Die gelbe Gefahr

Der mysteriöse Dr. Fu Man Chu darf sicherlich als einer der schillerndsten Bösewichter der Filmgeschichte angesehen werden, der zahllose ihm nachfolgende Superschurken – besonders eklatant sicher die megalomanischen Gegner James Bonds – inspirierte. Erdacht wurde die Figur vom britischen Kriminalautor Sax Rohmer (1883 – 1959), der zwischen 1913 und 1959 insgesamt 13 Romane um den diabolischen Asiaten verfasste. Bereits 1914 erschien mit „The mysterious Wu Chung Foo“ der erste Stummfilm mit deutlichen Fu-Man-Chu-Bezügen. Der erste Film, der sich ganz offen auf ein Buch Rohmers bezog, war „The yellow claw“ von 1921, auch hier trat Fu Man Chu aber noch nicht namentlich auf.

Es dauerte bis 1923, bis Harry Agar Lyons den sinistren Schurken in „The mystery of Dr. Fu Man Chu“ und in Folge in „The further mysteries of Dr. Fu Man Chu“ verkörperte. Warner Oland, bekannt aus den Charlie-Chan-Filmen, setzte die Tradition der Fu-Man-Chu-Filme in den späten 20er-Jahren fort und spielte diese Rolle insgesamt drei Mal, bevor er für „Die Maske des Fu Man Chu“ 1932 einem der größten Filmstars seiner Zeit Platz machen musste: Boris Karloff. Einzelne Filme mit wechselnden Darstellern und unterschiedlicher Herkunft folgten, bis der findige Produzent Harry Alan Towers die Figur in den 60er-Jahren für eine Reihe europäischer Koproduktionen wieder ausgrub, diesmal gespielt von Christopher Lee, der sich mit seiner unsterblichen Verkörperung des Grafen Dracula für die Rolle des Bösewichts geradezu aufgedrängt hatte. Diese Reihe von insgesamt fünf Filmen liegt nun in einer ansehnlichen Box von Kinowelt komplett auf DVD vor.

fu-man-chu.jpgBei diesen Filmen handelt es sich im Einzelnen um „Ich, Dr. Fu Man Chu“ (1965), „Die 13 Sklavinnen des Dr. Fu Man Chu“ (1966), „Die Rache des Dr. Fu Man Chu“ (1967), „Der Todeskuss des Dr. Fu Man Chu“ (1968) sowie „Die Folterkammer des Dr. Fu Man Chu“ (1969). Innerhalb dieser Serie ist die Entwicklung des europäischen Unterhaltungskinos in dieser Zeit sehr gut zu beobachten: Erkennt man in den ersten beiden Filmen (Regie: Don Sharp) noch deutlich den Versuch, den Stil der preisgünstigen, aber immens erfolgreichen Edgar-Wallace-Filme mit dem der ungleich aufwändigeren James-Bond-Filme zu verknüpfen (London als Haupthandlungsort, sanfte fantastische Elemente auf der einen, der Hang zum Exotismus auf der anderen Seite), so wird mit dem dritten Eintrag (Regie: Jeremy Summers) schon der erste Schritt Richtung Eurotrash gemacht. Eine Entwicklung, die dann mit den beiden letzten Einträgen, für die der umtriebige und einschlägig bekannte Jess Franco verantwortlich zeichnet, mit viel Verve zum Abschluss gebracht wird.

Die Story der Filme unterscheidet sich jeweils nur in Details: Dr. Fu Man Chu tritt mit einem meist sehr absurden Weltbeherrschungsplan auf und findet in seinem Erzfeind Nayland Smith vom Scotland Yard seinen Gegner, der im Verlauf des Films mit seinem Partner Dr. Petrie (Howard Marion Crawford, neben Christopher Lee als Fu Man Chu und Tsai Chin als dessen Tochter Lin Tang eine der darstellerischen Konstanten der Serie) und einem durch die Verbrechen des Chinesen Betroffenen Jagd auf den Schurken macht. Zum Running Gag der Serie wird dabei die Unverwüstlichkeit des Doktors: Schon „Ich, Dr. Fu Man Chu“ beginnt mit seiner Enthauptung, die er jedoch durch ein Täuschungsmanöver überlebt (statt seiner wird ein Doppelgänger hingerichtet), und jeder Film endet mit der spektakulären Explosion seines Stützpunktes. Der von den Helden geäußerten Hoffnung, dass er nun endlich tot sei, entgegnet die Stimme Fu Man Chus aus dem Off sofort Gegenteiliges. Sein Spruch „Ich, Dr. Fu Man Chu, lebe!“, wird zur catchphrase der Fu-Man-Chu-Reihe.

Der diagnostizierte Wandel der Reihe lässt sich daher weniger auf die Handlung, denn auf Äußerlichkeiten zurückführen: Die braven Helden Joachim Fuchsberger und Heinz Drache, die Bindeglieder zu den Wallace-Filmen, weichen im dritten Teil einem im Dienst des organisierten Verbrechens agierenden, zwielichtigen kleinen Gauner, gespielt von Horst Frank, und einem rauhbeinigen Nachtclub-Besitzer (Peter Carsten). Jess Francos erster Beitrag zur Serie weiß immerhin noch Götz George als Strahlemann aufzubieten, „Folterkammer“ verzichtet hingegen ganz auf eine attraktive männliche Identifikationsfigur. Das gemütliche Tempo der ersten beiden Teile weicht immer mehr dem großen Spektakel, die betuliche Inszenierung der chaotischen Sprunghaftigkeit und Aneinanderreihung von Attraktionen. Vergleicht man den ersten und den letzten Film stilistisch miteinander, so wird man kaum noch einen gemeinsamen Nenner finden.

