A Day on the Planet

Ein Tag auf dem Planeten. Das klingt nach Beliebigkeit und Willkür. Irgendein Tag, irgendwo hier, irgendwer wird beobachtet. Night on Earth, nur andersrum. Und auch wenn zu Beginn die Einheit der Zeit recht deutlich mittels Einblendung definiert wird, ist das doch eigentlich nur unerheblich, beinahe schon ein lakonischer Witz.

Beobachtet wird – zumindest im Zentrum, denn der Film differenziert sich gelegentlich in andere Richtungen aus – ein Grüppchen von Spät-Teenies oder auch Früh-Twens, die gemeinsam eine Party in Masamichis (Shuji Kashiwabara) neuer Bude in Kyoto feiern, kurz vor dem Semesterbeginn. Man albert herum, flirtet etwas, labert viel dummes Zeug, betrinkt sich, schneidet sich im Suff die Haare ab, zockt Playstation, wie das halt so ist. Viel geschieht nicht, gar nichts eigentlich, sogar wenn es mal zu einem langen Dialog zwischen zweien kommt, die sich vom Rest trennen, also so etwas wie Intimität entsteht, gibt man eigentlich nur Banales wider. Regisseur Isao Yukisada erzählt nichts, er macht im Gegenteil Inhaltslosigkeit zum Thema. Und im Fernsehen, im Radio seltsame Meldungen: Ein ziemlich grotesker Trottel steckt in dem schmalen Spalt zwischen zwei Gebäuden. Am Strand (er gleicht später dann – frappant! – jenem aus Kazushi Watanabes 19, das aber nur am Rande) läuft ein Wal auf, verschiedene Rettungsversuche schlagen fehl. Manchmal erfährt man von diesen Dingen sogar ohne zusätzliche mediale Folie: Ganz so, als hingen diese Ereignisse, nun nicht mehr über den Fernseher vermittelt, wirklich mit den doch irgendwie depressiv vor sich hin feiernden Studenten zusammen, die immer wieder am Fernseher hängen bleiben, den Typen und den Wal beobachten. Der Wal, er wird die Nacht nicht überleben, schafft es am nächsten Tag noch in die Zeitung, der nach vielen Stunden endlich gerettete Kerl zwischen den Wänden, dem auch noch eine Taube ins Gesicht geschissen hat, wird irgendwann mangels spektakulärer Reize aus der Berichterstattung ausgeblendet, obwohl, wie wir sehen, am Ende seiner Rettung eine Freundschaft entstanden sein wird. Anhand dieser Hierarchien in den Medienkanälen werden die Ereignisse Teil des Lebens dieses Grüppchens, welches, zwischen Videospiel, Coladosen und trunkener Binsenphilosophie diese Hierarchien sogar kurz zu hinterfragen wagt.

Eine schöne Welt muss das eigentlich sein, in der die Medien voll sind von Berichten über zwischen Wänden steckende Männer und am Strand verendete Wale und sonst so recht nichts zu geschehen weiß. So ganz anders etwa als sich medial konstruierte Wirklichkeit sonst, diesseits der Leinwand, darbietet. Ruhig und im stupiden vor sich Hinbrüten sogar irgendwie behaglich: Is ignorance bliss?. Und so langsam dämmert es einem: Das hat in seiner totalen Ausblendung dieses Themas doch auch alles mit 09/11 zu tun, vor allem aber mit dem absoluten Nachrichten-Overkill dieser Tage. In der Tat: Der typische Aufreißerspruch eines ziemlich betrunkenen Mädchens ist die Frage, ob sich Betrunkensein nicht so anfühle, als befände man sich in einem Ei. Und wie das denn wohl so sei, in einem Ei. So sinniert sie dahin, über Schalen und Eier, gluckst etwas glückselig und kommt ihrem Ziel, dem knackigen Kerl gegenüber, doch eigentlich nicht näher. Die Eierschale der Medien, in der sie alle sich befinden, nimmt sie nicht wahr.

Ist es nun also die Sehnsucht nach einer Welt, in der Berichterstattung noch unschuldig war, die diesen Film antreibt? Schwer zu beantworten. Denn auch die Verdrängung und Verdeckung, die einer solchen Welt zugrunde läge, wird thematisiert. Einerseits im Bildkader selbst, dessen Organisation japanischen Bildtraditionen des Im-Bild-verdeckt-Seins verpflichtet ist: Der Wal ist in der Aufnahme des Strandes zunächst eine Weile lang nicht zu sehen, erst als er plötzlich Wasser in die Luft zu pusten beginnt, wird uns bewusst, dass zwischen dem Hügel und dem Wasser noch etwas anderes als bloßer Strand sein muss. Und wenn Masamichi spät nachts noch Bierholen geht, dann verlässt er auf dem Fahrrad den Bildkader, die Kamera folgt ihm zwar, doch zu langsam, um ihn dann, nach ordentlich Getöse auf der Tonspur, auf den Boden liegend zu zeigen, vom Auto angefahren. Als sein Handy klingelt und sich seine Freundin meldet, erzählt er ihr nichts von dem Unfall, nichts von der Schürfwunde im Gesicht: Er befände sich gerade „in der Nähe des Flusses“ und hinge halt so rum. Und auch die Personen selbst sind eigentlich ausgeblendet, verdeckt, wenn wir sie zunächst bloß feiern sehen und erst im Nachhinein der den Festivitäten im kleinen Kreis vorangegangenen Tag einzelner Figuren erhellt wird.

Ein eigenartiger, interessanter Film. Minutiös zeichnet er die größeren und kleineren Wege des Informationsflusses nach, die Weltkonstruktionen zugrunde liegen, und verbindet diese mal gewitzt, mal behäbig inszenierte Skizze mit einem coming-out-of-age-Szenario. Auch wenn er die Geduld des Zuschauers vor allem in allzu lang ausgetretenen, „leeren“ Dialogszenen zum Teil stark beansprucht, stecken da doch eine innere Ruhe und eine Ausstrahlungskraft fernab vom Überwältigungsversuchen in ihm, die zu faszinieren wissen. Sofern man sich drauf einlassen kann.

Der Film läuft auf den 54. Internationalen Filmfestspielen Berlin in der Sektion Panorama.

A Day on the Planet
(Japan 2003)
Regie: Isao Yukisada; Drehbuch: Isao Yukisada/Shouichi Mashiko (nach der literarischen Vorlage von Tomoka Shibasaki); Kamera: Jun Fukamoto
Darsteller: Rena Tanaka, Satoshi Tsumabuki, Ayumi Ito, Shuji Kashiwabara, Chizuru Ikewaki, u.a.

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