Kathartische Rückversicherung

Auch das australische Hinterland beherbergt den Redneck. Den grimmigen Antipoden zu Crocodile Dundee hat bereits Greg McLean mit „Wolf Creek“ auf die Leinwand gebracht (welcher als Produzent auch an „Storm Warning“ beteiligt ist). Hier nun hat er Gesellschaft bekommen, ist zu einer dreiköpfigen Familie, einem Vater und zwei Brüdern, gewachsen und nach wie vor auf den zivilisierten Städter nicht gut zu sprechen. Das bietet mittlerweile nicht mehr allzuviel Anlass zur Verwunderung: „The Texas Chainsaw Massacre“ samt Prequel, „Hostel“, „The Hills have Eyes“ und „Wrong Turn“ samt Fortsetzungen, nicht zuletzt eben auch „Wolf Creek“ haben genügend Steilvorlagen geboten, um die Pioniere des 70er und frühen 80er Terrorfilms des vergangenen Jahrhunderts ins zeitgenössische Kinogedächtnis zu retten und lassen mittlerweile nicht mehr sonderlich viel Variationsbreite des bekannten Sujets zu. Indem die urbanisierten Eindringlinge die Fesseln ihrer inneren Naturbeherrschung abstreifen und ihnen nichts anderes bleibt, als sich den enthemmten Trieben ihrer hinterwäldlerischen Antagonisten anzugleichen, um das eigene Überleben zu sichern, bleibt ihnen zum Schluss meist die kathartische Erkenntnis von der eigenen Bestialität im Korsett der zivilisatorischen Hybris.

Dem bürgerlichen Ehepaar in „Storm Warning“, das es nach einer ausgedehnten Bootstour überrascht vom Unwetter und der eigenen Desorientierung direkt ins Farmhaus ihrer Peiniger verschlägt, ergeht es da nicht anders. Der Clou des Films besteht nun allenfalls darin, dass er sich des Vorwissens seines Publikums bedient, um die genrespezifische Erwartungshaltung zu verunsichern. Das tut er vornehmlich mit den Mitteln der umgekehrten Rollenzuschreibung und einer Verlagerung der graphischen Gewalt auf Seiten des bedrohten Pärchens. dvr000317d.jpgDie Tortur, die beide über sich ergehen lassen müssen, bleibt – verhältnismäßig – zahm, kapriziert sich zunächst auf psychischen Terror, über den jedoch beständig die Gefahr einer drohenden Vergewaltigung schwebt. Nachdem sich der Mann als unfähig erweist, der Situation Herr zu werden und zudem durch einen Beinbruch als handelnder Akteur ausscheidet, obliegt es nun einzig der Geschicklichkeit und Taktik der Frau, ihr Schicksal abzuwenden. Der Rachefeldzug wird zu einem Zeitpunkt angetreten, an dem die anderen Vertreter dem Bedrohungsgefühl quasi überhaupt erst seine Evidenz verliehen.

Nun lässt sich wohl noch nicht von einer Geschlechterdekonstruktion sprechen, bloß weil die Frau das Zepter des Mannes in die Hand nimmt. Den rational auf seine Zurichtung als sexuelles Objekt reagierenden Frauencharakter wusste das Genre bereits desöfteren hervorzubringen, bereits in Grenzgängern wie Peckinpahs „Straw Dogs“. Von der starken Frau, die sich selbst zu helfen weiß, zeugen bereits die oben genannten Beispiele. Auch der verschobene Gewaltmodus, die Brutalität des Pärchens, wirkt nicht derart verstörend, wie es sich die Dramaturgie scheinbar erhofft, und dass mag selbst ein dramaturgisches Problem sein. Denn obgleich die Folterbande gar nicht im genregerechten Ausmaße ihrer Bezeichnung gerecht werden kann, sind die Zeichen der von ihr ausgehenden Gefahr doch zu eindeutig. Die sexuelle Nötigung, aber spätestens der Fund einer Leiche lassen zu wenig Spielraum, um der Bedrohung noch mit guten Argumenten oder dem heimlichen Fluchtversuch zu entgehen. So besteht früh genug kein Zweifel daran, dass einzig blutige Notwehr den Tod des Pärchens abwenden kann. Wie sie das machen, bleibt als Spannungsbogen dem Plot erhalten, dass sie dazu gezwungen werden, steht jedoch außer Zweifel. Die Antizipation dessen, was noch folgend wird, wird zur Triebfeder der Selbsterhaltung, mit dem einzigen Unterschied, dass die aktive Frau einen passiven Mann bei sich weiß, der den Beweis seiner genreerwünschten Männlichkeit schuldig blieb. Der kathartische Schlusseffekt indes schmiegt sich in Gänze an die landläufigen Konventionen: die Zivilisation zu bezwingen, um gänzlich unzivilisiert in ihren Schoße zurückzukehren. Das transzendiert noch nicht die Erzählmodi des Genres, ermöglicht aber dafür immer noch einen sehr ambitionierter Beitrag.

Storm Warning
(Australien 2007)
Regie: Jamie Blanks
Darsteller: Nadia Farès, John Brumpton, Robert Taylor, David Lyons u.a.
Länge: 77 Min. (gekürzte KJ-Fassung)
Verleih: Koch Media

Zur DVD von Koch Media:

Die durch und durch als solide zu bezeichnende kommt im Schuber daher und überzeugt durch ein sauberes Bild und einer klaren Tonspur. Der O-Ton ist standardgemäß enthalten. Die Extras sind nicht der Rede wert: Das „stumme“ Making Of zeigt einige Drehimpressionen, die Interviews übersteigen nicht den Nährwert eine Featurette. Die vorliegende Fassung, mit dem Vermerk keine Jugendfreigabe, musste leider zensurbedingt um einige Minuten erleichtert werden, was durch eine bereits vom Verleih angekündigte, dann von der Juristenkommission abgesegneten Special Uncut-Version später korrigiert werden soll.

Ausstattung der DVD im Einzelnen:

Bildformat: 1,85:1 (anamorph)
Ton/Sprache: Deutsch (DTS/ Dolby Digital 5.1), Englisch (Dolby Digital 5.1)
Extras: Making Of, Interviews, Trailer
FSK: keine Jugendfreigabe
Veröffentlichungsdatum: 08.02.2008 (Kauf)

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