Melancholie am Ende der Zeit

Ich wollte hier von der russischen Form von Nostalgie erzählen, von jenem für unsere Nation so spezifischen Seelenzustand, der in uns Russen aufkommt, wenn wir weit weg von der Heimat sind.
(Tarkowskij 1989: 206)

Andrej Tarkowskij (1932-1986) ist in den letzen zwei Jahrzehnten zu einer Art kultischen Figur geworden. Nicht zuletzt haben sein früher Tod, die schwierigen Umstände, unter denen er seine Filme drehen musste, aber vor allem seine Themen und die eigentümliche Art, diese zu verfilmen, dazu geführt. Insgesamt hat er nur acht Filme realisieren können. Nach seinem Examensfilm Straßenwalze und Geige (Katok i Skrypka, SU 1961) an der Filmhochschule in Moskau (WGIK) dreht er Iwans Kindheit (Iwanowo detstwo, SU 1962) nach einer Erzählung von Wladimir Bogomolow und erhält dafür den „Goldenen Löwen“ in Venedig. Es folgt das Monumentalwerk über den mittelalterlichen Heiligenmaler Andrej Rubljow (SU 1966), das zu heftiger Kritik im eigenen Land führt. Solaris (Soljaris, SU 1971/72) und Stalker (SU 1979) sind zwei Science Fiction-Literaturverfilmungen. Solaris basiert auf dem gleichnamigen Roman von Stanislaw Lem und ist jüngst von Steven Soderbergh neu verfilmt worden (US 2003). Stalker ist die Verfilmung der phantastischen Erzählung Picknick am Wegesrand der Brüder Boris und Arkadij Strugatzki. Zwischen den beiden Literaturverfilmungen dreht Tarkowskij den Spiegel (Zerkalo, SU 1974), der zusammen mit dem späteren Nostalghia (IT 1982) autobiographische Elemente in sein filmisches Werk einspielt. Im Exil – er kehrt nach dem Dreh von Nostalghia in Italien nicht wieder in die Sowjetunion zurück – dreht er in Schweden seinen letzten Film Das Opfer (Offret, SCHW 1985), der noch einmal seine Hauptthemen Heimat, Familie, wehmütige Erinnerung, Weltuntergang und Erlösung zusammenführt.

Merkwürdig bleibt der Widerspruch zwischen Tarkowskijs filmischer Poetik, die sich ausdrücklich gegen jede Allegorie und Interpretation seiner Filme richtet und eine intuitive oder spirituelle Lesart bevorzugt, und seinen ausgesprochen komplex allegorisch verschlüsselten Filmen selbst. Fortgesetzt wird das Verhältnis von dem Zusammenhang zwischen seinem Widerwillen gegen das Programm eines Kinos der Montage, wie es vor allem von Sergej Eisenstein vertreten wird, und zum Teil seinen eigenen filmischen Mitteln, wie in dem sehr artifiziell montierten Fragmentstück Spiegel. Zusammenfassen lassen sich beide Widersprüche vielleicht als Gegensatz zwischen dem Begehren nach einer natürlichen, authentischen und damit erlösenden Erinnerung, vergleichbar der Mémoire Involontaire bei Marcel Proust, und einem filmischen Gedächtnis, das notgedrungen mit Mitteln der Mnemotechnik – filmtechnischen, ikonographischen und rhetorischen, vergleichbar dem antiken Gedächtnisszenario von Simonides von Keos und dem Renaissance-Theatro della Memoria von Gulio Camilla, – auskommen muss. Im letzteren Konzept geht es um die Kongruenz der Topographie des Erinnerns im Inneren des Kopfes mit den mediengestützten und äußeren Bildern, die mechanisch dem Gedächtnis auf die Sprünge helfen, wie bei Proust der zusammengeführte Geschmack von Tee und einer Madeleine, die auch Marcel als äußeren Anstoß benötigt, um sich Combray zu vergegenwärtigen. Das entscheidende Erinnerungsmodell für Tarkowskij, im Widerspruch dieser beiden Konzepte überhaupt arbeiten zu können, ist die melancholische Bildallegorie, die an das Ende der Geschichte gemahnt, indem sie Bilder des Nichtrepräsentierbaren liefert.

Dem Thema der Erinnerung deshalb inhärent und als Folge des Widerspruchs in allen Filmen Tarkowskijs spürbar ist eine ätherische und alles permeierende Melancholie, die an alteuropäische ikonographische Traditionen der Humoralpathologie, der antiken Säfte- und Temperamentenlehre, anschließt und in Nostalghia zum zentralen Thema gerinnt. Dass in Nostalghia letztlich der Widerspruch von Erlösungsversprechen und Scheinhaftigkeit von Bildlichkeit selbst thematisiert wird, kann als Beleg für den melancholischen Gestus der selbstreflexiven Grübelei Nostalghias genommen werden, aber auch für das Eingeständnis des Traditionsbewusstseins und damit der Artifizialität, in der Natur, Mensch und Zivilisation filmisch in Szene gesetzt werden müssen.

