Der Kampf gegen die Krake

Nicht wenigen gelten Fernsehserien als besonders minderwertiges Produkt der Kulturindustrie (in der Nachfolge der gleichfalls verfemten Feuilletonromane des 19. Jahrhunderts und der Radio-soap-operas, deren televisuelle Ableger – zuletzt als daily soaps – noch heute ihren angestammten Platz im Programm haben). Serialität und Iteration sind ihre Kennzeichen: Folge für Folge wird der gleiche Grundkonflikt ausgefochten, stets innerhalb von 45 Minuten und immer mit einem hinreichend offenen Ende (damit’s weitergeht). Exemplarisch dafür ist die Krimiserie: Jede Woche löst der Kommissar den Mordfall innerhalb der zugestandenen Sendezeit und weist das Böse temporär in seine Schranken – bis zur nächsten Woche.

Von diesem Fluch der Endlosschleife hat sich das Format unterdessen längst emanzipiert: Viele Serien sind längst so zugeschnitten, dass die einzelnen Folgen ein großes Ganzes bilden, ein übergreifender Spannungsbogen hält den Zuschauer bei der Stange. Extremes Beispiel dieser Tendenz ist die überaus erfolgreiche Serie 24, die sich dem bloßen Gelegenheitszuschauer gar nicht mehr erschließen kann; wer eine oder mehrere Folgen verpasst, ist „raus“. Gleiches gilt für viele Serien der BBC (exemplarisch etwa Spooks, hierzulande leider ein Geheimtip), die schon vorneherein durch eine geringere Anzahl von Episoden pro Staffel und eine entsprechende Dramaturgie das typische Seriendesign unterlaufen und auf die gezielte Enttäuschung von Erwartungshaltungen setzen (die natürlich unterdessen vom Rezipienten ihrerseits erwartet werden).

Lange vor diesem Trend hat bereits die Serie Allein gegen die Mafia (im italienischen Original: La Piovra, ‚Der Krake‘) souverän die Konventionen des Genres gebogen: Der Kampf gegen die organisierte Kriminalität Siziliens wird konsequent als eine nahezu aussichtslose Unternehmung inszeniert. Die Hauptfigur der Serie in den ersten vier Staffeln, der von Michele Placido verkörperte Commissario Cattani, erreicht in seinem Kampf gegen die Mafia allenfalls geringe Teilerfolge, die sich nicht selten gar als Pyhrrussiege erweisen. Jeder dieser Erfolge wird teuer erkauft: Seine Familie und seine Mitstreiter werden sukzessive von der Mafia, die auf ihre Kontakte in Politik und Staatsapparat zählen kann, ermordet. Wohl gelingt es ihm, einzelne Unternehmungen des organisierten Verbrechens zu sabotieren, aber die Hintermänner bleiben für ihn unerreichbar.

