, zur bloßen Wiederholung, wird nur abgehakt auf der langen Liste der Horror-Spezifika, ohne aber Wirkung zu entfalten. Dies verhindert überhaupt auch schon die Tatsache, dass es von Beginn an bereits mehr oder weniger unausgesprochen feststeht, welchen Kräften man da beim Walten zusieht. Ein Geheimnis, das zu lösen wäre, eine Wendung, irgend eine Spur narrativen Raffinements gibt es im eigentlichen Sinne nicht, und so ist es fast schon Ironie des Schicksals, dass ein Film, der die kindliche Angst vor dem Dunklen und dem, was sich darin versteckt, zum Thema hat, der seine Monstrositäten nicht eine Sekunde lang deutlich zeigt, an und für sich so durchsichtig ist wie eine frischgeputzte Fensterscheibe an einem strahlenden Sommernachmittag. Gelegentliche, sogar recht versiert inszenierte somatische Schockmomente und der eine oder andere effektive Gruselschauer vermögen es da kaum noch, sich gegen diese gähnende Leere im Dazwischen aufzubäumen.

An einer Stelle sagt Julia beruhigend zu sich selbst, mal wieder – längst schon hat der Zuschauer aufgehört zu zählen – angesichts einer weiteren, nur einen Spalt weit geöffneten Tür mit dahinter drohender Schwärze: „Irgendwann wird’s lächerlich!“ Angesichts der steten Redundanz, die THEY – SIE KOMMEN auszeichnet, möchte man entgegen: „Wahre Worte, in der Tat.“

They – Sie kommen
(They, USA 2002)
Regie: Robert Hermon; Drehbuch: Brendan Hood; Kamera: René Ohashi;
Schnitt: Chris Peppe; Musik: Elia Cmiral; Darsteller: Laura Regan, Marc Blucas, Ethan Embry,
Dagmara Dominczyk, Jon Abrahams, Alexander Gould, u.a.
Verleih: Concorde Länge: 89 Minuten

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