Das schwarze Reptil

Die Angst vor dem Anderen, ja das Andere überhaupt, ist die Grunderzählung des Horrorfilms, wenn sie nicht sogar dessen Bedingung der Möglichkeit (vgl. dazu Stefan Höltgen . „And Now For Something Completely Different – Alterität im Horrorfilm” in Splatting Image Nr. 52 / Dezember 2002) darstellt. So auch im vorliegenden Falle, DAS SCHWARZE REPTIL, dem 2. Teil aus der auf 20 DVDs angelegten Hammer-Collection aus dem Hause Anolis Entertainment, der ganz das Einbrechen des (exotisch) Anderen in einer eigentlich vertrauten, provinziellen Gegend schildert. Um ein humanoides Schlangenwesen geht es da, und um die unheilversprechende Exotik des fernen Ostens, aus dem eben jenes Schlangenwesen quasi importiert wurde. Ort des Geschehens ist ein kleines, englisches Dorf namens Cornwall, ebenfalls Schauplatz von PLAGUE OF THE ZOMBIES (Nächte des Grauens, angekündigt für Mai 2004), zur Zeit des 19. Jahrhunderts, in dem der mysteriöse „schwarze Tod“ die Runde macht, der seinem Namen der ungewöhnlichen Hautverfärbung seiner Opfer verdankt. Zwar wird gerne von natürlichen Ursachen gesprochen, eine Aufklärung der mysteriösen Todesreihe somit im Namen provinzieller Harmoniesucht vereitelt, doch möchte Harry Spalding, der erst vor kurzem mit seiner Ehefrau Valerie nach Cornwall gezogen ist, nicht so recht dran glauben, ist doch sein Bruder Charles, dessen Anwesen am Rande eines nahegelegenen Moores er übernommen hat, nur kurz zuvor dem „schwarzen Tod“ zum Opfer gefallen.

Harry forscht also nach den Ursachen, versucht, hinter das Geheimnis der mysteriösen Todesserie zu kommen, trifft dabei aber nur auf abweisende, verschrobene Dorfbewohner, die nur wenig reden wollen, verwirrt-senile Trunkenbolde, die wild zu halluzinieren scheinen und einen so arroganten wie geheimnisvollen Dr. Frankling, der zurückgezogen in einer Villa jenseits des Moores lebt, und natürlich: weitere Todesfälle. Ein mysteriöses, verwirrendes Geflecht also, inmitten dessen Knotenpunkt er sich wiederfindet, ohne aber die einzelnen Fäden voneinander lösen zu können. Doch scheint jener verschlossene Doktor Frankling mehr zu wissen als er zunächst zugibt, ist er doch sichtlich bemüht, so wenig Einblick wie möglich in sein Leben zu gestatten. Allein der örtliche Schankwirt scheint auf der Seite der Spaldings zu stehen.

DAS SCHWARZE REPTIL erzählt eine kleine, aber wirkungsvolle Gruselgeschichte, die sich nicht für die graphische Detailgenauigkeit ihrer dargebotenen Schrecken interessiert, sondern sich vor allem dem Aufbau stetig zunehmender atmosphärischer Dichte verpflichtet fühlt. Das Geheimnis des Films, das Geheimnis von Cornwall überhaupt, wird, in all seinen Facetten, erst weit gegen Ende aufgelöst und beim Namen genannt, zuvor gefällt sich der Film sichtlich darin, den Zuschauer weitgehend im Unklaren zu lassen – seien es die nächsten Ereignisse im Geschehen, seien es die wahren Absichten, die eigentlichen Rollen verschiedener Charaktere. Ähnlich ahnungslos wie Spalding tappst der Zuschauer also durch diesen Film, versucht die einzelnen Puzzleteile zusammenzufügen, scheitert darin und gruselt sich dabei vor allem wohlig-schön ob der Atmosphäre, die der Film mit so klassischen wie wirkungsvollen Mitteln – ein Moor bei Nacht, alte Gemäuer, seltsam-verschrobene Dorfbewohner, eine Prise kolonial-naiver Exotik – aufzubauen versteht. Dabei stößt der Film den Zuschauer aber auch beileibe nicht vor den Kopf, denn allzu komplex erzählt der Film seine Geschichte beileibe nicht. Er bleibt betont geheimnisvoll, das sicherlich, undurchsichtig wird das Geschehen indes nie und fesselt dergestalt seine Zuschauer von der ersten Minute an.