In Deutschland liegen nunmehr die ersten vier Staffeln auf DVD vor; die Staffeln 1 bis 3 wurden von Koch Media produziert, die vierte gerade von Kinowelt auf den Markt gebracht. Sie rekapitulieren die Geschichte Cattanis bis zu ihrem konsequenten Ende: In der ersten Staffel wird Cattani, noch ein naiver junger Polizist aus Mailand, nach Sizilien versetzt, um den ermordeten Polizeichef einer sizilianischen Kleinstadt zu ersetzen. Als er den Versuchen widersteht, sich durch Bestechung gefügig machen zu lassen, lässt man seine Tochter Paola entführen und vergewaltigen. Am Anfang der zweiten Staffel begeht Paola Selbstmord, weil sie das Trauma ihrer Entführung nicht verwinden kann. Cattani, der sich am Ende der ersten Staffel gebrochen aus Sizilien zurückgezogen hatte, lässt sich in der zweiten Staffel von Dottore Ferreti wieder für den Kampf gegen die Mafia einspannen und vereitelt die Zusammenarbeit von sizilianischer und amerikanischer Mafia. Im Laufe dieser Staffel verliert er zwar seinen Mitstreiter Ferreti und auch seine Ehefrau Else, die an seiner Statt von der Mafia ermordet wird, kann aber immerhin einige der Hintermänner aus Staffel 1 mit ihren Verbrechen in Verbindung bringen. Den kleinen Erfolgen zum Trotz zieht er sich ins Kloster zurück; erst Waffengeschäfte der Mafia, die durch das Bankhaus Antinari finanziert werden sollen, veranlassen ihn in der dritten Staffel zur Rückkehr in die Welt des Verbrechens. Das Waffengeschäft wird zwar unterbunden, aber die Drahtzieher bleiben, obwohl Cattani sie identifizieren kann, unangetastet. In der gerade auf DVD veröffentlichten vierten Staffel setzt er den Kampf gegen diese Drahtzieher, v. a. den Mafiaboss Il puparo (‚Der Puppenspieler‘) und den Bankier Tano Cariddi, fort. War die Serie schon immer recht düster, so ist der Tonfall in dieser Staffel schon gleichsam elegisch: Commissario Cattani ist ein Todgeweihter, der einen zwar nicht sinn- aber doch hoffnungslosen Kampf führt; am Ende bezahlt er schließlich mit seinem Leben.

Eindringlich bebildert die Serie, wie die Mafia das Leben derer beherrscht und letztlich immer auch zerstört, die in ihre Fänge geraten (etwa die Bankiersdynastie Antinari, deren Mitglieder nahezu alle in der dritten Staffel den Tod finden, oder der von Mario Adorf verkörperte Salvatore Frolo, dessen Familie ebenfalls von der Mafia ermordet wird, als er sich einer Forderung nicht fügt); die große Familie der Mafia zerstört und absorbiert die kleinen Familien. Der atmosphärische Soundtrack von Ennio Morricone ergänzt kongenial die düsteren Bilder. Die Produktionsqualität ist hoch, die Besetzung illuster: Gaststars aus dem europäischen Ausland und auch aus den USA ergänzen den italienischen Cast, waren es in den ersten drei Staffeln z. B. François Périer oder Martin Balsam, so treten in der dritten Staffel Mario Adorf und Bruno Cremer auf.

Die Veröffentlichung der nachfolgenden Staffeln soll sukzessiv erfolgen; man darf gespannt sein und sich darauf freuen, denn die Staffeln 5 und 6 mit Vittorio Mezzogiorno (als Mafiajäger Davide Licata) gelten als der Höhepunkt der Serie. Wünschenswert wäre auch eine Veröffentlichung der zehnten, in Deutschland bislang nicht gezeigten Staffel. Allein gegen die Mafia demonstriert jedenfalls überzeugend, dass auch das Genre der Krimiserie kein Gefangener der eigenen Konventionen sein muss, sondern diese durchaus übersteigen kann, ohne an Wucht oder Interesse zu verlieren.

Allein gegen die Mafia. Staffel 1.
(La Piovra, Italien 1984)
Regie: Damiano Damiani, Drehbuch: Odile Barski, Sandro Petraglia, Stefano Rulli, Kamera: Marcello Gatti, Musik: Riz Ortolani, Produktion: Claudia Aloisi
Darsteller: Michele Placido, Florinda Bolkan, Jacques Dacqmine, Flavio Bucci, Barbara de Rossi, François Périer
Länge: ca. 360 Minuten (6 Episoden)
Verleih: Koch Media

Zur DVD von Koch Media

Die erste Staffel liegt in deutschem und italienischem Monoton vor; für die deutsche Fernsehausstrahlung gekürzte Szenen sind nicht synchronisiert, aber deutsch untertitelt. Die Bild- und Tonqualität ist akzeptabel, aber das Alter der Serie ist dem Material deutlich anzusehen.

