Der Film „Porndogs“ war eine der großen Überraschungen des diesjährigen, vierten Berliner Pornfilmfestivals: Ein Pornofilm, in dem ausschließlich Hunde mitspielen, sychronisiert von teilweise bekannten Pornofilmstars. Nach dem Festival hat Stefan Höltgen mit dem Regisseur Greg Blatman gesprochen und ihn über den Produktionshintergrund und die Rezeption von „Porndogs“ befragt.
F.LM: Wie sind Sie auf die Idee, einen Pornofilm mit Hunden zu machen, gekommen?
Greg Blatman: Ein Freund von mir hat eine Webseite erstellt, über die Pornofilme vermietet und verkauft werden sollten und ich habe ihm bei der Entwicklung einer Marketing-Strategie geholfen. Als wir deswegen einmal miteinander telefonierten, unterhielten wir uns über den Inhalt der Seite, also welche Filme auf der Seite angeboten werden sollten. Bei diesem Thema konnte ich ihm nicht helfen, weil ich keine Pornofilm gucke – ich habe da keine moralischen Gründe, ich finde sie einfach langweilig. Und so witzelte ich, dass, wenn es einen Pornofilm, in dem nur Hunde mitspielen, gäbe, ich den sofort anschauen würde … wir könnten den ja „Porndogs“ nennen. Es wurde am anderen Ende der Leitung ziemlich still, bis ich sagte: „Hey, das ist keine schlechte Idee.“ Ich hatte seit einiger Zeit nach einem Thema für eine Low-Budget-Produktion gesucht und plötzlich hat sie mich förmlich angebellt. Später habe ich die Idee dann einer Freundin, die Produzentin ist, vorgestellt und sie hat sie sofort geliebt. Aber Tags darauf, nachdem sie sich schon für das Projekt verpflichtet hatte, rief sie mich an und machte einen Rückzieher. Ich habe sie natürlich gefragt, warum. Offenbar hatte sie ihrem besten Freund davon erzählt, dass sie an so etwas mitarbeiten würde und wurde augenblicklich vor ihm verstoßen. In dem Moment begann ich das Potenzial des Films zu realisieren – wenn schon die bloße Idee derartig starke Reaktionen hervorrufen konnte …
F.LM: Und wie lief dann das Casting ab? Wie konnten Sie menschliche Schauspieler für die Synchro finden und welche Reaktionen gab es da?
Greg Blatman: Das schönste an der Produktion von „Porndogs“ war festzustellen, dass der Film das Potenzial hatte echte Berühmtheiten anzuziehen … oder zumindest berüchtigte Promis, die es lieben etwas Kontroverses auf die Beine zu stellen. Weil ich ja nur Synchronsprecher gesucht hatte, gab es die Möglichkeit ein paar große Namen an Land zu ziehen, ohne denen Unmengen Gage für Dreharbeiten zahlen zu müssen. Ich habe Lindsay Chag, eine bekannte Hollywood-Besetzungschefin angeheuert, die von Philip Seymore-Hoffman bis zur Ex-Pornoqueen Traci Lords schon alle möglichen Darsteller gecastet hat. Daher wusste ich, dass sie nicht nur Zugriff auf geeignete Sprecher hatte, sondern sich auch nicht vor Kontroversen fürchtete.
F.LM: Und nach welchen Kriterien haben sie die Sprecher dann für die jeweiligen Hunde ausgesucht?
Greg Blatman: Die Rollen waren alle Type-Cast, entweder um rassistische oder ethnische Stereotype auszuschlachten oder die Persönlichkeit und das Erscheinungsbild der Hunde zu ergänzen. Wir haben uns entschieden, Marilyn Chambers für die Synchronisaton der Hauptrolle anzufragen, das hatte mehrere Gründe: Sie ist gleichermaßen berühmt und berüchtigt, sie ist blond (Sadie ist ein gelber Labrador), sie hat ganz sicher keine Angst vor kontroversen Rollen und sie ist natürlich eine sehr begabte Schauspielerin – auch jenseits ihrer Arbeit in der Porno-Branche. Sadie hat im Film einen unschuldigen Charakter und stolpert ganz naiv von einem Sexabenteuer ins nächste. Das ähnelt schon in gewisser Weise den Rollen, die Marilyn in ihren berühmtesten Pornos „Behind the Green Door“ und „Insatiable“ gespielt hat.