Tarkowskij bedient sich – und darin den Arbeiten Peter Greenaways vergleichbar – ganz bewusst alteuropäischer Blicktraditionen und setzt bestimmte Gemälde und Bildkompositionen ins Blickfeld des technisch eingespannten Betrachters. Zu dieser Arbeitsweise gehört auch, dass neben der „naturalistischen“ an Caspar David Friedrich orientierten Blickführung durch die Hinterkopfperspektive der Figuren in Nostalghia eine Ästhetik der Langsamkeit dominiert, die bis zum Stillstand gefriert. Viele Sequenzen geraten zu Stand- und damit zu emblematischen Denkbildern – offen für eine Interpretation als Altargemälde oder präziser: als Photographie oder Stereoskopie. Nostalghia ist eine Huldigung an das russische Heimweh, an den Mutter- und Fruchtbarkeitskult, an die Möglichkeit der apokalyptischen Offenbarung in der Erinnerung und berichtet zugleich in Form eines Archivs, Museums, Gemäldegalerie oder eines Photoalbums von dem filmischen Scheitern von einer seltsam rückwärts gewandten Soteriologie.

„Gortschakow, der Held in ‚Nostalghia’, ist ein Dichter. Er fährt nach Italien, um hier Material über den leibeigenen russischen Komponisten Pavel Sosnowskij zu sammeln, weil er ein Opernlibretto über dessen Leben schreiben will.“ (Tarkowskij 1989: 207) So Tarkowskij über seinen Film. Sosnowskij ist identisch mit dem ukrainischen Komponisten Maximilian Beresowskij (1745-77), der im 18. Jahrhundert aus Heimweh nach Russland – und genau dies bedeutet der russische Begriff der „Nostalghia“ – in die Leibeigenschaft zurückgekehrt ist. Unterbrochen wird die Italienreise nicht nur von Gortschakows wehmütigen Erinnerungen an seine Heimat, die ihn zunehmend von der Realität der Gegenwart entfremden, sondern er bekommt von dem wahnsinnigen Einsiedler Domenico, der sich als sein melancholischer Doppelgänger herausstellen soll, den Auftrag, die Welt zu retten. Er soll mit einer angezündeten Kerze durch die Schwefeltherme der Heiligen Katharina des toskanischen Kurorts Bagno Vignoni gehen, während Domenico sich gleichzeitig in Rom verbrennt. Als Auserwählter wird Gortschakow schon zuvor gezeigt: Häufig wird die stigmatisierende weiße Strähne in seinem schwarzen Haar gezeigt.

Gortschakows wachsende Sehnsucht nach der Heimat wird derweil als Phantasmagorie sichtbar, in der er nicht die aktuelle UdSSR, sondern eine Erinnerung an ein pastorales, arkadisches Mütterchen Russland, einen idyllischen Ort von Familie, Frau, Glück und Harmonie imaginiert. Dieser Raum ist durch eine Schwarzweiß- und Sepiafärbung in den Film eingeschrieben und dadurch zugleich von ihm getrennt. Er geht erst im aenigmatischen Schlussbild der Offenbarung des Films auch diegetisch eine – wenn auch nur parergonale – Verbindung mit dem Rest der als „real“ oder „gegenwärtig“ markierten Geschichte ein: Gortschakow stirbt, die Kamera fährt zurück und zeigt die russische Hütte mit dem Fleckchen Wiese inmitten der großen Ruine von San Galgano. Es schneit.

Ruinen. Das Theater der Erinnerung

Die Gedächtniskunst ist seit der Antike eine Angelegenheit des Raums, und die Topoi der klassischen Rhetorik sind Elemente auch der Mnemotechnik. Quintilian berichtet im 11. Buch der Institutiones Oratoriae von der Urszene der Gedächtniskunst: Bei einem Gastmahl fällt den Feiernden buchstäblich die Decke auf den Kopf und der Großteil der Gäste stirbt. Der Dichter Simonides von Keos überlebt den Einsturz und kann später die unkenntlichen Leichen nur identifizieren, weil er sich vollständig an die Sitzordnung erinnert. Mnemotechnik ist eine Sache des Ortes und vor allem des Bildes, dass man sich von diesem Ort macht.

Sich etwas zu merken, bedeutet in der Antike, Dingen Räume zuzuordnen. Verallgemeinert man das Konzept, könnte man sagen, Erinnerungen werden Bilder zugeordnet, und der Innenraum des Gedächtnisses wird in einer bestimmten Ordnung mit diesen Bildern, die im Idealfall Bildern in der Realität entsprechen, angefüllt. In jüngerer Forschung wird die Gedächtniskunst mit den Verfahren der Intertextualität zusammengedacht. (vgl. Lachmann) Mittelalterliche und frühneuzeitliche Gedächtnisvorstellungen knüpfen an das Modell von der Kongruenz rhetorischer und anatomischer Raumvorstellungen an: „(Ein) locus“, sagt Varro in seiner Diskussion des ersten Elementes der Rede, „ist dort, wo etwas ‚verortet’ werden kann (locatum), wo jegliches zum Stillstand kommt, ist ein ‚Ort’ (locus).“ In einer solchen sprachlichen Epistemologie der Wiederkehr begehrt der Leser oder Interpret Zugang zu jenem Bereich, wo jede Bewegung auf eine Quelle einhält, wo die Bedeutung zur Ruhe kommen und unwandelbar sein soll. […] Das Ziel der Grammatik […] ist letztlich geographischer Art – eine Topologie oder Rhetorik der richtigen Örter der Rede. (Bloch: 194)

Howard Bloch fasst es zusammen: Rhetorik ist eine Sache der Topographie und damit eine der Mnemotechnik. Nostalghia bietet Gemäldeschau und Bildkompositionen, die auf ganz bestimmte ikonographische Traditionen anspielen und damit ein Archiv, ein filmisches Gedächtnis des Abendlandes installieren. Ikonographie und darin vor allem die Zeichnung der rückschauenden, „nostalgischen“ und allegorisierenden Melancholie dient also der Speicherung von Informationen über Jahrhunderte hinweg, die immer wieder abgerufen und aktualisiert werden können – so lange das Medium „Film“ selbst nicht zerfällt.

