Die Helden des technischen Zeitalters – StarWars Episode III

Star Wars Episode III – Die Rache der Sith, USA 2005, George Lucas

Es gibt Märchen, die einen guten Ausgang haben, solche die schlecht ausgehen und solche, bei denen man nicht weiß, ob das Ende gut war oder nicht. Das Märchen, so heißt es, spiegelt die Probleme der Alltäglichkeit auf einer symbolischen Ebene wider und zeichnet sich meist dadurch aus, dass der Held oder die Heldin, in der Regel aber ein Adoleszent, eine geistige, moralische oder sonst wie geartete Entwicklung durchmacht, an deren Ende sich die Gewissheit des guten Gelingens bestätigt und der Leser sich in Zuversicht der moralischen Erkenntnis zurücklehnen darf. Dass es auch anders geht, zeigt beispielsweise das Märchen vom Fischer und seiner Frau. Hier siegt am Ende bestenfalls die Einsicht, dass Wohlstand den Menschen nicht bessern kann; also sind auch solche Märchen, die schlecht ausgehen, eigentlich gute Märchen. Was beide Arten nun verbindet ist demnach die oft zitierte „Moral der Geschichte“, die uns den Alltag zu meistern helfen soll.

Wie verhält es sich nun bei der Sorte von Märchen, die nicht entscheidbar gut oder schlecht enden? Ist die zu ziehende Lehre dort nicht von moralischer Bedeutung? Oder lässt sich über ein Ende vielleicht gar nicht sprechen? Worüber denn aber dann? Mit ziemlicher Sicherheit lässt sich der Blick auf den Anfang der Erzählung richten, der, für Geschichten dieses Genres üblich, mit den unsterblichen Worten der Gebrüder Grimm, beginnt:

Es war einmal, vor langer Zeit, …

Es war ein langer Weg – 34 Jahre um genau zu sein – bis das wohl größte Weltraumkinoepos aller Zeiten mit „Die Rache der Sith“ zu einem Abschluss, aber nicht unbedingt zu einem Ende gekommen zu sein scheint. 1971 begann George Lukas mit den Arbeiten am Drehbuch zum KRIEG DER STERNE, der 6 Jahre später, entgegen der vorherrschenden Meinung, Millionen von Zuschauern in die Kinos locken sollte. Seit dieser Zeit gehört die StarWars-Trilogie (mit den 1980 und 1983 erschienen Fortsetzungen) zu den markantesten Filmprojekten in der Geschichte des Kinos und hat auch bis heute nichts von seiner Präsenz und ikonographischen Tragkraft eingebüßt.

Die beiden darauf folgenden Prequels („Die Dunkle Bedrohung“ (1999) und „Angriff der Klonkrieger“ (2000)) schienen allerdings nicht an die Erfolge der ersten Teile anknüpfen zu können und trafen weder den Charme noch die Originalität der Episoden IV-VI. Zu sehr war der ewig unzufriedene Lukas damit beschäftigt die Drähte der „Skywalker-Ranch“ heißlaufen zu lassen, so dass er den Bogen von Technik und Handlung bis ins Unerträgliche überspannte. Manch ein Kinobesucher hätte sich dabei etwas weniger ILM (Industrial Light & Magic) und etwas mehr George Lukas gewünscht. Dennoch waren beide Teile wichtige Glieder im Großprojekt StarWars, welche die bis dahin im Dunklen verbliebenen Ursprünge von Skywalker und Co. langsam auf den Wendekreis der Macht zusteuern ließen, dem die Jedis, aus handlungstechnischer Sicht, irgendwann einmal vor langer Zeit, in einer weit weit entfernten Galaxis … gegenüber gestanden haben mussten.

War die Trilogie noch der „Ödipus-Teil“ (Georg Seeßlen, Die Zeit 20/05) des Epos’, in dem sich die Kinder gegen den übermächtigen Vater behaupten mussten, so stellten die Prequels den Weg zur Dunklen Seite der Macht dar, der in der lange erwarteten und kritisch beäugten dritten Episode der StarWars-Saga nun abgeschlossen wird. Der Idealist Lukas verdichtet hier, die bis dahin offene Geschichte um ödipale Vater- und Sohn-Figuren zu einer geschlossenen Erzählung und klärt die wohl brennendste aller Fragen im Lukas-Universum: Wie wird Anakin Skywalker zu Darth Vader?

… in einer weit weit entfernten Galaxis

Im dritten Teil des Weltraumepos‘ toben noch immer die Klon-Kriege. Obi-Wan Kenobi und Anakin Skywalker begeben sich inmitten des Chaos‘ auf eine Rettungsmission, bei der sie den gekidnappten Kanzler Palaptin zu retten versuchen. Dies bildet den Auftakt zu einer 140minütigen tour de force durch Raumschlachten, Schwertkämpfe, eine Verschwörung, den Fall der Republik und den finalen alles entscheidenden Kampf zwischen Gut und Böse. Der Held der Geschichte gerät dabei in einen inneren Konflikt, der von beiden Seiten durch Intrigen und Missverständnisse geschürt wird. Warum wird Skywalker aber zum Inbegriff des Bösen? Kommt Hochmut vor dem Fall? Ist Verzweiflung oder Habgier der Grund? Oder gibt das Streben nach Macht den Ausschlag? Soviel sei zumindest an dieser Stelle schon verraten: Der Grund ist eine Frau.

