Die disziplinierte Rebellion

Sahara, USA/Spanien 2005, Breck Eisner

Wenn die Amerikaner sich mit einer (historischen) Mission in den Orient oder, ganz allgemein, in die dritte Welt begeben, sind sie meist nach modernsten Vorgaben bewaffnet und in reguläre militärische Einheiten organisiert. Im Kino sieht es dann häufig etwas anders aus: Schon Rambo kämpfte in Vietnam als Einzelgänger mit primitivsten Waffen gegen die feindlichen Hubschrauber. In „Sahara“ sind es wieder die Einheimischen, die über die überlegene Kriegstechnik verfügen, während die Amerikaner sich auf Guerillataktiken verlassen müssen. Ursprünglich sind die amerikanischen Helden im Film jedoch gar nicht als Krieger unterwegs, sondern als unabhängige Forscher und Abenteurer, die aber ganz nebenbei immer die Interessen ihres Landes zu verteidigen wissen, die (ebenfalls ganz zufällig) mit Interessen der ganzen aufgeklärten Menschheit übereinstimmen.

Formal sind die beiden abenteuerlustigen Helden und engsten Freunde, Dirk Pitt (Matthew McConagughey) und Al Giordino (Steve Zahn), allerdings nicht ganz ungebunden, sondern sie unterstehen der fiktiven Organisation NUMA (National Underwater and Marine Agency), die gewagte Schatzsucheexpeditionen auf der ganzuen Welt unternimmt. Der Rahmen des von ihrem Chef (William H. Macy) befohlenen und erlaubten wird aber bald gesprengt – fast gleichzeitig mit dem Satellitentelefon, das ein halsbrecherisches Wassergefecht nicht übersteht, worauf auch der verbale Kontakt mit der leitenden Instanz vorerst abbricht. In der Tat ist fast jeder Abenteuerfilm eine Geschichte der Abnabelung von den Autoritäten, die in einer Reihe von anarchischen Abenteuern zunächst aufwendig inszeniert wird, um dann am Schluss doch zurückgenommen zu werden: Denn die anarchische Freiheit wird von den Helden nur gebraucht, um die Interessen seiner symbolischen Väter umso erfolgreicher verteidigen zu können. Es geht also um eine disziplinierte Rebellion, die wenig Sprengkraft hat (mögen dabei auch so viele Objekte mittels special effects in die Luft gehen). Eine metaphorische Verbindung zum „Gesetzt des Vaters“ schafft auch die begehrte Trophäe, die zum Auslöser der Abenteuerkette wird, und zwar: ein verschollenes Kriegsschiff aus den Zeiten des amerikanischen Bürgerkrieges, das auf eine geheimnisvolle Weise in Afrika aufgetaucht sein soll. Wie schon die Bundeslade mit der historischen Tora im ersten Teil der Indiana Jones Trilogie, erfüllt das sagenumwobene Schiff in „Sahara“ die Funktion eines fetischisierten Symbols für die Rückkehr zur Tradition. So wird die Abenteuerjagd zur Suche nach eigener Identität im Rahmen der vermeintlich ewigen Ordnung, die meistens mit dem Gründungsakt einer nationalen bzw. religiösen Gemeinschaft in Verbindung steht.

Aber „Sahara“ zelebriert nicht nur die immer wiederkehrenden Rituale der (Abenteuer)Filmgeschichte, sondern offenbart auch deutliche Bezüge zur aktuellen Weltpolitik. Der wichtigste Antagonist der beiden amerikanischen Schatzsucher ist nämlich der französische Geschäftsmann Yves Massarde (Lambert Wilson), der sich um ein weltmännisches Auftreten bemüht, gleichzeitig aber hinterhältige Pläne schmiedet und mit dem afrikanischen Diktator Kazim (Lennie James) sich gegen dessen Volk verschwört. All das könnte eine Anspielung auf den französischen Einfluss im Maghreb sein: Frankreich wird ja oft beschuldigt, von den afrikanischen Bürgerkriegen ökonomisch zu profitieren, da der früheren Kolonialmacht auf diese Weise der Zugriff auf die Erdöl- und Erdgasquellen gesichert bleibe. Der Tycoon Massarde scheint es aber noch weiter zu treiben: Er richtet mitten in der Wüste eine Giftmülldeponie ein, die gemeinerweise als ökologisch einwandfreie Solaranlage getarnt ist. Was dem propagierten Umweltschutz dienen soll, entpuppt sich als eine katastrophale Umweltbedrohung, die natürlich nur durch die amerikanischen Abenteurer neutralisiert werden kann. Das könnte man wiederum als einen ironischen Hinweis auf das Kyoto-Protokoll verstehen, das diverse ökologische Maßnahmen vorsieht und von allen EU-Ländern ratifiziert wurde. Die USA beabsichtigen in der absehbaren Zeit dagegen keine Ratifizierung, die unter Clinton noch möglich schien. Dementsprechend entlarvt der Film auf symbolischer Ebene die (ungewünschten) ökologischen Absichten der EU als Perfidie, die erst recht zu einer globalen Katastrophe führen könnte, wenn die USA mal nicht aufpassen.

Ähnlich symbolträchtig wird auch die einzige weibliche (Haupt)Figur im Film aufgebaut – Dr. Eva Rojas (Penélope Cruz), die als Ärztin in Afrika unterwegs ist und schon von Anfang an die Seite von Pitt und Giordino einnimmt (der erstere rettet ihr darüber hinaus das Leben). Allerdings hat auch der Franzose Massarde ihr gegenüber seine Pläne: Er möchte die attraktive Frau zu seinen Gunsten stimmen, was unter anderem ein Ausbreiten des Geheimnisses um die Mülldeponie, hinter das Dr. Rojas gekommen ist, verhindern würde. Der Kampf um die Frau, die im Dienst der Weltgesundheitsorganisation steht, wird zum Substitut des Kampfes um die Einflussnahme in der UNO, der zwischen den USA und Europa ausgefochten wird.

Was die filmischen Qualitäten von „Sahara“ angeht, erfüllt die Produktion durchaus das Versprechen einer rasanten Unterhaltung, die alle technische und visuelle Register zieht. Dank einer ausgefeilten Schnitttechnik und dem geschickten Einsatz der Kameras, die besonders in den Actionszenen gefährlich nah an die Protagonisten einzoomen, wird die Intensität des Eintauchens in die Filmrealität extrem gesteigert. Tricktechnisch gesehen könnte „Sahara“ tatsächlich ein Abenteuerfilm „für das 21. Jahrhundert“ sein, was sich allerdings kaum von seinen beiden Helden behaupten lässt, die ein klischeehaftes Buddy-Paar bilden. Während aber Steve Zahn als gewitzter Giordino seiner Figur noch gewisse moderne Ausstrahlung verleihen kann, scheint der Superman Pitt fast einer Mottenkiste entnommen zu sein, die auch auf dem mysteriösen Bürgerkriegsschiff stehen könnte.

Sahara
(USA 2005)
Regie: Breck Eisner; Buch: Thomas Dean Donnelly; Kamera: Seamus
McGarvey; Musik: Clint Mansell
Darsteller: Matthew McConaughey, Steve Zahn, Penélope Cruz, Rainn
Wilson, Lambert Wilson u.a.
Länge: 124 Minuten
Verleih: Universum Film

Ekaterina Vassilieva-Ostrovskaja

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