Die Tradition der platonischen Angst vor einem externen Speichermedium, das das eigene Erinnern überflüssig macht (Phaidros), wird in Tarkowskijs Film invertiert: Gerade durch das mechanische Gedächtnis von Rhetorik, Ikonographie und Allegorie wird eine Hermeneutik des Zuschauers in Gang gesetzt, die man „Erinnern“ nennen und die vielleicht Wahrheit oder auch die Erkenntnis von Scheinhaftigkeit aufdecken könnte – wie im Schlussbild von Nostalghia, in dem sich die dichotomen Räume des Films ineinander schieben. In Tarkowskijs Poetik des Films entzündet sich an dieser Erinnerungsarbeit so etwas wie ein hermeneutischer Gottesdienst, eine Kontemplation am Film, deren Ziel nichts weniger als Erlösung heißt. Die Denkfigur dieser melancholischen Beobachterfigur im Kino ist Walter Benjamins „Engel der Geschichte“, angeregt von Paul Klees Gemälde Angelus Novus, der sich immer nur und an alles erinnert, da er ständig die ganze Vergangenheit vor Augen hat und deswegen Geschichte als Geschichte von Trümmern und Ruinen betrachtet. Apokalypse findet für ihn als Dauerzustand statt, es gibt kein Ende der Geschichte für den, der vor Entsetzen gebannt zurückschaut.

Die Zeichnung der Melancholie in Tarkowskijs Film beschränkt sich aber nicht nur auf die Darstellung der Figuren, sondern ist an der gesamten Ästhetik des Films festzustellen. Die „melancholische Kamera“ wird an der allegorischen Verfahrensweise Nostalghias erkennbar. Denn trotz der ablehnenden Haltung Tarkowskijs gegenüber der Allegorie, die ihm zu intellektuell und distanziert erscheint, ist nach Hartmut Böhme die „gesamte Bildästhetik […] im Benjaminschen Sinne – als allegorisch zu bezeichnen. Benjamin hat in seinem Ursprung des deutschen Trauerspiels das poetische Verfahren der Allegorie gegen den klassizistischen Symbolbegriff rehabilitiert und als poetologische Klammer zwischen Barock und Romantik dargestellt.“ (Böhme 1988: 343)

Die Kette von dem barocken Magazin der Ikonographie über romantische Ruinenbilder bis hin zur romantischen Doppelgängerproduktion führt Nostalghia fort. Benjamins Trauerspielbuch betrachtet nach Böhme die Allegorie als Darstellungsmittel der Melancholie, „die sich im Akt des allegorischen Bedeutens mortifizierend in die Dinge einnistet.“ (Böhme 1988: 343) In ihrem Aufsatz Das Nach-Leben im Zitat über die Allegorie bei Benjamin schreibt Bettine Menke, dass das Prinzip der Allegorie das Dauern und ihr Modus die Mortifikation sei: „Die Allegorie wird – mortifizierend – zur Form des Dauerns der erstarrten Chiffren, denen die Treue des Melancholikers gilt […] Im Prozess des allegorischen Bedeutens geht in den Allegorien das Repräsentierende nicht auf, sondern bleibt durch seine Fixiertheit als „Bild“ das sich anhäufende Material in ihm oder besser: außen erhalten.“ (Menke 1991: 80)

Diese Vorgehensweise beschreibt ziemlich genau die filmisch-melancholische Perspektive in Nostalghia und die Tendenz, die Bilder als vielsagende Bild-Signifikanten in den Raum zu stellen. Aber selbst wenn der Zuschauer Handlungen und Requisiten des Films in ihrem ikonographischen Kontext erkennt, so sind die Zeichen dennoch nicht sinnvoll entschlüsselt. Denn Tarkowskij verwendet diese Zeichen sehr wohl reflektiert und gebrochen und lässt sie in seinen Filmen in immer neue Kontexte stürzen, das heißt auch, immer neue Bedeutungen annehmen. Allegorie im Benjaminschen Verständnis und in Tarkowskijs Filmen bedeutet nicht die klassisch-rhetorische Codierung des einen Rätsels durch ein anderes und damit die Fixierung von Bedeutung, sondern das Thema der Bedeutung selbst wird mit den Mitteln des Bildes und der Permutation des ikonographischen Archivs auf ewig verschoben.

Ein Beispiel ist die Rolle der Eugenia. Wenn Eugenia dem kapitalistischen und libertinen Abendland, Italien, und damit allegorisch der Superbia oder der Luxuria entspricht und der Redewendung entsprechend – „Hochmut kommt oft vor dem Fall“ – auch nach einem Rennstartversuch im Hotelflur auf ihren hohen Absätzen stürzt, warum lacht sie dann? Der ernste Hochmut der personifizierten Superbia wird unterlaufen. Eindeutige ikonologische und allegorische Sinnzuschreibungen helfen hier nicht weiter. Die Figur Eugenia zehrt ganz deutlich von den angesprochenen Zeichentraditionen, ist aber weit mehr als nur das moderne Pendant vormoderner Bild- und Sinntraditionen.