Doch gibt es noch eine Episode III jenseits der Handlung; sie ist in den unzähligen Spezialeffekten, Tricks und virtuellen Realitäten zu finden, die dem Film seine eigene Ästhetik verleihen und die jedem Liebhaber von außergewöhnlichen Bildern ein nicht enden wollendes Szenario mannigfaltiger Dinge und Kreaturen darbieten, das alles bisher in diesem Bereich dargebotene weit überragt.

Die Helden des technischen Zeitalters

Die Rache der Sith“ gibt nicht zuletzt wegen seiner Technik-Verliebtheit Anlass zu einer literarischen Engführung mit Edgar Allan Poes „The man that was used Up“ – Der Held des technischen Zeitalters. Der Erzähler macht dort die Bekanntschaft des charismatischen Brigadegenerals John A.B.C. Smith, der, wie sich schlussendlich herausstellt, vollkommen aus technischen Prothesen, also einem zerstückelten Körper, besteht. Zum einen lässt sich das Phantasma des „zerstückelten Körpers“ auf der narrativen Ebene in der Figur des Darth Vader festmachen. Dieser ist – und daraus wird seit Episode VI kein Hehl gemacht – eine Maschine und kein Mensch mehr. Wie es dazu kam erzählt sowohl General A.B.C. als auch Skywalker. Die Kamera folgt ihm bei allen Helden- und Schandtaten und schließlich auch bei seiner „Verwandlung“ zu Vader.

Auf der anderen Seite lässt sich George Lukas in seiner Funktion als „Prothesengott“ inthronisieren, da er als Inhaber der Firma ILM nicht nur für die Spezialeffekte verantwortlich ist, sondern auf einer historischen Ebene auf eine Reihe von Innovationen im Virtual-Reality-Bereich zurückblicken kann, die seinerzeit einen Meilenstein der Technikgeschichte des Kinos markierten. In seiner Vorreiterrolle als Filmemacher nimmt er den Platz in der Hall of Fame der Helden des Technischen Zeitalters ein; und diesem schuldet der General bei Poe letztlich die Güte seiner Prothesen und damit auch seine Existenz.

Schließlich birgt die narrative Ebene in Poes Erzählung wiederum eine tiefe Überschneidung im Hinblick auf die nunmehr 30jährige Geschichte von StarWars selbst, denn Lukas setzt mit Episode III zweifelsohne den dramaturgischen Höhepunkt des Epos’. Dieser schließt aber nicht etwa mit der Rehabilitierung des sterbenden Vaters, sondern mit der Rache der Sith als chronologisch letzter, technisch aufwendigster und handlungsmäßig aufklärendster Episode und markiert gleichzeitig den Schlusspunkt der Saga, die sich längst nicht mehr auf die reine Fortführung ihrer Handlung reduzieren lässt.

„George Lukas verfolgte seit der ersten Auseinandersetzung mit dem Thema eine Strategie des Aufschubs und der Zerteilung; er arbeitet genau auf diesen letzten Moment hin, der das Epos schließt und den Zuschauer erneut auf eine Kreisbahn um den Planeten schießt. Denn was den Poe’schen Erzähler besonders auszeichnet – und darin liegt seine Gemeinsamkeit mit dem Zuschauer – ist die Suche nach einem vollständigen Bild der Umstände, das sich paradoxerweise erst im Anblick des zerstückelten Körpers realisiert. Der unglaubliche Erfolg von StarWars ist nicht zuletzt mit dieser Einbeziehung des Zuschauers zu erklären: Erst im Zuschauer konnte das Phantasma der Zerstückelung (nach Lacan) seinen Anfang nehmen, erst im Betrachter weitet sich die Erwartung eines vollständigen Bildes zum Symbolsystem und schließlich zum Kult aus, der Millionen von Menschen in seinen Bann zu ziehen vermag.

Ende gut?

Trotzdem gibt „Die Rache der Sith“ nur teilweise Anlass zur Freude. Auf der einen Seite kommt eine unendliche Geschichte nun doch noch zu ihrem Abschluss: Die Story wird konsistent zu Ende geführt, die Charaktere erhalten alle ihre vorherbestimmte Rolle, George Lukas schafft die perfekteste aller StarWars-Realisierungen und der Zuschauer bekommt sein großes Ganzes in einer glanzvollen Si-Fi-Ästhetik serviert. Dennoch wird mit dem schleißen des Mythos ein Stück der Faszination zerstört, die von der Trilogie bis dahin immer ausgegangen war, denn mit dem Blick auf die Tatsachen stirbt das Mystische. Stattdessen vollendet sich der Kreis dort, wo zuvor das Fantastische (weil unerklärbare) war.

Darum hat das Märchen um Vater und Sohn weder einen guten noch einen schlechten Ausgang. Es gibt keine Moral der Geschichte, oder eine Lehre die zu ziehen wäre; es gibt bestenfalls eine Leere die den Betrachter beschleicht, wenn das Bild sich vervollständigt und er plötzlich merkt, dass die Symbole, an die man sich so gerne klammert, nur allzu fantastisch waren.

Star Wars – Episode III: Die Rache der Sith
(USA 2005)
Regie: George Lukas, Drehbuch: George Lukas und Jonathan Hales, Musik: John Williams
Darsteller: Ewan McGregor; Natalie Portman; Hayden Christensen; Ian McDiarmid; Samuel Jackson; Christopher Lee; Frank Oz
Verleih: Twentieth Century Fox
Länge: 140min.

Florian Reinacher

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