Frauenbilder in den Medien

Heidrun Baumann (Hg.): Frauenbilder in den Medien, Münster: Daedalus, 2000

Massenmedien als ›vierte Gewalt‹ zu den Eckpfeilern der Demokratie zu rechnen ist längst gängige Praxis und bedarf kaum noch einer eingehenderen Erläuterung. Das heutige komplexe Mediensystem, das in Printmedien, Hörfunk und Fernsehen wie auch in Büchern, Filmen und natürlich dem Internet verwirklicht ist, fördert dabei ein gravierendes Problem zutage: Es simuliert die Nichtexistenz unzähliger Problemkreise, indem es sie nicht thematisiert. Die Informations- und Aufklärungsarbeit der modernen Massenmedien ist dergestalt eine äußerst selektierte: Was nicht Gegenstand der Medien ist, findet in der gesellschaftlichen Öffentlichkeit kaum oder keine Beachtung (es ›existiert‹ daher quasi gar nicht).

Heidrun Baumann versammelt in ihrem Buch Beiträge weiblicher Autoren, die sich mit diesem Machtfaktor der differenten Medien in disziplinär unterschiedlichster Art auseinandersetzen. Beleuchtet werden soll, welches Bild es ist, das die unterschiedlichsten ›alten‹ wie ›neuen‹ Medien von ›Frau‹ konstruieren, transportieren und repräsentieren. Das in den Medien dargestellte Frauen-Bild ist dabei vielfach abhängig von der Sichtweise einer die Massenmedien dominierenden männlichen Elite. Daher deutet das Medienbild der Frau auf reale gesellschaftliche Macht-verhältnisse zwischen den Geschlechtern hin. Dargelegt wird aus der Perspektive der jeweiligen Autorin »inwieweit sich ›Frau‹ [nun] in den Medien einbringen kann, sowohl als Macherin, als verantwortlich Handelnde und Gestaltende in der Medienproduktion, wie auch als diejenige, die mit dem ›anderen Blick‹, die ›Frau‹ aus der Innensicht präsentiert, hängt wiederum davon ab, wieviel Gestaltungsspielraum und Einfluß ›Mann‹ ihr zugesteht oder sie sich erkämpft hat.« Einen Überblick über die diversen Konstruktionen der Geschlechter, das ›Frauen-Bild‹ in den unterschiedlichen Medien, bieten insgesamt elf Beiträge.

Wie subtil Frauen in der patriarchalisch orientierten Gesellschaft Deutschlands auf ihren Platz vor der Kamera verwiesen werden, wie Frauen niemals als gleichwertig, sondern stets durch den ›männlichen Blick‹ wahrgenommen werden, analysiert die Filmwissenschaftlerin Renate Möhrmann für das Medium Film. Sie zeigt auf, wie sich innerhalb der Filmindustrie ein Wandel vollzog, als der Film sich als Massenkommunikationsmittel öffentlich etablierte: Frauen standen fortan nun nicht mehr – wie bis dahin bereits praktiziert – hinter der Kamera; sie wurden wieder zum dargestellten (Kunst)Objekt. Das Modernitätsprinzip trennte auch im filmischen Forum in männlich-rational und weiblich-irrational; weibliche Filmarbeit und feministische Orientierung ist innerhalb der filmischen Neuorientierung nicht auszumachen: Der deutsche Autorenfilm ist definitiv männlichen Geschlechts, nicht eine einzige Frau unterschreibt das Oberhausener Manifest 1962, wodurch diese Avantgarde in der Konsequenz um ihr feministisches Potenzial beschnitten bleibt. Alle Entwicklungstendenzen weiblicher Urheber, die neben dem solcherart schon männlich okkupierten Avantgardekonzept entstanden, wurden ungerechtfertigterweise diesem untergeordnet, galten als nicht originär oder gar als lediglich aus ihm abgeleitet: Der Mann als Schöpfer, die Frau als seine reproduzierende Schülerin und untergeordnete Gehilfin. Dabei waren die deutschen Filmemacherinnen in ihrer Absage an Hollywood sogar erheblich rigoroser, als ihre männlichen Kollegen: Das Autorenkonzept unterschied die weibliche Fraktion nicht von ihrem männlichen Gegenüber – der einzige Unterschied lag in ihrer feministischen Orientierung begründet. Wie sich die weibliche Seite des Autorenfilms gegen anachronistisch klischeebehaftete Tendenzen, die unter anderem sogar auch in dem neuen deutschen ›männlichen‹ Autorenfilm auszumachen sind (als Beispiel dient Gelegenheitsarbeit einer Sklavin (1974) von dem Wortführer des neuen deutschen Films, Alexander Kluge), zur Wehr gesetzt hat, wie sich die Zeitschrift Frauen und Film als Plattform für feministische Auseinandersetzungen etablierte, wie es zu einem ›Blickwechsel‹ geschlechter-spezifischer Wahrnehmungsdivergenzen kam, erläutert Renate Möhrmann in einzelnen Kapiteln ihres Beitrags. Sie bilanziert eine Entwicklung, die mehr als überrascht und nachdenklich stimmt, versucht man etwa, weibliche Solidarität auf den Plan zu rufen: Mit dem Wechsel des Herausgeberinnen-Kollektivs von Frauen und Film zeichnete sich 1983 eine deutliche Kehrtwende in mehrfacher Hinsicht ab – das feministische Engagement der Anfänge wird nun von Mitstreiterinnen aus den (nun nur noch vermeintlich) eigenen Reihen als überholtes Modell diskreditiert. Diese Kehrtwende innerhalb der feministischen Filmtheorie, die die Theorie ins Zentrum jeglicher Analyse rückt, führt ihrer Meinung nach dazu, dass besonders engagierte Meinungen von Frauen kein Gehör mehr finden bzw. zu Unrecht und mit falschen Kategorien kritisiert werden. Die feministische Disziplin hat sich ihr eigenes Dilemma erschaffen: Die feministische Theoriefeindlichkeit der ersten ›bewegenden‹ und ›bewegten‹ Zeit muss nun an zwei Fronten kämpfen – um den Status einer anerkannten wissenschaftlichen Disziplin zu erlangen und zu behaupten muss sie notwendig ›akademisiert‹ werden – das fordern nun seit den achtziger Jahren neben vielen männlichen Wissenschaftlern auch vehement weibliche Akademiker. Die gelebten Erfahrungen von Frauen fallen einer zunehmend geforderten und (umstrittenen) erforderlichen Akademisierung zum Opfer.