Von großer Bedeutung für Nostalghia ist die Mise en Scène, der Raum des Films, die Art der Landschaftszeichnung. Denn die Italienische Reise des Dichters führt durch eine Ruinenlandschaft. Italien ist für ihn weder der mediterrane Locus Amoenus, in dem Schäfer ihr Arkadien lobpreisen, noch das kapitalistische Touristenland, in dem südländische Sanguiniker ihren Leidenschaften nachgehen. Gortschakow Reise führt allein von einer Ruine zur nächsten. Zu Beginn hält er an der Kapelle Monterchi, in der die Madonna del Parto von Piero della Francesca, das als „Ebenbild“ seiner Frau Maria inszeniert ist, aufbewahrt wird. In einer Kerzenprozession ziehen gerade Frauen in die Kapelle, die um Mutterschaft beten. Gortschakow weigert sich, in die Kapelle einzutreten, und so sind seine ersten Worte das Motto der melancholischen Acedia: „Kann nicht mehr.“

Domenicos Haus, in dem die messianische Sendung Gortschakows stattfindet, erfüllt alle Kriterien an eine Ruine: Im Innenraum des Hauses, das der Natur und dem Verfall preisgegeben ist, herrschen Dunkelheit und Halbschatten vor. Innen- und Außenraum sind idealtypisch in der Ruine verschränkt. Die Äste eines Baumes ragen durch das Fenster in Domenicos Haus hinein. Der Regen des Gewitters, das bedeutungsvoll diese Sequenz eröffnet, dringt durch die vielen Löcher und Risse des Daches in das Haus, fängt sich geräuschvoll in aufgespannten Laken – ein Laken hängt über das Bett Domenicos, ein Ebenbild des Bettes in Gortschakows Hotel – und in aufgestellten Flaschen und Töpfen. Trotzdem bildet sich eine flächendeckende Wasserlandschaft in dem größeren Teil des Hauses, der einer zerfallenen Fabrikhalle ähnelt. Die Metamorphose des Raumes vom Innen- zum Außenraum wird in der Pfützen- und Schlammlandschaft vor einer Tür des Hauses fokussiert. Es ist eine Art Ursuppe, die sich unter dem allegorischen Blick Gortschakows in eine Seen- und Berglandschaft verwandelt.

Weitere Hinweise auf eine melancholische Ikonographie und auf den Verfall im Raum des Melancholikers finden sich in den Gegenständen der Hauseinrichtung und in der Darstellung der Figuren zwischen Licht und Schatten: Über einem Bild ist eine Kornähre befestigt. Hinter das Glas des Bildes ist ein Zirkel gesteckt. Beides sind Attribute Saturns, der als Schnitter, als Ernte- und Todesgott Saturnus (vgl. Klibansky/Panofsky/Saxl: 278) und als Baumeister mit Zirkel dargestellt wird (vgl. Klibansky/Panofsky/Saxl: 462). Domenico selbst posiert – wie für ein Gemälde – mit Brot und Wein, den Erträgen Saturns, des „Erfinder[s] des Ackerbaus“ (Klibansky/Panofsky/Saxl: 290). An einer Leiter hängt ein zerbrochener Regenschirm, ein alter Gegenstand, der wie das Haus dem Melancholiker keinen Schutz mehr vor dem feindlichen Element Wasser gewähren kann. Auf dem Kaminsims befinden sich Gegenstände des Wachstums und des Verfalls, Dinge der Zeit: Ein Kürbis, eine leere Flasche, eine Schaufel, ein Topf Kresse, ein eingerahmtes nicht sichtbares Bild, vertrocknete Blumen und ein Wecker, das Pendant zu der Sanduhr in Dürers Melencolia I, stehen dort. Als der Schatten an der Wand sich lichtet, zeigt sich das Photo eines Babypuppentorsos – ohne Extremitäten und Augen ist es ein Zerrbild des Menschen, der von Geburt an blind, unfähig zur Handlung und zum Tode verdammt ist. Es wird auf die besondere Bedeutung der Photographie hingewiesen, auf den Beobachterstandpunkt, der das Gesehene im Verfall statisch vor sich hat, als Schockeffekt, der im Photoblitz des Optisch-Unbewussten die Widersprüche und den Verfall deutlich zeigt, die „Dialektik des Stillstands“: Nature Morte.

Die melancholische Zeichnung Gortschakows und seiner Umgebung kulminieren schließlich in seiner zweiten und überdeterminierten Melancholiestation, der wasserüberfluteten Grotte einer Kirchen- oder Aquäduktruine. Dort verdichten sich die Attribute zu einem Locus Melancholicus: Gortschakow watet nicht nur durch das knie- bis hüfthohe Wasser, er ist auch betrunken, also von innen angefüllt mit dem feindlichen Element des Melancholikers, das gemäß der antiken Lehre nur in homöopathischen Dosen Heilung verspricht. Er hält zudem einen Becher Wodka in seiner Hand. Das Wasser, das für den bleischweren Melancholiker tödlich sein kann, verweist in dieser Sequenz zugleich auch auf die Metapher des Heraklit für die verstreichende Zeit, für die konstante Veränderung.

