One Point O

Unser Protagonist – Simon J. – schließt die Türe zu seinem Appartment auf: Ein karger Raum mit braunen Tapeten, in leicht flackerndes Neonlicht getaucht, spärlich möbliert. Und am Boden ein Paket, ohne Absender oder Empfänger. Niemand weiß, wie es dorthin gekommen ist, oder erst Recht, was ein leeres Paket für einen Sinn haben soll.

In seiner Ästhetik erinnert „One Point O“ in jeder Einstellung an große Vorbilder: Neben der Neo-Noir-Optik eines „Blade Runner“, die sich auch in der Science Fiction-Handlung spiegelt, sind es vor allem die Filme Jean-Pierre Jeunets, an die man sich erinnert fühlt. So scheint das heruntergekommene Mietshaus, in dem sich beinahe die gesamte Handlung abspielt, samt seiner schrulligen Bewohner doch deutlich von „Delicatessen“ inspiriert.

Überhaupt, dieses Haus erfüllt mehr als nur eine reine Bühnenfunktion: Das ständige Zwielicht in den Gängen und Wohnungen, die roh verputzten Wände, die überall verlegten Rohre und Kabel – diese unwirtliche Umgebung wird zum vollständigen Mikrokosmos, so dass jeder Ausbruch daraus zwangsläufig unwirtlich erscheinen muss: Nur der Weg zum Krankenhaus ist in helles Tageslicht getaucht, der ansonsten ständig präsente Farbfilter einmal nicht im Einsatz – wenig später findet dann der Zuschauer auch die Wohnung von Simons hübscher Nachbarin, eine Krankenschwester, in helles Licht getaucht, ebenso wie der ominöse Motorradkurier, der, als er Simon Hilfe bringt, mit seinem knallroten Motorrad auf eine weiße Fläche am Ende eines Tunnels zufährt. Überhaupt scheint die Farbgebung ein wichtiger Schlüssel zur verschachtelten und stark elliptisch erzählten Handlung zu sein: Immer wieder sind einzelne Szenen durch ein auffälliges rotes Objekt im Bildkader „markiert“ – eine Farbe, die sonst im konsequent eingehaltenen grau-braun-Schema keinen Platz hat -, wodurch der Blick des Zuschauers wie bei einem Zauberkünstler vom scheinbar Wichtigen abgelenkt wird.

Und doch, so ganz will das Konzept nicht aufgehen: „One Point O“ verweigert sich einer schlüssigen Interpretation, fegt jede aufkeimende Idee durch gegenteilige Handlungsverläufe viel zu schnell vom Tisch. Der Film legt seinen Akteuren metaphysische Dia- und Monologe in den Mund, wirft Fragen auf, die auch „Matrix“ nicht beantworten konnte und erscheint überhaupt in seiner Komplexität mehr konstruiert als natürlich gewachsen. „One Point O“, 1.0 – das hiermit suggerierte Binärsystem, die klare Trennung zwischen schwarz und weiß, gut und böse, eins und null, wird ganz bewusst aufgebrochen: keine einzige handelnde Person lässt sich tatsächlich in eine Schublade einordnen, die Motive bleiben immer unklar – bis zum Schluß selbst der Protagonist nicht mehr einzuordnen ist, irgendwo zwischen Opfer und Täter pendelnd.

Der Film macht es seinem Zuschauer wirklich schwer, ihn zu mögen. Zu viele Rätsel bleiben unaufgelöst, zu bemüht komplex gibt sich die Handlungsstruktur, zu metaphysisch der Subtext. Ein hehres Ziel verfolgten die beiden Regisseure bestimmt – nur ist Version 1.0 noch von einigen Fehlern behaftet. Ein kleines Update könnte es aber durchaus bereits richten…

One Po1nt 0
(USA / Rumänien / Island 2004)
Regie und Drehbuch: Jeff Renfroe, Marteinn Thorsson
Mit: Jeremy Sisto, Deborah Unger, Udo Kier, Lance Henriksen, Bruce Payne, u.v.m.
Laufzeit: 92 Minuten

Schreibe einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.