F.LM: Einen Pornofilm mit Hunden zu drehen, stellen wir uns technisch schwierig vor. Wie war das am Set mit den Tieren?
Greg Blatman: Auf diese Frage gibt es keine kurze Antwort. Da muss ich erst einmal erklären, wie die Produktion gestaltet war. Normalerweise wird ein Film nach einem Skript gedreht. Alles, was darin aufgeschrieben ist, wird auch gespielt. Danach wird dann alles aus verschiedenen Blickwinkeln gedreht um für den Schnitt Kontinuität zu ermöglichen. Bei einem Film, in dem nur Hunde spielen, gibt es keine Möglichkeit nach einem Drehbuch zu drehen. Also habe ich die Produktion von „Porndogs“ so wie bei einem Animationsfilm gestaltet: Dort beginnt man mit einem Skript, lässt daraus die Dialoge einsprechen, schneidet die Tonspur und erst dann fängt man mit den Animationsarbeiten an, damit die zu den Dialogen passen.
F.LM: Und wie haben Sie das Verfahren im konkreten Fall von „Porndogs“ angewandt?
Greg Blatman: Für „Porndogs“ habe ich ebenfalls ein kurzes Drehbuch geschrieben, in dem Settings, die grobe Handlung und ein paar Dialoge enthalten waren um das Timing besser abstimmen zu können. Damit in der Hand haben wir die Hunde dann in die Szenerien gesetzt ohne zu wissen wie nah sie mit ihrer Performance schon an dem von mir entworfenen Skript spielen würden. Ironischerweise habe ich nämlich 90 % ihrer Handlungen schon in meinem Skript vorausgesehen, so das fast alle, was darin stand, sich jetzt auch im Film wiederfindet. Das gedrehte Material war bloß eine Vorlage mit den Details, die im späteren Film auftauchen sollten. Damit im Hinterkopf habe ich dann ein neues Dialog-Skript entworfen, mit dem wir die Dialoge aufgenommen haben. Erst dann war es mir möglich die bereits gedrehten Szenen oder passende Bilder zu den Dialogen zu finden – wie im Zeichentrickfilm.
F.LM: Gab es bei der Produktion irgendwelche Schwierigkeiten – etwa mit der Zensur oder dem Tierschutz?
Greg Blatman: Nun, der Film ist ja eine Parodie über Pornos und die menschliche Sexualität. Was wir nicht erwartet hatten, war, dass der Film dann genauso eine Parodie über die Moralvorstellungen und Werte der westlichen Gesellschaften werden würde. Die Schauspieler-Gewerkschaft war die erste Organisation, die von dem Projekt schockiert war. Aber deren Rechtsabteilung hat uns dann darin zugestimmt, dass es sich bei „Porndogs“ tatsächlich um eine Satire handelt und keine Pornografie darstellt. Einen unserer Produzenten und den Skript-Subervisor haben wir recht früh verloren, weil sie sich ernsthafte Sorgen über die Ethik des Films machten.
F.LM: Und die Reaktionen, nachdem der Film fertig war?