Das Wasser fließt nicht nur an Gortschakow vorbei, sondern auch über die marmorne Statue eines Engels hinweg und leitet damit zum zweiten wichtigen Motiv dieser Szene über, dem gefallenen Engel oder dem „Engel der Geschichte“ (Benjamin 1996: 669). Auf die gedankliche Verbindung der Geschichtsphilosophien Tarkowskijs und Benjamins hat schon Böhme hingewiesen (Böhme 1988: 343f.). Das Kind Angela, italienisch: „Engel“, steht außerhalb des Wassers und der Melancholie. Es sei mit seinem Leben zufrieden, antwortet es Gortschakow auf seine Frage und zeigt die andere nichtmelancholische Seite des Engeldaseins. Das Gedicht Arsenij Tarkowskijs, das Gortschakow in der Grotte vorträgt, berichtet von einem Engel, einer Mutter, einem Ikarusflug und dem Tod:

Die Trompeten schmetterten/ das Licht verschwand/ Hoch über dem Pflaster fliegt die Mutter und winkt mir zu/ und fliegt davon […] Und wenn es Nacht wird leuchten die 2 Flügel/ hinter mit nicht mehr. Beim Fest. Sammelt/ im Morgengrauen mein geschmolzenes Wachs.

Das Gedicht weist schon auf die Selbstverbrennung Domenicos hin, der als Höhepunkt des Autodafés zwei Flügel aus Feuer zu entwickeln scheint, dann aber in die Verzweiflung stürzt. Die Figur des Engels taucht auch in den Gedanken Gortschakows an seine Heimat auf. Dort wandelt eine weiße Figur mit Flügeln vor seinem Haus. Die Szene in der Grotte endet mit dem Eintritt des phantastischen Raums in einer Traumsequenz. Dort befindet sich Gortschakow in einer verlassenen Straße voller Schutt. In einem Schrank hängt ein Spiegel, in den er hineinschaut: Seine eigene Identität scheint verloren. Er sieht das Gesicht Domenicos, der spätestens jetzt als sein melancholischer Doppelgänger ausgewiesen wird.

Dem klassizistischen Topos des Locus Amoenus entsprechend hat der Melancholiker seinen Platz in der Welt nicht nur in den ausgewiesenen Berufen und als Reisender in der Fremde, sondern er findet sich auch gespiegelt in der Stimmung einer Landschaft – im Locus Melancholicus, der Ruine. Sie zeigt sich dem Blick des Melancholikers als Tempel der Vergänglichkeit und des Verfalls und als Ort der enttäuschten Hoffnungen des Menschen auf die Aufklärung als Beherrschung der Natur, auf den Fortschritt und auf die Zeit als sinnvolle oder teleologische Geschichte. Sie zeigt die Vergeblichkeit menschlichen Bau- und Schöpfungswillens. In der Ruine liegt etwas Gewachsenes, etwas nicht vom Menschen Gemachtes oder Gewolltes. Natur, Zeit und Zerstörung formen die Ruine, nachdem der Mensch sie verlassen hat. Böhme sieht in den Ruinen einen „melancholischen Blick[…] auf die Trümmer der Geschichte, [der] die offenen Wunden der Moderne zu bewältigen“ (Böhme 1988: 352) hat und sieht die Moderne eingeholt von einem apokalyptischem Denken, das die Natur wieder mitdenkt. (vgl. Böhme 1988: 354) Doch auch ohne den Gedanken des Menschen an die Natur mahnen die Ruinen offensichtlich das Ende einer Geschichte an, die von Menschen geprägt ist.

Kaiserpanorama. Das Gedächtnis der Apokalypse

Nostalghia ist nicht nur ein Film über die Melancholie und ihrem architektonischen Emblem, die Ruine, sondern er handelt von der Zeit und vom Ende der Zeit. Verweise auf die Eschatologie und die Umstände des Doppelopfers von Gortschakow und Domenico sorgen für eine Engführung von Melancholie und Allegorie mit der Offenbarung der Apokalypse, die das Ende von Erinnerung, Gedächtnis und jeder Art von Hermeneutik bedeutet. Formal spiegelt sich dies in der zu Raum geronnen Zeit, Bildern, die in jeder Aktion zu einem Tableau erstarren. Der Film verpflichtet sich nicht nur einer Ästhetik der Langsamkeit, sondern auch einer des Stillstands. Eine geringe Einstellungs- und Sequenzzahl, sichtbare Schnitte und ruhige Kamerafahrten bis hin zum vollständigen Stopp kennzeichnen Nostalghia.

Viele Sequenzen sind als Gemälde konzipiert. Sie sind streng durchkonstruiert, eingerahmt und mit vielen Ornamenten und Hinweisen auf bekannte Gemälde, speziell den romantischen Ruinenbildern von Caspar David Friedrich, versehen. (vgl. Böhme 1988: 335-344) Gortschakow erlebt auf seiner Reise keine zeitlich bewegte Abfolge von Ereignissen, sondern landet vielmehr von einem geschlossenen Raum zum nächsten. Die Altarszene in Monterchi, das Hotelzimmer und der Hotelflur in Bagno Vignoni, die überflutete Grotte, die verfallene Abtei, die Treppen des Kapitols in Rom – sie sind alle streng räumlich und zumeist zentralperspektivisch durchkonzipiert und haben symmetrisch aufgeteilte rahmende Einfassungen. Langsamer Gang und Stillstand machen aus dem Film einen ausgedehnten Besuch durch ein Museum oder eine Gemäldegalerie. Diese Bilder einer Ausstellung haben deswegen weniger mit dem Medium Film als mit Photographie zu tun. Die Szenen werden entschleunigt, fallen aus der Kinematik und aus der Zeit heraus.

