Filmische Vernichtung

Wie schwierig und gleichzeitig interessant es sein kann, filmisch das Nichts zu thematisieren, hatte Vincente Natali bereits 2003 in „Nothing“ gezeigt: Zwei Freunde stellen eines Morgens fest, dass die Welt um ihr Haus herum verschwunden ist und einer weißen Unendlichkeit Platz gemacht hat. Schon nach kurzer Zeit war für den Zuschauer klar: Dieses Nichts mag zwar ein dys- bzw. atopisches Setting sein, mehr jedoch ist es eine soziale Parabel, denn woran die beiden Freunde schließlich am meisten zu kauen haben, ist die mit dem Nichts einhergehende Isolation, die Ein- bzw. Ausgeschlossenheit aus der Mitwelt. Was dieses Thema angeht, macht Mark Fitzpatricks Film „The Nothing Men“ zwar nichts Neues, er holt das Thema jedoch zurück ins Reale.

Seine Figuren sind ebenfalls mit einem sozialen Nichts konfrontiert, das sich ihnen ganz konkret in Form des Arbeitsplatzverlustes gegenüberstellt. Ihre Firma hat den Produktionsstandort geschlossen und die Fabrikhalle geräumt. Die sechs verbliebenen Arbeiter wollen nicht einfach das Handtuch werfen, sondern bestehen auf eine Abfindung. Um diese zu erhalten, müssen sie, so die Bedingung, bis zu einem Stichtag „arbeiten“. Das heißt für sie: Tag für Tag acht Stunden lang in der leeren Fabrikhalle ausharren. Sie verbringen die Zeit mit Biertrinken und Kartenspielen, was bekanntermaßen bereits zu Abmahnungen und Entlassungen in der Firma geführt hat. Da sie jedoch völlig allein im Gebäude sind, wähnen sie sich sicher. Als sich eines Tages ein neuer Mitarbeiter zu ihnen gesellt, glauben sie in ihm einen Spion der Firmenleitung zu erkennen und verhalten sich sogleich sittsam. Der Wegfall von jeglicher Beschäftigungsmöglichkeit führt nun allerdings zu sozialen Spannungen und psychischen Extremsituationen, in deren Folge zwei Figuren eine recht problematische Entwicklung durchmachen: ein zurückhaltender junger Mann, der offenbar ein Gewalttrauma mit sich herumträgt, und der Neue, der vielleicht doch nicht als Spion, sondern als „Strafversetzter“ zur Truppe hinzugekommen ist.

„The Nothing Men“ ist in vielerlei Hinsicht ein filmisches Experiment: Mit einer neuen Kameratechnik („Red One“) aufgenommen und extrem kleinem Budget realisiert, komprimiert es seine Erzählung auf ganz wenige Handlungsräume, von denen die Fabrikhalle der zentrale ist. Hier laufen Konkretes und Imaginäres zusammen. Die Fabrikarbeiter leben hier ihr Arbeitsleben und zeitweilig sieht man sie ihre ehemaligen, längst abtransportierten Maschinen imaginieren, so als wären es liebgewordene Freunde, die sie vermissen. Diese Leere macht jener Aggression Platz, die das vollends in den fordistischen Produktionsprozess integrierte Subjekt vielleicht erreichen mag, nachdem es sich „unproduktiv“ und also „nutzlos“ fühlt. Diese Leere überträgt der Film allerdings auch auf seinen Zuschauer, indem er ihn mit dem Nichts an verbliebenen Tätigkeiten konfrontiert – und zwar in voller Länge ihrer Dauer.

Ja, „The Nothing Men“ ist ein langweiliger Film. Die Handlung schreitet kaum voran und das, was an Story zu erzählen ist, passte auch bequem in einen fünfminütigen Kurzfilm. Man kommt nicht umhin, in dieser Langeweile-Produktion eine performative Verdopplung des Themas zu sehen, das der Film sozusagen auf sein Publikum überträgt. Ob man den Film vor dem Finale abbricht, ob man dabei einschläft oder sich in den Flow der Nichtigkeiten hineinbegibt: Die Reaktion des Zuschauers ist in jedem Fall adäquat, denn sie findet sich ebenfalls in den (Stereo-)Typen der Protagonisten. Damit ist „The Nothing Men“ als Spielfilm natürlich ein gewagtes Experiment – eines, das einen förmlich zwingt, sich darauf einzulassen. Ob ihm damit derselbe Erfolg beschieden ist, wie Natalis „Nothing“ mit seinem emblematischen Nichts, scheint zweifelhaft.

The Nothing Men
(Australien 2010)
Regie & Buch: Mark Fitzpatrick; Musik: Robert John Sedky; Kamera: Peter Holland; Schnitt: Adrian Rostirolla
Darsteller: David Field, Colin Friels, Martin Dingle-Wall, Brendan Clearkin, Michael Denkha u. a.
Länge: 83 Minuten
Verleih: n. n.

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