Pack die Badehose ein

Das getrennt lebende Ehepaar Carla (Claudia Karvan) und Peter (Jim Caviezel) will einen Wochenendtrip an eine entlegene Küste dazu nutzen, die eigene Ehe zu kitten, um die es nicht erst seit einer ohne Peters Einwilligung durchgeführten Abtreibung schlecht steht. Die eh nur mäßig gute Stimmung ist schon vor der Ankunft vollkommen verflogen: Als die Spannungen zwischen Carla und Peter immer handfestere Ausmaße nehmen, beginnt zu allem Überfluss auch noch die Natur, sich gegen die Touristen zu wenden …

Long_Weekend_-_Poster_01[1]Die Ausbeutung der Natur durch den Menschen rächt sich im Science-Fiction- und Horrorfilm schon seit den Dreißigerjahren, als ein zu kommerziellen Zwecken ausgestellter Riesenaffe Manhattan in Angst und Schrecken versetzte. Auch die Verschmutzung der Umwelt, die in den Siebzigerjahren verstärkt in den Blick des Genrekinos geriet, zog meist die blutige Rache mutierter und besonders wehrhafter Tiere nach sich. Doch so sehr diese Filme auch an ein neues Umweltbewusstsein appellierten, die Schuldigen waren am Ende doch meist die anderen, mit Vorliebe die ausschließlich auf Rendite bedachten Industriebonzen mit ihren monströsen Fabriken, die man einfach nur an niedrigerer Position in die Nahrungskette eingliedern musste, um das Problem zu lösen. In Jamie Blanks’ „Long Weekend“, dem australischen Remake des gleichnamigen, ebenfalls australischen Films von Colin Eggleston aus dem Jahr 1978, ist dies anders. Der desolate Zustand der Natur ist hier nur das Spiegelbild eines viel weiter reichenden Problems, das längst auch die zwischenmenschlichen Beziehungen erfasst hat: die Entfremdung und Entkopplung des Menschen von der Natur selbst.

Von Beginn an löst das Mit- oder vielmehr Gegeneinander des Protagonistenpaars Unbehagen aus: Peter ist ein Macho, wie er im Buche steht, und seine Ehefrau für ihn kaum mehr als ein Statussymbol, das in seiner persönlichen Rangliste irgendwo nach seinem Hund und nur knapp vor Schießgewehr und Geländewagen einzuordnen ist. Dass Carla das gemeinsame Kind abgetrieben hat, begreift er nicht als das letzte, schreckliche Resultat einer von beiden Seiten in die Sackgasse getriebenen Beziehung, sondern vor allem als irrationalen weiblichen Racheakt, als Machtspiel und Verstoß gegen sein Recht als „Miteigentümer“. Der Zweck des gemeinsamen Urlaubs, dem Carla nur widerwillig zustimmt, ist vorgeschoben, denn Peter will keine Veränderung, sondern lediglich eine Wiederherstellung des Status quo. Als sich Carla seinen ersten Annäherungsversuchen aber verweigert, sieht er sich bereits am Ende seiner Möglichkeiten angelangt und wendet sich beleidigt Surfbrett und Gewehr zu, um – ganz Mann – die Natur zu erobern. Doch es ist nicht nur Peters Fehlverhalten, das beide am Ende das Leben kosten wird: Carlas Handeln ist sprunghaft und inkonsequent. Auf der einen Seite möchte sie als selbstständiger, mündiger Mensch wahrgenommen werden, auf der anderen genießt sie es, von Peter umgarnt zu werden. Wie ein lustloser und launischer Teenager lässt sie sich von ihm auf eine Reise mitnehmen, auf die sie keine Lust hat, verschläft die ganze Autofahrt, nur um dann und wann spöttische Bemerkungen abzugeben und zu nörgeln. Warum ist sie mit ihm mitgekommen? Beider Verhalten gegenüber der Natur, in die sie wie Kolonialherren einfallen und die sie mit ihren Luxusgütern als ihr Eigentum markieren, ist nur die andere Seite derselben Medaille. Peter, seinem Selbstbild als Mann zufolge ein echter Naturbursche, befindet sich keinesfalls in einträchtigem Miteinander mit der ihn umgebenden Wildnis, sondern in einem ständigen Kampf mit ihr, dessen Motor nichts anderes als Angst, Unbehagen und Unsicherheit über die eigene Rolle ist. Und Carla macht erst gar keinen Hehl aus ihrem Ekel und ihrer Abscheu: Sie hasst den Wald und den Dreck, Tiere stellen eine Bedrohung dar und selbst für einen überschaubaren Zeitraum von einem Wochenende kann sie auf den Luxus ihres Eigenheims nicht verzichten, ohne in Panik zu geraten. Kein Wunder also, dass die Toleranzschwelle der duldsamen Natur bald überschritten ist.

