Gefangene des Korsetts

Kaiserin Phoenix (Gong Li) bereitet sich auf die Ankunft des Kaisers Ping (Chow Yun-Fat), ihres Ehemanns, vor: fluchdergoldenenblume-poster1.jpgIn ein schweres goldenes Gewand gehüllt, sitzt sie vor dem Spiegel inmitten ihres prunkvollen Gemachs, mit dessen goldenen, über und über geschmückten und verzierten Wänden sie beinahe verschmilzt, und versucht mit zitternden Fingern die vielen Teile ihres prächtigen Kopfschmucks richtig zu platzieren. Wir erfahren später, dass diese Zitteranfälle nicht nur auf eine Krankheit zurückzuführen sind, sondern auch noch auf eine schleichende Vergiftung, die ihr Gatte zu verantworten hat. Und dennoch: Wir verstehen diese körperliche Reaktion der Kaiserin als Zusammenbruch angesichts des ausufernden Pomps, des streng ritualisierten Alltags, der noch den kleinsten Handgriff vorschreibt und keinen Platz für Individualität lässt.

Zhang Yimous neuer Film „Der Fluch der goldenen Blume“ ist eine wahre Ausstattungsorgie geworden, die dem Zuschauer schier den Atem raubt, ihn wie betäubt zurücklässt. Die Hauptfiguren erscheinen wie mobile Einrichtungsgegenstände, die um des bildlichen Effektes willen mal hierhin, mal dorthin verschoben werden. Doch das ist keinesfalls auf mangelndes Talent zurückzuführen, sondern beabsichtigt: Sein Film steht vielmehr in der Tradition von Viscontis „Ludwig II.“ oder dem zuletzt gelaufenen „Marie Antoinette“. Er zeigt das hoheitliche Dasein als ein Leben im goldenen Käfig, eines, das zwar keine existenziellen Sorgen, aber auch keine Freiheit kennt. Wer die Vorbilder gesehen hat, der weiß, dass diese Tatsache ihren Tribut fordert und auch, dass dieser Tribut meist in Blut gezahlt wird. In „Der Fluch der goldenen Blume“ kommt es ausgerechnet dann zur großen Katastrophe, wenn anlässlich des Chrysanthemenfests (eben dem Fest der goldenen Blume) Einheit und Einigkeit zelebriert werden sollen. Doch wie auch schon bei „Hero“ kommt in dieser Konstruktion keine Kritik am damaligen Herrschaftssystem zum Ausdruck, vielmehr scheint Zhang Yimou in Faszination und Ehrfurcht vor kaiserlicher Macht wie erstarrt: Der Kaiser erscheint bei ihm als das ordnende Prinzip, dem sich alles andere zu fügen hat. Er ist der einzige, der unter der Last seiner Gewänder eher aufzublühen als unterzugehen scheint. Und diese Souveränität, diese ordnende Macht hat auch Besitz von den Bildern ergriffen, in denen nichts dem Zufall überlassen bleibt.

curseofthegoldenflower14.jpgEntgegen den Erwartungen hat Zhang Yimou diesmal einen sehr langsamen, statischen Film gedreht. Dialogsequenzen bestimmen die Handlung: eine Eigenschaft, die er mit dem oben genannten Film Viscontis teilt und die wohl auch darauf zurückzuführen ist, dass „Der Fluch der goldenen Blume“ auf einem Theaterstück basiert. Statt der ausufernden Kampfszenen, die in den beiden Vorgängern omnipräsent waren, folgen wir der Kamera nun bei ihren Streifzügen durch die opulent ausgestatteten Gemächer, nehmen Teil an den sich mehr und mehr offenbarenden Konflikten und Abgründen der kaiserlichen Familie, bis sich diese Spannung dann nach mehr als einer Stunde endlich auch in einer gewohnt fulminanten Actionsequenz manifestiert – an der bezeichnenderweise keine der Hauptfiguren physisch teilnimmt. Doch wie es sich für große, umwälzende Probleme an der Staatsspitze gehört, finden diese schließlich doch noch Ausdruck in einem Finale, das der Ruhe der vorangegangenen 90 Minuten spottet: In einem Finale, das in seinem Bombast an „Der Herr der Ringe“ erinnert, wird der familiäre Konflikt äußerst blutig und mit großem Effektspektakel ausgetragen. Leider hat sich das Interesse am Geschehen bis zu diesem Zeitpunkt schon ziemlich verflüchtigt: Neben der formalen Brillanz hat Zhang Yimou – wie auch schon bei seinem Vorgänger „House of flying daggers“ – leider vergessen, ähnlich viel Akribie in die Erzählung selbst zu legen. Der Ausgang seines Films steht schon eine halbe Stunde vor Ende des Filmes fest, große Überraschungen gibt es nicht mehr. Und so muss man feststellen, dass „Der Fluch der goldenen Blume“ dasselbe Schicksal ereilt wie seine Figuren: Er erstickt in seinem glitzernden Korsett.

Der Fluch der goldenen Blume
(Man cheng jin dai huang jin jia, Hongkong/China 2006)
Regie: Zhang Yimou, Drehbuch: Cao Yu, Zhang Yimou, Kamera: Zhao Xiaoding, Musik: Shigeru Umebayashi
Darsteller: Chow Yun-Fat, Gong Li, Jay Chou, Liu Ye, Ni Dahong, Qin Junjie
Länge: 114 Minuten
Verleih: Tobis

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