Die Kinder der Toten

Vorspeise: Das Genre frisst seine Kinder. So wie die titelgebenden Zombies von J. S. Cardones Film – eine Gruppe Kinder, die vor knapp hundert Jahren bei der Verrichtung ihrer Arbeit in einem Bergwerk verschüttet wurde und nun auf der Suche nach Gerechtigkeit und einer Heimat ist –, mit Spaten und Spitzhacke über gierige Grundstücksspekulanten und andere Opfer herfällt, um diese letztlich zu verspeisen, so wird auch J. S. Cardones merkwürdig unentschlossener Film von gängigen Genrestrukturen und hundertfach abgespulten Klischees verhackstückt und einverleibt.

zombies.jpg
Hauptgericht: Eine viel zu jung besetzte Mutter reist mit ihren beiden Töchtern nach dem Tod ihres Ehemannes zu dessen ehemaligem Familienwohnsitz, einem Haus in den Wäldern Pennsylvanias, das sie geerbt hat. Doch irgendwas stimmt nicht: Die jüngste Tochter freundet sich schon bald mit einem unsichtbaren Mädchen namens Mary an und während der oben erwähnte Immobilienhai Anspruch auf das Grundstück anmeldet, auf dem das Haus steht, um dort ein Freizeitresort hochzuziehen, geschehen die ersten Morde …

„Zombies“, der Titel von J. S. Cardones Film, ist so irreführend wie unpassend. Weder haben wir es hier mit den klassischen Zombies des Voodoomythos zu tun, noch mit den kannibalistischen Durchschnittbürgern des Romeroschen Zyklus um die lebenden Toten. Die Zombies sind in Cardones Film eher Verwandte der Rachegeister der gothic novel und so trägt auch der ganze Film überdeutliche Züge einer Geistergeschichte. Die zombiefizierten Kinder scheinen nicht auf das Menschenfleisch angewiesen zu sein: Das Morden und Verspeisen dient nicht der Erhaltung und gleichzeitig Fortpflanzung der Art (durch Infizierung per Biss), sondern ist als Bestrafung derer gekennzeichnet, die das Minenunglück verdrängt, die Erinnerung an die Verunglückten zusammen mit diesen zugeschüttet haben. Auch ihr Erscheinungsbild und die Inszenierung ihrer Auftritte tragen zu diesem Eindruck bei: Mit weißen Gesichtern und schwarzumrandeten Augen stapfen die Zombies durch den herbstlich anmutenden Wald, dessen verkrüppelten Bäume des Nachts von dickem Bodennebel umwabert werden. Und die Rettung der Menschen besteht nicht in der Ausrottung der kindlichen Untoten, sondern darin, ihnen ihre einstige Heimat – das Haus der weiblichen Hauptfigur – zu überlassen. Eine Lösung, die nicht zuletzt durch die kleine Tochter forciert wird, die sich mit den bösen Geistern angefreundet hat – ebenfalls ein gängiges Element des Geisterfilms.

Nachspeise: J. S. Cardones Film leidet immens unter seiner Ausrichtung als schnell zu konsumierendes Genrevehikel. Der Fortgang der Handlung ist für den Genrefreund, für den dieser Film inszeniert ist, jederzeit bis ins Detail vorhersehbar. Anstatt eine eigene Geschichte zu erzählen, werden unermüdlich die immergleichen Plotbausteine abgehakt, die leblos schablonenhaften Figuren von einer Standardsituation in die nächste gejagt: Da wird nicht einmal auf das blutig endende Schäferstündchen auf der Rückbank eines im Wald geparkten Autos verzichtet. Ebenso scheint die Konzeption als Zombiefilm (der „Zombies“ zu keiner Sekunde ist) wie nachträglich erfolgt und rein marktwirtschaftlichen Erwägungen geschuldet: Der Zombiefilm ist ein immer noch erfolgversprechendes Subgenre, also werden aus den Rachegeistern flugs ein paar Untote und ein paar obligatorische Fressszenen ins Drehbuch geschrieben, die dem Ton des restlichen Films jedoch völlig zuwiderlaufen und keinen Sinn ergeben wollen. Am Ende steht ein Film, der sein Publikum vor den Kopf stoßen muss: Wer einen Zombiefilm erwartet, wird ob der vielen Brüche mit dem Zombiemythos (sowohl dem originären wie auch dem modernen) ebenso enttäuscht sein wie der, der einfach nur einen kohärenten Horrorfilm sehen möchte. Das ist umso bedauerlicher als Cardone in einigen Szenen durchaus ein gewisses handwerkliches Talent offenbart, das durch den überflüssigen Ballast jedoch ebenso verschüttet wird wie die Kinder in ihrem Bergwerk. Zu empfehlen ist „Zombies“ keinesfalls. Hoch interessant aber dennoch.

Zombies
(Wicked Little Things, USA 2006)
Regie: J. S. Cardone, Drehbuch: Boaz Davidson, Ben Nedivi, Kamera: Emil Topuzov, Musik: Tim Jones, Schnitt: Alan Jakubowicz
Darsteller: Lori Heuring, Scout Taylor-Compton, Chloe Moretz, Geofrrey Lewis, Ben Cross
Länge: ca. 90 Minuten
Verleih: e – m – s

Zur DVD von e – m – s

e – m – s veröffentlich den Film in zwei unterschiedlichen Editionen: im Steelbook sowie mit so genanntem 3D-Cover. Die Ausstattung ist jeweils identisch. Bekrittelt werden muss das Bild, das leider in dunklen Szenen unschöne Schlieren zieht und unscharf ist.

Zur Ausstattung der DVD:

Bild: 1,85:1 (anamorph)
Ton: Deutsch (Dolby Digital 5.1, DTS), Englisch (Dolby Digital 5.1)
Extras: Making of, Trailer, Bildergalerie
Länge: ca. 90 Minuten
FSK: Keine Jugendfreigabe
Preis: 18,98 Euro (3D-Cover-Edition)

Diese DVD bei Amazon kaufen

Schreibe einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.