Ins Wasser gefallen

Vom indisch-stämmigen Regisseur M. Night Shyamalan ist man ja einiges gewohnt – vor allem aber Verlässlichkeit, was die Konstruktion seiner (zumeist) Grusel-Erzählungen angeht: Da geschehen Dinge fernab unserer Alltagslogik, die für die Protagonisten zur Normalität werden, die scheinbar immer tiefer in eine fantastische und mysteriöse Welt führen – um am Ende dann in einem von Shyamalans berüchtigten Plot-Twists aufgehoben zu werden. Nichts war, wie es schien – die Wahrheit ist ganz anders und manchmal sogar noch fürchterlicher als die Lüge. Es ist vorstellbar, dass Shyamalan bei seinem neuen Film „Das Mädchen im Wasser“ eine Art Meta-Plottwist vorgeschwebt haben mag, um seine Zuschauer, die mit seinen finalen Überraschungen längst rechnen, doch noch einmal zu erstaunen. Das wäre allerdings eine sehr wohlwollende Lesart des Films.

Shyamalan beschränkt sich in „Das Mädchen im Wasser“ auf eine überschaubare Menge Figuren, einen kleinen Handlungsraum und einen kurzen Handlungszeitraum: Der Appartment-Komplex „The Cove“ wird von einem liebenswerten, stotternden Hausmeister Cleefland Heep (Paul Giamatti) in Gang gehalten, der die skurrilen aber ebenso liebenswürdigen Bewohner des Gebäudes kennt, ihre Macken toleriert und stets hilfsbereit ist, wenn es um die Beseitigung von Ungeziefer oder die Schlichtung von Nachbarschaftsstreits geht. Als sich Probleme mit dem im Innenhof des Gebäudes liegenden Swimmingpool nicht abstellen lassen und auch ein Reinigungsfachmann nicht weiß, warum der Wasserfilter ständig verstopft ist, begibt sich Cleefland selbst auf die Spur des Rätsels und entdeckt eines Nachts eine junge Frau, die im Pool zu leben scheint. Er nimmt sie mit in sein Häuschen, das dicht beim Appartmentkomplex steht, und erfährt Fantastisches über sie: Story (Bryce Dallas Howard), so der Name des Mädchens, ist eine Narf (eine Art Seejungfrau), die tatsächlich im Pool lebt und einen Seelenverwandten unter den Menschen sucht. Den findet sie gemeinsam mit Heep schließlich in dem Schriftsteller Vik (M. Night Shyamalan). Nun muss Story wieder zurück in ihre blaue Welt, was jedoch schwierig ist, denn ein Monster lebt in der Nähe des Hauses, das genau dies verhindern will. Zusammen mit den Hausbewohnern stellt Heep einen wahrhaft fantastischen Rettungsplan auf, der einen mysteriösen Riesen-Adler herbeirufen soll, mit dem Story zurück nach Hause gelangen kann.

Das liest sich wie ein Märchen und „Das Mädchen im Wasser“ ist auch ein Märchen. Zunächst eines, das im Film erzählt wird und von dem Heep seine Kenntnisse über die Narfs und die blaue Welt erhält; dann ist der Film aber auch selbst ein Märchentext – und zwar einer, der Film zu werden versucht. Das gelingt ihm mit dieser Story, auf diese weise erzählt jedoch nicht. „Das Mädchen im Wasser“ baut seine Dramaturgie vollständig auf Mono- und Dialogen auf und hofft auf Protagonisten, die „mitspielen“, die die fantastischen Entwicklungen und seltsamen Fantasy-Regeln fraglos akzeptieren. Weil sie das auch tun, ist „Das Mädchen im Wasser“ ein so naiver Film geworden, der es dramaturgisch zu keiner Zeit schaft, Empathie oder auch nur Interesse zu wecken. Vielmehr stellt sich alsbald die Frage – oder besser: die Hoffnung ein, das alles möge nicht wahr sein und durch einen finalen Plottwist als Lüge und Fantasterei kenntlich gemacht werden. Den bleibt der Regisseur und Autor des Films jedoch schuldig.

Anstelle dessen nutzt er „Das Mädchen im Wasser“ zu einer überaus peinlichen Selbstdarstellung. Er selbst übernimmt die Rolle jenes Schriftstellers, der zusammen mit seiner streitsüchtigen Schwester Anna (Sarita Choudhury) im Appartmenthaus lebt und der niemand geringeres ist als der Inspirator für eine künftige, friedliche Menschheit. Denn der Grund, warum Story nach ihm sucht, ist, dass sie ihm die Zukunft weisen will: Vik schreibt ein „Kochbuch“, das in wirklichkeit eine politische Utopie ist, nach der sich der Weltfrieden einmal ausrichten wird. Shyamalan tritt hier also als nichts geringeres als der Heiland selbst in seinem Film auf. Weil ihm dies bereits mit Disney Ärger einbrachte (das Studio wolle den Film nach der Lektüre des Drehbuches nicht mehr produzieren), hat Shyamalan gleich auch noch eine Kritiker-Figur in die Story implementiert, die als das klischeehafte „Arschloch“ und als Spaßverderber fungiert und schließlich als einziger das Filmende nicht miterleben darf. Ob er sich damit vor negativen Pressestimmen gepanzert hat, darf bezweifelt werden.

Doch „Das Mädchen im Wasser“ ist trotzdem kein schlechter Film. Ganz im Gegenteil: Mit seinen filmischen Mitteln weiß er sehr wohl zu verblüffen. Da wäre zunächst die unglaublich einfallsreiche Kameraarbeit Christopher Doyles zu nennen: Ständig variierende, stets originelle, teilweise entlarvende Perspektiven, gekonnter Einsatz von Filtern und Beleuchtung und nicht zuletzt das Spiel mit Tiefenschärfen machen den Film zu einem optischen Hochgenuss. Akustisch wird dieser noch mit einem exzellenten Soundtrack von Shyamalans Hauskomponist James Newton Howard unterstrichen. Howard hält mit seinen eingängigen Motiven stets die Gratwanderung zwischen Gruselfilm und Fantasykitsch, verleiht den Figuren durch markante Themen die Charakterkonturen, die das Drehbuch ihnen in all seiner Operationalisierungswut nicht zuzugestehen vermag. „Das Lächeln im Wasser“ ist gerade durch seine filmästhetische Rafinesse ein sehenswerter Beitrag, den man genießen kann, wenn es einem gelingt, sich nicht vom Plot erfassen zu lassen.

Das Mädchen im Wasser
(The Lady in the Water, USA 2006)
Regie, Buch und Produktion: M. Night Syamalan, Kamera: Chrstopher Doyle, Schnitt: Barbara Tulliver, Musik: James Newton Howard
Darsteller: Paul Giamatti, Bryce Dallas Howard, Jeffrey Wright, Bob Balaban, Sarita Choudhury, Cincy Cheung u.a.
Verleih: Warner Bros.
Länge: 100 Minuten
Start: 31.08.2006

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