Mit „Storm Warning“ hatte sich Jamie Blanks vor zwei Jahren schon einmal recht eindrücklich den Machtverhältnissen innerhalb einer Ehebeziehung zugewendet. In seinem Backwood-Slasher zeigte die Frau just in dem Moment ihre Zähne und Krallen, als ihr Mann ganz entgegen seinem Selbstbild hilflos am Boden lag. Der Tiefblick, den Blanks in der Zeichnung seiner Protagonisten an den Tag legte, wurde allerhöchstens dadurch geschmälert, dass die Wehrhaftigkeit und der urwüchsige Zorn der Frau im Slasher- und Backwood-Horrorfilm immer schon thematisiert wurden, somit bereits Genrekonvention darstellten. Doch mit „Long Weekend“ geht Blanks einen entscheidenden Schritt weiter: Das fantastische Element der sich rächenden Natur ist nur noch die allegorische Explizierung eines Horrors, der von innen kommt. Er rührt daher, dass Mann und Frau die Beziehung zu ihrer Natur aufgekündigt haben, ohne die so entstandene Leerstelle mit neuem Sinn auffüllen zu können. Die daraus resultierende Verwundbarkeit äußert sich nirgends so deutlich wie in dem Entsetzen des eben noch respektlos umherballernden Peters, als seine Frau ein Vogelei an einem Baum zerschlägt und ihn damit an seiner empfindlichsten Stelle trifft. Mit diesem symbolischen Akt kündigt Carla nicht nur ihre Rolle als Lebensstifterin auf, sie zeigt ihm auch, dass sie genau so zerstörerisch sein kann wie er, der damit seine Hegemonialstellung angegriffen sieht. Wieder einmal ist es der Mann, der als Verlierer der neuen Kräfteverhältnisse dasteht. Angesichts dieser psychologischen Abgründen tritt der übersinnliche Horror in den Hintergrund: Die Rache der Natur konkretisiert sich erst sehr spät und es wird nie vollkommen aufgelöst, ob sie nicht nur Einbildung der hysterischen Stadtmenschen ist. Hier unterscheidet sich das teilweise einstellungsgetreue Remake dann auch vom Original, das das fantastische Element stärker betont und von daher eher in der Tradition solcher australischer Filme wie „Picknick am Valentinstag“ oder „Wolf Creek“ steht, die eine konsequente Mythologisierung der Natur betreiben. Trotzdem bleibt Blanks’ Film als einer der unangenehmsten Horrorfilme der letzten Jahre im Gedächtnis und man darf gespannt sein, wie er sein Thema dysfunktionaler Mann-Frau-Beziehungen in zukünftigen Filmen weiterentwickeln wird. Viel Raum scheint kaum noch zu bleiben: Wie sich diese beiden Menschen, die sich, wie wir in der Schlusseinstellung erfahren, einmal in inniger Liebe und dem Wunsch, ihre Zukunft miteinander zu teilen, zugetan waren, gegenseitig zerfleischen, wie sie sich wie entfesselte Idioten verhalten und vollkommen blind vor Hass durch ihr Leben irren, ist schockierend. Wohl auch, weil man die Verwandtschaft zu diesen beiden Charakteren nicht vollständig leugnen kann.

Long Weekend
(Australien 2008)
Regie: Jamie Blanks; Drehbuch: Everett De Roche; Musik: Jamie Blanks; Kamera: Karl von Moller; Schnitt: Jamie Blanks
Darsteller: James Caviezel, Claudia Karvan u. a.
Verleih: Tiberius Film
Länge: 100 Minuten

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