Ausstellungsstück

Der im so genannten Performance-Capturing-Verfahren entstandene „Die Legende von Beowulf“, ist zu allererst ein Film, der unweigerlich als Demonstration dessen rezipiert werden wird, was derzeit mit modernster Computertechnologie machbar ist. Es ist simple Dialektik, dass diese Zurschaustellung technischer Innovation dem Film wahrscheinlich auf anderer Ebene zum Verhängnis werden wird: Wer zeigen will, was machbar ist, zeigt unweigerlich auch, was noch nicht machbar ist.

dielegendevonbeowulf_poster_6.jpgDer hünenhafte Krieger Beowulf (Ray Winstone, der diesen Film nur mit seiner Stimme zu beherrschen scheint) landet mit seinem Schiff an der Küste des Königreichs Hrothgars (Anthony Hopkins), dessen Burg immer wieder von dem abscheulich entstellten Riesen Grendel (Crispin Glover) heimgesucht wird. Beowulf tötet den Riesen, doch beschwört damit den Zorn von dessen Mutter (Angelina Jolie) herauf. Als er diese, einen Wasserdämon, töten will, schlägt sie ihm einen Handel vor: Sie verspricht Hrothgars Reich verschonen, wenn Beowulf ihr einen neuen Sohn schenkt. Eine Gabe Hrothgars an den Krieger, ein kostbares goldenes Horn, das ebenfalls in ihren Besitz übergeht, symbolisiert den Handel. Der eitle Krieger kann nicht widerstehen, geht den Pakt mit dem Dämon ein und kehrt zurück. Doch König Hrothgar ahnt, dass etwas nicht stimmt: Er nimmt sich das Leben und gibt seine Krone an Beowulf weiter. Jahre später kündigt sich die Strafe für dessen Eitelkeit an: Als ein Untergebener Beowulf das verloren geglaubte Horn zurück bringt, ist der Vertrag gebrochen und Beowulfs Sohn, ein mächtiger Drache, überfällt das Königreich …

Seitdem Peter Jackson mit seiner immens erfolgreichen „Herr der Ringe“-Trilogie eindrucksvoll bewiesen hat, was alles möglich ist, scheint das Gerede über „unverfilmbare“ Stoffe endgültig der Vergangenheit anzugehören. Dass das mittelalterliche Epos um Beowulf, das für den angelsächsischen Sprachraum eine ähnliche Stellung einnimmt wie die Nibelungen-Sage für den deutschen, noch keine adäquate, große Verfilmung erfahren hat, liegt jedoch weniger an einer solchen Unverfilmbarkeit, sondern vor allem an der Struktur des Quelltextes, der nur sehr fragmentarisch überliefert ist. Der renommierte Fantasy- und Comicautor Neil Gaiman hat zusammen mit Drehbuchautor Roger Avary diese Lücken gestopft und so die Initialzündung für eine Verfilmung gegeben, die dem historischen Stellenwert des Epos gerecht wird. „Die Legende von Beowulf“ ist prächtiges Fantasykino mit einem überlebensgroßen Helden, blutigen Schlachten, finsteren Dämonen, aber – und genau das ist die Crux – ohne Menschen. Diese wünscht man sich ironischerweise umso sehnlicher herbei, je realistischer die Gestalten aus dem Computer aussehen. In diesen Momenten, wenn man schon kaum noch benennen kann, warum die Illusion nicht gelingt, offenbart sich das Scheitern des Performance Capturing (ein technisches Verfahren, das in Robert Zemeckis „Der Polarexpress“ zum ersten Mal zum Einsatz kam und bei dem die Aktionen von Schauspielern mit denen von im Computer entstandenen Charakteren überlagert werden) am stärksten.

grendel.jpgAber die Technik ist auch in anderer Hinsicht anfällig: Während Hauptfiguren wie etwa Beowulf brillant animiert sind, fallen unwichtige Nebenfiguren, Gestalten, die den Bildhintergrund bevölkern, unweigerlich dagegen ab; Berührungen der Figuren untereinander funktionieren nicht, weil sie eben nicht wirklich stattfinden, und Bewegungen wirken niemals so zufällig und kontingent wie es selbst die gewollteste Schauspieleraktion immer noch tut. Es liegt etwas Tragisches in „Die Legende von Beowulf“, in dem gescheiterten Unterfangen der Figuren, lebendig zu werden. Doch es gibt sie, die magischen Momente, in denen die Kunstfiguren auf der Leinwand tatsächlich belebt scheinen, aber sie sind selten und betonen noch die Vorläufigkeit der Darbietung in anderen Szenen. So folgt man dem Geschehen zwar fasziniert, malt sich aber ständig aus, wie dieser Film wohl mit echten Schauspielern hätte aussehen können. Zemeckis’ im Presseheft zitierten Beteuerungen, es gäbe keinen Schauspieler, der den Beowulf, so wie er ihn vor Augen habe, hätte spielen können, scheinen vorgetäuscht und kleinlich: Wie kompromissunwillig darf ein Filmemacher eigentlich sein? Das Drehbuch hätte eine Realfilmumsetzung allemal verdient gehabt. Wie hätte der famos inszenierte, spektakuläre und atemberaubende Finalkampf Beowulfs gegen den Drachen – ein Highlight des Kinojahres – erst gewirkt, wenn man mit einem echten Menschen hätte mitfiebern müssen, statt mit einer leblosen Ansammlung von Koordinaten?

So bleibt letztlich ein äußerst kurzweiliger und spannender, durchaus schön anzusehender Film, der jedoch gerade seinen größten Makel nicht ablegen kann: Er erreicht nie das Herz seiner Zuschauer. „Die Legende von Beowulf“ ist und bleibt zu allererst eine technische Demonstration, ein Ausstellungsstück, an dem ein Schild mit der Aufschrift „Nicht anfassen“ prangt. Das Nebenher und Aneinander-Vorbei der Figuren auf der Leinwand spiegelt das Verhältnis des Zuschauers zum Film insofern beinahe ideal wider: Man bleibt immer auf Distanz.

Die Legende von Beowulf
(Beowulf, USA 2007)
Regie: Robert Zemeckis, Drehbuch: Neil Gaiman, Roger Avary, Kamera: Robert Presley, Musik: Alan Silvestri, Schnitt: Jeremiah O’Driscoll
Darsteller: Ray Winstone, Anthony Hopkins, Robin Wright-Penn, John Malkovich, Crispin Glover, Brendan Gleeson, Angelina Jolie
Länge: 114 Minuten
Verleih: Warner Bros.

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