Auch visuell weiß DAS SCHWARZE REPTIL zu überzeugen. Die dezente wie stilvolle Kameraarbeit, wie auch in FRANKENSTEIN SCHUF EIN WEIB (GB 1967; unsere Kritik hier), zeichnet Arthur Grant hierfür verantwortlich, die immer wieder durch die Bezugnahme von Objekten im direkten Bildvordergrund auf Geschehnisse tiefer im Bild ein eigentümliches, räumliches Spannungsverhältnis entstehen lässt, somit vom zerschnittenen Raum, der Entfremdung von der direkten Umgebung erzählt, gießt die Geschichte des Filmes in so schöne wie im Sinne der gruseligen Romantik effektive Bilder. Die für die Horrorfilme der britischen Hammer Studios typisch liebevoll gestalteten Sets, der Blick fürs Detail und die richtige Ausstattung, runden den ästhetisch-nostalgischen Genuß gelungen ab.

DAS SCHWARZE REPTIL mag heutigen Vorstellungen, wie ein Horrorfilm aussieht, wie er seinen Schrecken entwickelt, von was er erzählt, nicht ganz entsprechen, Interesse wird diese DVD-Auswertung vor allem auch eben deswegen vornehmlich bei den Liebhaber und Nostalgikern wecken. Sicherlich ist er auch in der Betrachtung des gesamten Genre-Korpus von nicht allzu großer Relevanz, in einem diesbezüglichen Kanon wäre er – es sei denn, es ginge um die Zusammenstellung eines Hammer-Kanons – wohl ebenfalls kaum anzutreffen. Der Film lohnt dennoch, ohne Zweifel, ist er doch ein rundum gelungenes Beispiel für ohne Wenn und Aber zu unterhalten wissende Genre-Kost, die ihr Anliegen grundsolide zu vermitteln weiß.

Das Schwarze Reptil (The Reptile)
GB 1966
Regie: John Gilling; Buch: Anthony Hinds; Kamera: Arthur Grant; Schnitt: Roy Hyde, James Needs; Musik: Don Banks
Mit: Noel William, Jennifer Daniel, Ray Barrett, Jacqueline Pearce, Michael Ripper, John Laurie, u.v.a.

ZUR DVD

Die DVD von Anolis Entertainment, im Vertrieb von EMS, hinterlässt einen superben Eindruck. Die Bildqualität ist für einen Film diesen Alters erstaunlich gut und besticht durch Schärfe wie ausgewogenen Farbkontrast. Der Ton wirkt im Original etwas „wärmer“ und basslastiger und ist somit der deutschen Tonspur vorzuziehen, die ein minimales Grundrauschen und schwächere Bässe aufweist.

Wie auch schon auf FRANKENSTEIN SCHUF EIN WEIB bekommt man eine Folge der „World Of Hammer“-Serie präsentiert, die sich diesmal vor allem auf das beeindruckend weite Genre-Spektrum der Filme des britischen Kult-Studios konzentriert und vor allem Lust auf neue Entdeckungen macht. Ferner gibt es zwei schöne, von stimmungsvoller Musik unterlegte Bildergalerien, die nicht nur Movie-Stills präsentieren, sondern auch mit seltenen Aushangfotos und Bildern von den Dreharbeiten aufwarten kann. Neben obligatorischem wie den Originaltrailer und zwei TV-Spots zum Film, gibt es, als kleines Schmankerl, einen „Comic zum Film“ der Heftreihe „House Of Hammer“, bei dessen Lektüre der Finger jedoch stets locker auf der Pause-Taste der Fernbedienung sitzen sollte.

Unterm Strich eine fabelhafte, liebevolle Aufarbeitung des Filmes, die man sich voller Vorfreude auf die noch ausstehenden Ausgaben der Hammer-Collection ins Regal stellen kann.

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