Kampf der Bilder


Wenn die Kunst im Auge des Betrachters entsteht, dann entsteht sie vermutlich noch einmal im Objektiv der Kamera, die sie filmt. Zwei Beiträge des letzten Festivaltags reflektieren die Möglichkeiten der Darstellung der bildenden Kunst in den filmischen Medien, wobei sie auf verschiedene Art und Weise mit bestehende Stereotypen umzugehen versuchen.

Christoph Girardet / Volker Schreiner
Fiction Artists
D 2004, 45′, Beta SP
Internationaler Wettbewerb

Dieser Film ist zusammengesetzt aus Spielfilmausschnitten, die ein Künstlerleben oder die bildende Kunst insgesamt thematisieren. Dabei wird es deutlich, dass das Kino bereits einen festen Katalog an visuellen und inhaltlichen Klischees entwickelt hat, die zur Darstellung des schöpferischen Prozesses dienen und sich so fest im Bewusstsein des Zuschauers verankert haben, dass sie normalerweise überhaupt nicht hinterfragt werden. Die Autoren kombinieren ohne Vorbehalte moderne psychologische Dramen mit kitschigen Retro-Romanzen und lassen eine Art Genealogie der Motive erkennen, die in den Filmen immer wieder in Verbindung mit Kunst gebracht werden. So kommt kaum ein Künstlerfilm ohne eine Szene mit impulsiv nach Außen getragenen schöpferischen Qualen, aber auch Momente der stillen inneren Anspannung, die das Entstehen eines Meisterwerks ankündigt, dürfen nicht fehlen. Doch im Endeffekt läuft es fast immer auf dasselbe hinaus: Der Künstler (meist männlich) begegnet einem inspirierenden Model (natürlich weiblich!). Der Schöpferakt fällt mit dem Akt der Verführung zusammen, der dann in einem vollendeten (Kunst)Werk kulminiert. Anschließend geht die Frau entweder beleidigt, weil sie mit ihrer Abbildung nicht zufrieden ist, oder verfällt erst recht dem charismatischen Genie. Die Klischees erstrecken sich aber noch auf weitere Aspekte des Künstlerlebens, sei es die Aufnahme beim Publikum oder die dramatischen Selbstbekenntnisse, die sich manchmal fast wortwörtlich in mehreren zu verschiedenen Zeiten entstandenen Filmen wiederholen.

Die Idee für diesen Film ist durchaus amüsant und die Episoden sind sehr geschickt aneinandergereiht. Das Prinzip und der Rhythmus der Darstellung werden aber im Laufe des Films kaum modifiziert, was für 45 Minuten doch zu wenig Abwechselung und künstlerische Innovation bietet. Insofern ähnelt „Fiction Artists“ mehr einer ausführlichen Studie zum oben genannten Thema, als einem Kunstwerk, das es vermag, eine eigene visuelle Welt zu konstruieren.

Jean-Marie Straub / Danièle Huillet
Une Visite au Louvre
F/D 2004, 48′, französisch, Farbe, 35 mm
Internationaler Wettbewerb

„Une Visite au Louvre“ beruht auf den Aufzeichnungen von Cezanne, die er am Anfang des vorigen Jahrhunderts nach seinem (letzten) Besuch im Louvre gemacht hat. Das größte Museum der Welt wird für den schon sehr betagten Mann zu keinem Ort der Besinnlichkeit und des unbeschwerten Kunstgenusses. Er versucht dagegen, den Kunstgeschmack seiner Zeit anzugreifen und die Hierarchien in der Kunstgeschichte nochmals richtig zu stellen. Dem emotionalen, fast überdrehten Ton, den er in diesen Aufzeichnungen anschlägt, steht eine sehr statische Inszenierung gegenüber, für die sich die Filmautoren entschieden haben. Alle Kunstwerke, die Cezanne bespricht, werden in Standbildern gezeigt, wobei sie immer frontal mit der Kamera eingefangen werden. Auf einzelne Details wird sehr selten umgeschaltet, was einerseits einer „Bildungsfernsehen-Ästhetik“ entgegenwirkt, andererseits aber das Nachvollziehen von Cezannes Gedanken schwer macht, zumal es ihm auch bei großen Panoramagemälden auf Einzelheiten ankommt, die nur beim dynamischen Schauen wahrnehmbar werden. Als zusätzlichen Verfremdungseffekt kann man die Tatsache betrachten, dass die Aufzeichnungen des Malers von einer Frauenstimme vorgelesen werden. Insgesamt wirkt der Film sehr sperrig, was sicherlich auch Absicht ist und den autoritären Gestus einer dermaßen subjektiven Kunstanalyse verrät. Dass dabei ausgerechnet eine der Symbolfiguren der Moderne einen für heutige Verhältnisse eher konservativen Kunstbegriff vertritt, lässt darüber hinaus die Frage nach dem nicht immer eindeutigen Verhältnis zwischen Innovation und Regression in der Kunst aufwerfen.

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