Die strukturale Nähe Nostalghias zur Photographie überträgt sich auf Funktion und Wirkung. Der Kinobesucher konsumiert keinen Film, keine dynamische Handlung, sondern er wird mit allegorischen Landschaftsaufnahmen aus der Sicht eines Melancholikers oder einer Figur aus einem Gemälde von Friedrich konfrontiert. Es tritt eine für den Zuschauer apparativ angeordnete und allegorisch in Szene gesetzte Zugangsweise in kraft, die sich deutlich an Roland Barthes’ Vergleich zwischen Film und Photographie in Die helle Kammer illustrieren lässt: „Zwar gibt es im Film ohne Zweifel immer einen photographischen Referenten, doch dieser Referent ist gleitend […] die PHOTOGRAPHIE hingegen sprengt den „konstitutiven Stil“ […] sie ist ohne Zukunft (darin liegt ihr Pathos, ihre Melancholie); sie besitzt nicht den geringsten Drang nach vorn, indes der Film weiterstrebt und somit nichts Melancholisches hat.“ (Barthes: 100)

Die Verbindung der Form des Standbilds zum Komplex und Rezeptionspotenzial von Melancholie und Apokalypse wird aufgezeigt und zusammengedacht mit der Kontemplation des Betrachters, die nur bei Bildern, aber nicht bei Bewegungen, also kinematischen Bildern, erfolgen kann. Die apokalyptische Denkweise kennt keine Zukunft. Der Betrachter kann nicht über die Momentaufnahme, das Standbild, das allegorisch auf die Endzeit verweist, hinaus denken oder sprechen.

Wenn man die These von filmischen Standbildern in Nostalghia ernst nimmt, kommt man unweigerlich zu Vergleichen wie Photoalbum, Museumsgemälden und auch zu dem Gerät, das vor dem Kino hinsichtlich Funktion, Raumgestaltung, Lichttechnik und auch Thematik dem Kino am nächsten kommt, denn es wird vornehmlich für Reisebilder benutzt. Die Rede ist vom „Kaiserpanorama“: „Es war ein großer Reiz der Reisebilder, die man im Kaiserpanorama fand […] Musik, die Reisen mit dem Film so erschlaffend macht, gab es im Kaiserpanorama nicht.“ (Benjamin 1996: 409) Musik, die das Verstreichen von Zeit markiert, also nur Zeit und keinen Raum, fehlt nach der Aussage Benjamins. Im Kaiserpanorama, einer Rotunde, in der mehrere Stereoskope eingelassen sind, liegt die Priorität also beim Raum und zwar beim stillgestellten.

Hanns Zischler schreibt zu Kafkas Reflexionen über das Kaiserpanorama im Gegensatz zum Kino: „Es sind im Grunde theaterhaft nachgestellte Szenen, Bilder, die von außen nach innen gehen, von der befestigten Figur zu den Kulissen, während das Kinobild […] den umgekehrten, zentrifugalen Weg beschreitet.“ (Zischler: 43) Zischlers Diagnose des Wunsches Kafkas, das Kinema und das Stereoskop in der „Ruhe des Blickes“ (Kafka: 15f.) zusammenzufassen, beschreibt exakt die Vorgehensweise Tarkowskijs: „Die gewünschte Vereinigung von Kinema und Stereoskop kann es nicht geben – es sei denn, der Film käme zum Stillstand und würde zum „lebendigen Tableau“ erstarren. Das motion picture, das in sich bewegliche und bewegte Bild müsste in einer undenkbaren, unentscheidbaren Bewegung zwischen Innen und Außen verharren. Der verräumlichte Stillstand der Stereophotographie macht das Bild lebendiger […] Das (oder der) Kinema opponiert gegen die Ruhe des Blickes und erzeugt weniger eine lebendige als eine mechanische Wirklichkeit, eine automatisierte Unruhe.“ (Zischler: 44f.)

Das schon am Modell der Ruine demonstrierte Motiv der Verschränkung von Innen und Außen findet sich in den Tableaus von Nostalghia bis zum Schlussbild als Darstellung von filmischer Imagination und mythisch-phantastischem Raum wieder.

