Der Wille zum Krach

Sean Jones (Nathan Phillips) beobachtet, wie der Schwerverbrecher Eddie Kim einen Staatsanwalt umbringt. FBI-Agent Neville Flynn (Samuel L. Jackson) soll dem wichtigen Zeugen Geleitschutz auf dem Flug von Hawaii nach L.A. geben, wo er gegen den Bösewicht aussagen soll. Dessen Mordanschläge misslingen und so greift er zum Äußersten: Er setzt eine Horde giftiger Schlangen an Bord des Flugzeugs aus, die er mit einem Duftstoff zusätzlich aggressiv macht …
 
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Über „Snakes on a Plane“ zu schreiben, ist unmöglich, ohne auf den Internet-Hype einzugehen, der diesen Film seit der ersten Bekanntgabe des Titels umgibt. Tatsächlich scheint „Snakes on a Plane“ nur für seinen Titel zu existieren, einen Titel, der in wenigen Worten die ganze absurde Handlung erzählt und sich dabei noch möglichst gut anhört. „Snakes on a Plane“ – das wäre früher ein Film fürs Autokino gewesen oder für die Videokassette, die sich mit etwas Glück zum Verleihhit emporgeschwungen hätte. Man fühlt sich ein wenig an die Blütezeit der Grindhouse-Kinos erinnert, in der das schicke Filmplakat und und der reißerische Titel nicht selten vor dem Film da waren und dieser nur gedreht wurde, damit man einen Grund hatte, irgendwo das Plakat aufzuhängen. Da mutet es schon etwas befremdlich an, wie um diesen Film bzw. Titel plötzlich eine riesige Marketingkampagne aufgezogen wird, die sich sehr selbstbewusst darauf verlässt, dass es genug Nerds gibt, die einen vorgeblich blöden Film sehen wollen. Einen Film, der nur für sie gemacht wurde und der keinen Hehl daraus macht, dass er sich selbst nicht besonders Ernst nimmt. Ein potenzieller B- oder gar C-Film wird so plötzlich zum Hollywood-Blockbuster, zum echten Event. So zumindest dürfte der Plan ausgesehen haben.
 
Schwer zu sagen, was sich der Schöpfer des Titels dachte, als er die mittlerweile berühmte Wortfolge erdachte, der fertige Film wird dem Konzept – wenn man das denn so nennen möchte – jedoch mehr als gerecht. Die hauchdünne Handlung dient lediglich dazu, den Zuschauer möglichst schnell mit den Schlangen ins Flugzeug zu verfrachten – bezeichnenderweise wird im Presseheft kein Drehbuchautor genannt. Die lehrbuchmäßige Einführung der Opfer- und Heldenriege dauert keine Minute zu lange, damit genug Zeit übrig bleibt, Kobras, Vipern, Nattern und Klapperschlangen dekorativ durchs Bild gleiten, sie in Ärsche, Schwänze, Augen, Zungen und Brüste beißen zu lassen und damit Frauen, Männer, Kinder und Hunde ins Jenseits zu schicken. Das macht Spaß, ist ordentlich inszeniert, teilweise unerwartet heftig und mit dem ein oder anderen gelungenen Schock verbunden – durchaus das, was man als gutes Popcorn-Kino apostrophieren würde.
 
Was jedoch fehlt, das ist der ganz große Irrsinn, den man mit dem Titel sofort assoziiert. Regisseur David R. Ellis ("Final Destination 2"), der Ronnie Yu in der Pre-Production ersetzte, ist ein solider Handwerker, der diesen Film jedoch wahrscheinlich eher als Rückschritt begreifen wird. Das sieht man dem Film an. Man vermisst die Hingabe, die Liebe zum Trash, den Willen, so richtig auf die Kacke zu hauen. „Snakes on a Plane“ ist letztlich nicht dümmer als der durchschnittliche Hollywood-Action-Film. Man muss Ellis zu Gute halten, dass er sein Ding sehr straight durchzieht und ohne große Kaspereien über die Runden kommt. Doch leider wird das vorhandene Vergnügen durch die Erkenntnis getrübt, dass hier ein wirklich große Chance vertan wurde: nämlich die, innerhalb des Studiosystems einen gigantischen Exploiter zu drehen, einen Film, an den keinerlei Ansprüche in Sachen Plausibilität oder Geschmackssicherheit gestellt wurden, von dem man im Gegenteil geradezu erwartete, dass er möglichst unplausibel und over the top daherkommt. Vielleicht ist „Snakes on a Plane“ aber gerade daran gescheitert: Das Chaos ist eben nicht planbar.
(Snakes on a Plane, USA 2006)
Regie: David R. Ellis, Drehbuch: John Heffernan, Sebastian Gutierrez, Kamera: Adam Greenberg, Musik: Trevor Rabin, Schnitt: Howard Smith
Darsteller: Samuel L. Jackson, Julianna Margulies, Nathan Phillips, Rachel Blanchard, Flex Alexander, David Koechner
Verleih: Warner Bros.
Länge: ca. 105 Minuten 

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