Zur Ausstattung der DVD-Box:
Bild: 1:1,33 (4:3)
Ton: Deutsch, Italienisch (Mono 1.0)
Untertitel: deutsch
Extras: keine
Länge: ca. 360 Minuten
Freigabe: Freigegeben ab 12 Jahren
Preis: ca. 25,- Euro

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Allein gegen die Mafia. Staffel 2.
(La Piovra 2, Italien 1985)
Regie: Florestano Vancini, Drehbuch: Odile Barski, Ennio de Concini, Kamera: Nino Celeste, Enzo Meniconi, Musik: Ennio Morricone, Produktion: Claudia Aloisi
Darsteller: Michele Placido, Florinda Bolkan, Jacques Dacqmine, Martin Balsam, Renato Mori, Nicole Jamet, Sergio Fantoni, François Périer
Länge: ca. 384 Minuten (6 Episoden)
Verleih: Koch Media

Zur DVD von Koch Media

Auch die zweite Staffel liegt in deutschem und italienischem Monoton vor; für die deutsche Fernsehausstrahlung gekürzte Szenen sind nicht synchronisiert, aber deutsch untertitelt. Die Bild- und Tonqualität ist akzeptabel, aber das Alter der Serie ist dem Material deutlich anzusehen.

Zur Ausstattung der DVD-Box:
Bild: 1:1,33 (4:3)
Ton: Deutsch, Italienisch (Mono 1.0)
Untertitel: deutsch
Extras: keine
Freigabe: Freigegeben ab 12 Jahren
Preis: ca. 25,- Euro

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Allein gegen die Mafia. Staffel 3.
(La Piovra 3, Italien 1987)
Regie: Luigi Pirelli, Drehbuch: Sandro Petraglia, Stefano Rulli, Kamera: Nino Celeste, Musik: Ennio Morricone, Produktion: Francesco Giorgi
Darsteller: Michele Placido, Florinda Bolkan, François Périer, Giuliana de Sio, Alain Cuny, Francisco Rabal, Marie Laforet, Franco Trevisi, Remo Girone
Länge: ca. 429 Minuten (7 Episoden)
Verleih: Koch Media

Zur DVD von Koch Media

Wie schon die erste und zweite Staffel hat auch die dritte deutschen und italienischen Monoton; für die deutsche Fernsehausstrahlung gekürzte Szenen sind nicht synchronisiert, aber deutsch untertitelt. Die Bild- und Tonqualität ist akzeptabel, aber das Alter der Serie ist dem Material deutlich anzusehen.

Zur Ausstattung der DVD-Box:
Bild: 1:1,33 (4:3)
Ton: Deutsch, Italienisch (Mono 1.0)
Untertitel: deutsch
Extras: keine
Freigabe: Freigegeben ab 12 Jahren
Preis: ca. 25,- Euro

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Allein gegen die Mafia. Staffel 4.
(La Piovra 4, Italien 1989)
Regie: Luigi Pirelli, Drehbuch: Francesco Marcucci, Sandro Petraglia, Stefano Rulli, Kamera: Nino Celeste, Musik: Ennio Morricone, Produktion: Francesco Giorgi
Darsteller: Michele Placido, Patricia Millardet, Simona, Cavallari, Mario Adorf, Remo Girone, Bruno Cremer
Länge: ca. 572 Minuten (6 Episoden)
Verleih: Kinowelt

Zur DVD von Kinowelt

Für die vierte Staffel hat Kinowelt leider auf den italienischen Originalton verzichtet; dafür gibt es immerhin ein paar Extras, wenn diese auch etwas mau sind. Zwar ist das Design grob an dem der Koch-Boxen orientiert, die DVD stecken aber nunmehr nicht in Amarays, sondern einem recht schmalen Digipack.

Zur Ausstattung der DVD-Box:
Bild: 1:1,33 (4:3)
Ton: Deutsch (Mono 1.0)
Untertitel: deutsch
Extras: Fotogalerie, Trailer, Biografie von Michele Placido
Freigabe: Freigegeben ab 12 Jahren
Preis: ca. 25,- Euro

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