„In einem übertragenen Sinn ist das zyklisch aufgebaute Kaiserpanorama ein Bild der Italienreisen Kafkas.“ (Zischler: 46) Vergleichbares gilt für die Italienreise Gortschakows und nach der Poetik der Versiegelten Zeit auch für Tarkowskij. Zunächst ist die Reise erst einmal keine, die das mediterrane und arkadische Italien mit seinen temperamentvollen sanguinisch-heißblütigen Einwohnern in den Blick nimmt. Die Reise gilt nicht den Menschen, sie gilt nichts Lebendigem, sondern sie funktioniert wie ein „Kaiserpanorama“, das den Blick maschinell von einem Tableau, einer starren Landschaftsszene mit Ruinen, zur nächsten lenkt. Nostalghia funktioniert deshalb auch eher als Kaiserpanorama denn als Photoalbum, das handgesteuert, also geblättert, wird. Kaiserpanorama und Kino sind maschinengesteuert und streben unbarmherzig dem Ende zu. Es gibt kein Aufhalten der Katastrophe, nur ein auf Wiederholung gestelltes melancholisches Innehalten – von einem Trümmerhaufen zum nächsten. Angesichts der Reise von einer Ruine zur nächsten und dem doppelten Höhepunkt zwischen dem Purgatorium der Schwefeltherme und dem Inferno in Rom könnte man auch von einer Odyssee durch die Unterwelt sprechen.

Gestützt wird die These der Unterwelt durch das Auftauchen des Seelenbegleiters, des Psychopompos, der namentlich in den Mythen der Unterwelt in verschiedenen Formaten und Funktionen als Kerberos, Garm oder Anubis vertreten ist und getreu den Dichter durch seine Wanderungen durch den Hades begleitet. „Zoe“, griechisch: „Leben“, ist der Name des Schäferhundes von Domenico, der versucht, die todgeweihten Melancholiker zu beschützen und in ihre Heimat, die nur der Tod und die imaginäre Welt von Erinnerung und Phantasie sein kann, zu führen. Der musikalische Dichter Gortschakow entspricht in diesem Mythengemälde Orpheus in der Unterwelt. Er folgt der schönen Eurydike durch den Hades, lässt sie dann aber doch im Zentrum der Unterwelt, in Rom, zurück, kehrt im Tod dieser Welt den Rücken zu und findet zuletzt sein imaginäres Elysium, sein fiktives Russland, seine mythische Heimat, bevor sich auch dies als Scheinwelt entpuppt. Durch seinen Opfergang verschränken sich aber die Sphären von Realität und Phantasie, die seinen Blick zuvor melancholisch gespalten haben, in eine Art filmreflexive Unio Mystica.

Die melancholische Perspektive in Nostalghia, seine Geschichtsphilosophie und seine Zeitdiagnose lassen sich, wie schon angedeutet, mit Konzepten von Benjamin vergleichen. Steht Tarkowskij in seinen Absichten zum Gegenstand „Film“ auch diametral den revolutionär-politischen Intentionen Benjamins (Benjamin 1977) – genau wie denen Eisensteins – gegenüber, so hat er doch mit Benjamin die Melancholie und den allegorischen Blick auf die Geschichte, das Interesse an der Ästhetik von Ruine und Verfall und an eine Formulierung von Eschatologie und messianischem Sendungsbewusstsein gemein. Die Melancholie als intellektuelle Haltung abseits des aufklärerischen Geschichts- und Fortschrittsoptimismus verbindet die Werke beider. Benjamin stellt in seinen Thesen Über die Geschichte anstelle der Kamera den „Engel der Geschichte“ auf, der auf das Trümmerfeld menschlicher Geschichte zurückschaut. Bei Tarkowskij schaut ein gefallener und stigmatisierter Engel, Lucifer, der Lichtträger, auf die Ruinenlandschaft der Welt. Melancholie mischt sich mit dem Eindringen der Phantastik und des Mythos in Realität und Vernunft. Sämtlichen Figuren ist deshalb eine extreme Aufklärungskritik, verbunden mit einem melancholischen Zweifel, eingeschrieben.

Doch existiert bei Benjamin neben der Verzweiflung über die misslungene Aufklärung auch die Utopie in der Gegenwart, „eine schwache messianische Kraft“ (Benjamin 1996: 666), die sich in der Reflexion über Kunst und über die Trümmer-Fragmente der Geschichte ausbilden kann. Die Erlösung kann – vergleichbar der Phantastik in Nostalghia – jederzeit in die Realität eintreten, wenn die richtigen Bedingungen dafür vorhanden sind. Auch in Nostalghia muss die Welt erlöst werden, aber alle Rituale und Opfer, die der Mensch nach dem Prinzip Hoffnung durchführt, kommen zu spät. Sie müssen scheitern, da der Mensch nicht vom materiellen Körper loslässt, um seinen Geist zu befreien. Gortschakows Kerzenflamme und die anthroposophischen Anklänge Domenicos in seiner römischen Rede lassen diesen Gedanken anklingen. Das Sendungsbewusstsein Domenicos skizziert das sinnlose Anrennen gegen eine Gegenwart von Menschen, die ihn längst ausgegrenzt haben und seine Bemühungen als Wahnsinn klassifizieren. Domenicos und Gortschakows tragische Konflikte sind in der aufgeklärten Moderne keine Tragödien mehr, sondern Krankengeschichten. Sie scheitern deshalb nicht an der Welt oder an dem Willen der Götter, sondern an sich selbst, sie leiden nicht an Hybris, sondern an ihrer Krankheit zum Tode.