Wo vorher beschauliche Gediegenheit herrschte, gibt es nun holprige Schnitte, schlecht einkopiertes Archivmaterial, wiederverwertete Szenen und andere inszenatorische Täuschungsmanöver, die das kleine Budget notdürftig kaschieren sollen. Garniert wird das Ganze unter Jess Franco mit einer gut verkäuflichen Prise Sex & Gewalt: Wo die „13 Sklavinnen“ trotz der Verheißungen und Assoziationen des Titels noch stets keusch und tugendhaft bleiben, werden in „Todeskuss“ gleich in der ersten Einstellung in zerrissene und verdreckte Fetzen gehüllte und aneinander gekettete Frauen dekorativ durch den Urwald gepeitscht und halbnackte Schönheiten winden sich in sexueller Ekstase auf dem Boden.

Die Fu-Man-Chu-Reihe von Harry Alan Towers darf als historisch nicht uninteressanter Eintrag in die Annalen des europäischen Exploitation-Kinos bezeichnet werden. Dennoch merkt man ihr jederzeit an, dass die Figur des chinesischen Schurken und die mit ihr assoziierte gelbe Gefahr eigentlich schon in den Sechzigern überholt waren. Wo in den Plänen der ähnlich gelagerten James-Bond-Schurken immer auch reale wirtschaftliche Interessen mitschwangen oder neuartige technische und ökologische Bedrohungen aufgegriffen wurden, da bleibt Fu Man Chu stets der irrational diabolische Schwarze Mann, sind seine Pläne jederzeit in den Bereich der Fantasie zu verweisende Absurditäten ohne wirklich reale Bezüge. Insofern weisen sie zurück in die Zeit, in der Sax Rohmer seine ersten kleinen Schundromane verfasste, eine Zeit, in der China noch die ideale Projektionsfläche für allerhand diffuse Ängste war und nicht boomendes Wirtschaftsland wie heute.

 


Zur DVD-Box von Kinowelt

Auf den DVDs liegen die integralen Fassungen vor. Zwischen deutschen und internationalen Versionen bestand bei nahezu allen Filmen ein minimaler Laufzeitunterschied, der darauf zurückzuführen war, dass die deutschen Versionen über zusätzliche Handlungsszenen verfügte. Da die den DVDs zugrunde liegenden Master auf den gekürzten Fassungen beruhen, kommt es bei den eingefügten zu deutlichem Qualitätsverlust, der aber zu verschmerzen ist, da diese Szenen wie gesagt sehr kurz und auch nicht besonders wichtig sind. Ansonsten sind Bild- und Tonqualität einwandfrei, vor allem „Die Rache des Dr. Fu Man Chu“ leuchtet in den schönsten Farben. Die DVDs verfügen darüber hinaus über zahlreiche Extras, von denen man aber nicht zu viel erwarten sollte. Dennoch merkt man der Box an, dass sie mit viel Liebe zusammengestellt wurde. Der Sinn von ellenlangen Schrifttafeln, auf denen die Filmhandlung nacherzählt wird, muss sich trotzdem nicht erschließen. Die DVDs enthalten jeweils zwei Fassungen der Filme.

Zur Ausstattung der DVDs:
1) Ich, Dr. Fu Man Chu (The Face of Fu Manchu), 1965
Bild: 2,35:1
Ton: Deutsch, Englisch (Mono Dolby Digital)
Länge: 92 Min. (83 Min.)
Extras: Interview + Biografie Karin Dor, Fotogalerie, Texttafeln, Trailer FSK: Ab 12

2) Die 13 Sklavinnen des Dr. Fu Man Chu (The Brides of Fu Manchu), 1966 Bild: 1,85:1
Ton: Deutsch, Englisch (Mono Dolby Digital)
Länge: 90 Min. (81 Min.)
Extras: Interview mit Christopher Lee, Werbung
FSK: Ab 16

3) Die Rache des Dr. Fu Man Chu (The Vengeance of Fu Manchu), 1967
Bild: 1,85:1
Ton: Deutsch, Englisch (Mono Dolby Digital)
Länge: 88 Min. (80 Min.)
Extras: Interview mit Maria Rohm + mit Christopher Lee (Text), Wer hat Angst vor Fu Man Chu?
FSK: Ab 16

4) Der Todeskuss des Dr. Fu Man Chu (The Blood of Fu Manchu), 1968
Bild: 1,77:1
Ton: Deutsch, Englisch (Mono Dolby Digital)
Länge: 90 Min. (78 Min.)
Extras: Interview mit Maria Rohm (2. Teil), Alles über Götz George (Text)
FSK: Ab 16

5) Die Folterkammer des Dr. Fu Man Chu (The Castle of Fu Manchu), 1969
Bild: 1,77:1
Ton: Deutsch, Englisch (Mono Dolby Digital)
Länge: 88 Min. (80 Min.)
Extras: Fu Man Chu anno 1969, Deutscher Kinovorspann
FSK: Ab 12

Preis: 27,90 Euro

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