Greg Blatman: Bislang ist der Film nur auf Lachen, Akzeptanz oder Ekelreaktionen gestoßen. Der Ekel war allerdings eher von der positiven Sorte: „Ich kann nicht glauben, dass du mir so etwas zeigst!“ Die meisten Filmfestival-Komitees waren schockiert, aber ich habe von mehrere anderen auch Briefe bekommen, in denen mir mitgeteilt wurde, dass man „Porndogs“ liebt und ihn gern zeigen würde, aber sich nicht traut. Dasselbe bei den Vertrieben – und einige unserer berühmteren Crewmitglieder haben hinterher darum gebeten im Abspann mit Pseudonym genannt zu werden. Ach ja, von Tierschutz-Organisationen haben wir bislang nichts gehört, aber ich sage: Lasst die nur kommen. Die Wahrheit ist doch, dass alle die Tiere, die in dem Film gezeigt werden, mit uns die beste Zeit ihres Leben hatten. Ich meine, denken Sie mal darüber nach: Wir wären doch alle glücklich, wenn man uns bitten würde in einem Porno mitzuspielen. Warum sollten Hunde sich da anders fühlen?
F.LM: Nach dem Screening von „Porndogs“ auf dem Berliner Pornfilmfestival konnte man Stimmen hören, die dem Film einen rassistischen Unterton unterstellten. Immerhin ist Sadie eine blonde Hündin, die ihr Glück erst bei einem blonden (amerikanischen) Hund findet. Der schwarze, der chinesische und sogar der deutsche Hund werden als Sexisten und Sadisten dargestellt.
Greg Blatman: Ich glaube, da hat man meinen Film ganz gut verstanden, aber die Frage ist, ob man die Story so wörtlich nehmen sollte. Natürlich stellen die Hunde rassistische und ethnische Stereotype dar. Sie haben übrigens den homophoben, jüdischen Pornoproduzenten vergessen, der seiner eigenen Mutter befiehlt mit ihm Oralverkehr zu haben, oder den mexikanischen Hund, der von seinen oralen Erlebnissen mit einem Menschen-Jungen erzählt usw. Parodie und Satire! Der tiefere Sinn des Films beschäftigt sich mit den Begriffen „Inhalt“ und „Suggestion“. Einerseits ist „Porndogs“ ein Naturfilm, den man wie eine Folge von „National Geografic“ sehen könnte. Dazu muss man nur die Löwen der Serengeti durch Hunde ersetzen. Aber erst indem wir Porno-Musik, ein paar Requisiten und Dialoge dazu gepackt haben, ist es ein Pornofilm geworden. Die Hunde tun aber immer noch dieselben Sachen miteinander.
F.LM: Das heißt, Sie wollten den Zuschauer mit seinen eigenen rassistischen, sexistischen usw. Erwartungen konfrontieren?
Greg Blatman: Der Witz ist, das wir darauf getrimmt sind unsere Welt durch Bilder und Inhalte wahrzunehmen und davon auch unsere Wirklichkeit bestimmen lassen. Das ist fast schon ein pawlowscher Reflex – hier nur eben mit vertauschten Rollen. Beim Schauen von „Porndogs“ erkennt das Publikum, dass das, was es jeden Tag im Stadtpark sieht, auch als Pornofilm mit Tieren gesehen werden kann. Dasselbe gilt für die rassischen, ethnischen und geschlechtertypischen Stereotype. Zum Beispiel, dass der Hauptcharakter des Films eine unschuldige Hündin ist, die von sexuell erfahreneren Hunden ausgenutzt wird – warum muss das ein gelber Labrador sein? Nun, das Fell dieser Rasse ist nun mal „blond“ und Labradors sind die typischen amerikanischen Familienhunde. Schauen Sie sich den Film „Marly & Me“ an, wenn Sie das nicht glauben. Hätte ich eine Promenadenmischung mit schwarzem Fell genommen, wären der Schockwert und die Kontroversen nicht annähernd dieselben gewesen.
F.LM: Vielen Dank für das Interview.
In Kürze erscheint „Porndogs – The Adventures of Sadie“ als DVD.
Weitere Informationen dazu finden sich auf der Webseite des Films.
Eine Antwort auf „Der pawlowsche Zuschauer“