Das Opfer Domenicos gerät zur Farce, der unbeteiligte Gortschakow stirbt ohne Konsequenz für die Welt. Allein die Kunst, die Imagination, die Phantastik, die Fiktion bieten vielleicht eine Nische für eine harmonische Einheit von Zerbrochenem und Gespaltenem – eine Offenbarung also nur innerhalb des Scheins. Dieser Fluchtpunkt, diese Nische der kleinsten gemeinsamen Hoffnung in der Kunst und der Imagination zum Schluss – und damit auch die Verzweiflung und Melancholie an der Realität – verbinden die Tarkowskijschen Bilderwelten mit den philosophisch-literarischen Schriften Benjamins. Zusammen mit der programmatischen Blickkonzeption Tarkowskijs muss das Kunstwerk selbst, dieser Film Nostalghia, diesen einen Sinn, diesen Fluchtpunkt, als Reflexionsraum anbieten, da er als Film zuletzt selbst thematisiert wird.

Was ist also das Gedächtnis von Tarkowskij? Neben der Aufarbeitung alteuropäischer Zeichentraditionen und der seltsamen Verknüpfung der Themen Melancholie, Erinnerung und Apokalypse in Nostalghia können wir als „versiegelte Zeit“ durchaus Film und auch die Filmrolle von Nostalghia in der „Metallbüchse“ verstehen. Denn der Film selbst ist die aufgezeichnete Zeit und damit das mediale Gedächtnistheater unserer Kultur, und wie Friedrich Kittler behauptet, könnten die technischen Bilder des Films das letzte Bollwerk gegenüber einer vollständigen apokalyptischen Implosion der Welt in einem entdifferenzierten Computer-Universum sein. (vgl. Kittler: 7-33) Zwischen dem Ende der alteuropäischen Gutenberg-Galaxis und dem Beginn der elektronischen Turing-Galaxis, mit der jede Differenz und damit auch die Menschheit endet, schiebt sich ein melancholisch-retrospektives Mediengedächtnis von Photographie und Film und schiebt damit das Ende der Welt immerfort ein kleines Stück auf. Tarkowskij selbst dazu: „Die gesichtete und fixierte Zeit konnte nunmehr für lange Zeit (theoretisch sogar unendlich lange) in Metallbüchsen aufgehoben werden.“ (Tarkowskij 1989: 65)

Literatur

  • Barthes, Roland: Die helle Kammer. Bemerkungen zur Photographie. Frankfurt am Main 1985.
  • Benjamin, Walter: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner Reproduzierbarkeit. Frankfurt am Main 1977.
  • Ders.: Ursprung des deutschen Trauerspiels. Frankfurt am Main 1993.
  • Ders.: Über den Begriff der Geschichte. In: Ders.: Walter Benjamin. Ein Lesebuch. Hg. von Michael Opitz. Frankfurt am Main 1996: 665-676.
  • Ders.: Der Sürrealismus. Die letzte Momentaufnahme der europäischen Intelligenz. In: Ders.: Walter Benjamin. Ein Lesebuch. Hg. von Michael Opitz. Frankfurt am Main 1996: 149-164.
  • Bloch, Howard: Der altfranzösische Lai als Klage- und Gedächtnisort. In: Anselm Haverkamp/Renate Lachmann (Hg.): Gedächtniskunst: Raum – Bild – Schrift. Studien zur Mnemotechnik. Frankfurt am Main 1991: 189-206.
  • Böhme, Hartmut: Kritik der Melancholie und Melancholie der Kritik. In: Ders.: Natur und Subjekt. Frankfurt am Main 1988: 256-273.
  • Ders.: Ruinen – Landschaften. Zum Verhältnis von Naturgeschichte und Allegorie in den späten Filmen von Andrej Tarkowskij. In: Ders.: Natur und Subjekt. Frankfurt am Main 1988: 334-379.
  • Ders.: Vergangenheit und Gegenwart der Apokalypse. In: Ders.: Natur und Subjekt. Frankfurt am Main 1988: 380-398.
  • Ders.: Albrecht Dürer. Melencolia I. Im Labyrinth der Deutung. Frankfurt am Main 1989.
  • Kafka, Franz : Reisetagebücher in der Fassung der Handschrift. Frankfurt am Main 1994.
  • Kittler, Friedrich: Grammophon – Film – Typewriter. Berlin 1986.
  • Klibansky, Raymond/Erwin Panofsky/Fritz Saxl: Saturn und Melancholie. Studien zur Geschichte der Naturphilosophie und Medizin, der Religion und der Kunst. Frankfurt am Main 1992.
  • Lachmann, Renate: Gedächtnis und Literatur. Intertextualität in der russischen Moderne. Frankfurt am Main 1990.
  • Menke, Bettine: Das Nach-Leben im Zitat. Benjamins Gedächtnis der Texte. In: Anselm Haverkamp/Renate Lachmann (Hg.): Gedächtniskunst: Raum – Bild – Schrift. Studien zur Menmotechnik. Frankfurt am Main 1991: 74-110.
  • Tarkovskij, Andrej: Opfer. Filmbuch. München 1987.
  • Ders.: Hoffmanniana. Szenario für einen nicht realisierten Film. München 1987.
  • Tarkowskij, Andrej: Die versiegelte Zeit. Gedanken zur Kunst, zur Ästhetik und Poetik des Films. Frankfurt am Main/Berlin 1989.
  • Ders.: Martyrolog. Tagebücher 1970-1986. Frankfurt am Main/Berlin 1989.
  • Ders.: Martyrolog 2. Tagebücher 1986-1991. Frankfurt am Main/Berlin 1991.
  • Zischler, Hanns: Kafka geht ins Kino. Reinbek bei Hamburg 1996.

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