Der Geist im Getriebe

Das eigensinnige Auto zählt zu den vordersten Fetischobjekten des amerikanischen Traums. Das beginnt bereits in frühester Kindheit mit Walt Disneys „Love Bug“ Herbie, der das Auto als Wunschmaschine und den Automobilismus als Indoktrinationsstrategie prototypisch entwirft und vielleicht gar nicht zufällig im Jahr 1968 erstmalig über die Kinoleinwand raste. Einer aus der konservativen Sicht des Disney-Konzerns wohl zwangsläufig orientierungslos erscheinenden Jugend bot Herbie seinerzeit, ebenso wie wenige Jahre später in seiner etwas piefigeren bundesdeutschen Reinkarnation als postgelber „Käfer auf Extratour“ Dudu, jedenfalls eine überaus reizvolle Utopie an: Man muss überhaupt nicht wissen, wo man hin will: Wenn man nur im richtigen Auto sitzt, führt es einen schon an den zugemessenen Ort im Leben. Die passende Frau, der berufliche Erfolg, der Triumph des kleines Mannes im auf Mikroformat reduzierten Klassenkampf; die Geheimrezepte für all diese Mysterien liegen hinter dem Steuer, das man auch gern mal loslassen und sich einfach der Maschine überlassen darf.

Natürlich konnte dieser Fetisch nicht auf ewig ungebrochen bleiben, und konsequenterweise spitzte sich das Wunschbild vom belebten Automobil eineinhalb Dekaden später zu zwei sehr unterschiedlichen Polen hin zu: K.I.T.T., der aufgerüstete TransAm der TV-Serie „Knight Rider“, war seinem Herrn und Meister Michael Knight stets treu zu Diensten, durchstreifte mit diesem die USA im Auftrag der ominös-vigilantischen Foundation für Recht und Verfassung und verknüpfte so den längst ausgeträumten Hippietraum von der ziel- und endlosen Bewegung als Lebensmodell, Selbstzweck und Emanzipationsgeste mit einer Allgegenwart von Recht und Ordnung; auch und gerade weil die Ordnung im Namen der Foundation und die Foundation im Rahmen der Ordnung keinen rechten Platz mehr hatten. (Und freilich kam auch dieses zweifelsohne porentief reine und gleichwohl auf äußerst zwielichtige Weise zwischen Geheimdienst und Selbstjustiz oszillierend seine allwöchentlichen Runden drehende Superauto nicht ohne seinen bösen Zwilling K.A.R.R. aus, der nicht mehr wie K.I.T.T. Asimovs Gesetzen der Robotik im weiteren Sinne unterworfen, sondern nur noch auf Selbsterhaltung um jeden Preis programmiert war.)

Endgültig ins Dämonische verzerrt wurde das Auto als Wunschmaschine dann von Stephen King, dessen eifersüchtiger Straßenkreuzer „Christine“ im Grunde nur die Utopie des scheinbar harmlosen Disney-Käfers zu Ende dachte und kongenial auf das dämonische Unbewusste der amerikanischen Vorstadtidylle anwandte. Der soziopathische Outsider Arnie Cunningham geht in Kings Roman und Carpenters Film, ganz ähnlich wie Rennfahrer Jim Douglas zu seinem Käfer Herbie, eine Art symbiotische Beziehung zum seinerzeit längst anachronistischen Straßenkreuzer Christine ein, die diesem ermöglicht, Arnie selbst jene tief im Unbewussten vergrabenen Wünsche zu erfüllen, die ihm selbst nicht bekannt sind. Die Transformation des 50er-Jahre-Traumschlittens zur außer Kontrolle geratenen Mordmaschine entspricht dabei der des zwar ob zahlreicher Rückschläge ein wenig jähzornigen, aber dabei grundguten Amerikaners Jim Douglas – im Grunde eines waschechten Frank-Capra-Helden – zum neurotischen, durch eine ähnliche soziale Außenseiterposition allmählich zum psychopathischen Serienkiller avancierenden angry young man Arnie Cunningham.

So gesehen ist die Richtung, in die der eigentlich durchaus begabte französische Regisseur Eric Valette das Motiv vom eigensinnigen Auto führt, im Grunde ein großer Rückschritt. In seinem nachträglich ins 3D-Format konvertierten Trashfilm „Hybrid“ ist es erneut das Andere – ob das Extraterrestrische oder das Animalische, lässt er offen –, mit dem die Protagonisten und die Zuschauer eine (spürbar) lange Nachtschicht in einer Polizeiwerkstatt überleben müssen. Ein tentakelbewehrtes Tintenfischmonster, das sich in Automobile unterschiedlichster Karossen verwandelt; gewissermaßen der beschränkte Bruder von Spielbergs und Bays „Transformers“. (Noch so ein Autofetisch, der schon weit im Präpubertären angewandt werden will und der diesmal gleich maßgeschneidert und vorportioniert in Spielzeugformat gereicht wird: Utopie und Dystopie reichen sich wohl in der mythologisch aufgeblasenen Vorstellung vom Planeten der Autobots ultimativ die Hand, verschlingen sich unentwirrbar ineinander und träumen gemeinsam von der Abschaffung des menschlichen Faktors.)

Hybrid
(USA/Deutschland 2010)
Regie: Eric Valette; Buch: Neal Marshall Stevens; Kamera: John R. Leonetti; Schnitt: James Coblentz
Darsteller: Shannon Beckner, Oded Fehr, Ryan Kennedy, Melanie Papalia, Adrien Dorval, Josh Strait, Tim McGrath u.a.
Länge: 94 Min.

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