Christina von Brauns Beitrag untersucht den Einfluss der neuen Medien auf die ›natürliche Ordnung der Geschlechter‹ und beobachtet dabei einen dezidierten Wandel der Wahrnehmungs- und Erinnerungsfähigkeit, der mit Film, Fotografie und den elektronischen Medien einhergeht.

Ulrike Leutheusser, Leiterin des Programmbereichs Wissenschaft und Bildung des Bayerischen Rundfunks zieht Bilanz für den ›Kampf der Geschlechter‹ anhand der Repräsentation von Frauen im Fernsehen von Dagmar Berghoff über Sabine Christiansen bis zu ›weiblichen Schimanskis‹ wie ›Rosa Roth‹ oder ›Bella Block‹. Seit 1971 im ZDF das erste Mal eine Frau die Nachrichten las, hat sich vieles geändert für die Frauen, die »im Fernsehen ihren Mann stehen« und dennoch ist in Karrierefragen ein deutlicher Trend auszumachen: Frauen in Spitzenpositionen in öffentlich-rechtlichen Funk- und Fersehanstalten sind noch immer die Ausnahme. Der erfreulichen Entwicklung, den nennens- und lobenswerten Errungenschaften der wahrnehmbaren ›Frauenpower‹ stellt Ulrike Leutheusser kritische Fragen der gelebten Chancenungleichheit gegenüber und diskutiert in einem Anhang über die Frage »Frauen in den Medien – blond und dumm?« mit verschiedenen Personen der Fernsehbranche mit verblüffendsten Ergebnissen aus Frauenmund.

Maria Kalaç ermöglicht den Einblick in ihre Arbeit als Gleichstellungsbeauftragte beim Bayerischen Rundfunk, betont die zu verzeichnenden Teilerfolge der Frauen und weist in eine Zukunft, die den Geschlechterfragen noch viele Aufgaben stellt – notwendig sei dabei vor allem auch, dass Männer die Chance zur Befreiung aus dem Zwang ihrer eigenen gesellschaftlich zugeschriebenen Rolle, die der Befreiungskampf der Frau aus ihren gewohnten Abhängigkeiten enthält, überhaupt erkennen und anzunehmen gewillt sind.

Die soziale und rechtliche Frage der Frau steht auch im Mittelpunkt des Beitrags von Ana Feiner-Zalac. Sie analysiert die schwierigen, das weibliche Talent einschränkenden Lebens- und Arbeits-bedingungen ausgewählter Künstlerinnen von der Renaissance bis heute. Die universalen Leistungen von Frauen, die schöpferische weibliche Kraft findet keinen Eingang in Lexika, ihre Werke werden nicht als Jahrhundertereignisse propagiert und gefeiert wie etwa das ›Schöpfertum‹ männlicher Künstler, sie werden innerhalb der Kunstgeschichte verschwiegen, diskriminiert und zu ›Gehilfinnen‹ degradiert, die zu eigenen Leistungen unfähig seien – weil sie Frauen sind. Im Ergebnis hat dieser Umstand dazu geführt, dass die Frau sich ihren eigenen Ort in der Kunst gesucht hat, »der ihr gebührt und an dem sie sich erfahren kann«.

Der Sammelband enthält weitere, aufschlussreiche, kritische und nachdenklich stimmende Beiträge zum Bild der Frau in den Medien von Christa Bürger, Valentine Rothe, Irene Dölling, Sabine Reeh, Ina Wagner und Ingrid Martin. Die ›vierte Gewalt‹ ist (wie dargelegt) überwiegend männlicher Natur, die Vielfalt der Medien wird um ihr weibliches Potenzial gebracht – von Männern, durch ihre (mediale) Nicht-Präsenz aber auch von Frauen. Lesen lohnt sich!

Heidrun Baumann (Hg.)
»Frauen-Bilder« in den Medien. Zur Rezeption von Geschlechterdifferenzen
Münster: Daedalus-Verlag, 2000
213 Seiten. 19,50 Euro

Miriam-M. Höltgen

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