Erkenne deinen Feind

Algerien während des Kriegsjahres 1942: Der desertierte britische Major Donald Craig (Rock Hudson) wird von vermeintlich neutralen Franzosen aufgegriffen und zum Abtransport in ein deutsches Internierungslager vorbereitet. Wenig später wird er jedoch von Captain Kurt Bergman (George Peppard) befreit, einem Nazi, der sich dann jedoch als deutscher Jude im Dienste des britischen Geheimdienstes entpuppt. Die Briten möchten aufgrund der sich zuspitzenden Situation in Nordafrika einen alten, einst abgeschmetterteten Plan Craigs in die Tat umsetzen, um die Eroberung El Alameins durch die Nazis zu verhindern und deren Siegeszug aufzuhalten: Die in Tobruk befindlichen Treibstoffvorräte für Rommels Panzerdivision sollen zerstört werden. Doch bis Tobruk ist es ein weiter Weg …

tobruk.jpgArthur Hillers „Tobruk“ drängt den Vergleich mit den anderen großen Kriegsabenteuer- und Kommandofilmen der Sechzigerjahre – „Die Kanonen von Navarone“, „Das dreckige Dutzend“, „Gesprengte Ketten“, um nur die berühmtesten zu nennen – zunächst auf. Ein strahlender Held in der Hauptrolle, farbenprächtige Bilder in Cinemascope, ein orchestraler Score, eine schicksalsträchtige Mission und die Nazis, die finstersten Schurken, die die Filmgeschichte zu bieten hat: allesamt bewährte Versatzstücke, die auch „Tobruk“ aufweist, wenn auch alles eine Nummer kleiner ausgefallen ist. Doch schon nach kurzer Zeit entwickelt „Tobruk“ einen ungewöhnlichen Diskurs um Identität und Täuschung, der ihn von den genannten Filmen abhebt und ihn schon fast zum Antikriegsfilm macht. Mehr noch als ein Spielplatz für große Tapferkeit und das Duell der Technologien entpuppt sich der Zweite Weltkrieg, wie er in „Tobruk“ dargestellt wird, nämlich vor allem als große Maskerade, in der niemand der ist, der er vorgibt zu sein. Die angeblich neutralen Franzosen arbeiten doch für die Nazis, der Nazi Bergman ist tatsächlich ein Jude im Dienst der Briten, das Naziehepaar, das von den Tuaregs aufgegriffen wurde, ist eigentlich ein britisches, das aber für die Nazis tätig ist. Und so ist es auch nicht die Mission, die die größte Herausforderung und die eigentliche Gefahr darstellt, sondern die Enttarnung von Verrätern und Doppelagenten.

Unterstützt vom Drehbuch (Autor Leo Gordon verfasste viele Bücher für Roger Corman) treibt Hiller dieses Versteckspiel so weit auf die Spitze, dass die eigentliche Mission, die Zerstörung der Treibstofftanks, immer mehr in den Hintergrund tritt. Der Krieg ist weder der Ort, an dem sich tapfere Helden im ehrlichen Zweikampf begegnen, noch sind Verrat und Betrug nur singuläre Nebenerscheinungendes Krieges: Sie sind vielmehr eine integrale Erscheinung des Systems „Krieg“. So kommt es dann auch erst im Finale zur direkten Feindbegegnung und zum unausweichlichen Gefecht, das dann mit seinem zerstörerischen Bombast etwas ermüdend wirkt und nicht mehr so recht zum Rest des Films passen will. Vorher können sich die Helden stets durch Raffinesse und Täuschung der drohenden Gefahr entziehen: Die sich bedrohlich nähernden Divisionen der Deutschen und Italiener werden durch gezielte Schüsse gegeneinander aufgehetzt, das Schema des Minenfelds durch vorsichtiges Offenlegen einzelner Minen „decodiert“, die Tuaregs in den Glauben versetzt, es mit verbündeten Deutschen zu tun zu haben. Natürlich kann „Tobruk“ diesen Diskurs – ich deutete es schon an – nicht bis zum Ende führen, dafür ist er viel zu sehr Kind seiner Zeit. Der strahlende Held darf seine makellos reine Weste bis zum Ende anbehalten und Colonel John Harker (Nigel Green), Aushängeschild des Empires und letztes Exemplar einer aussterbenden Art, geht lieber mit offenem Visier für die gute Sache in den Tod, anstatt sich auf irgendwelche Deals mit dem Feind einzulassen. Dennoch nimmt „Tobruk“, der leider nicht den Bekanntheitsgrad seiner Zeitgenossen erlangt hat, einen kleinen Sonderstatus im Genre ein und ist schon allein deshalb durchaus zu empfehlen.

Tobruk
(Tobruk, USA 1967)
Regie: Arthur Hiller, Drehbuch: Leo Gordon, Kamera: Russell Harlan, Musik: Bronislau Kaper, Schnitt: Robert C. Jones
Darsteller: Rock Hudson, George Peppard, Nigel Green, Guy Stockwell, Jack Watson
Länge: 105 Minuten
Verleih: e – m – s

Zur DVD von e – m –s

Bild- und Tonqualität sind nicht überragend, aber völlig akzeptabel. Nennenswerte Extras gibt es nicht, dafür aber ein schön anachronistisches Coverartwork und das Originalkinoprogramm als Booklet.

Zur Ausstattung der DVD:
Bild: 2,35:1
Ton: Deutsch, Englisch (Dolby Digital 1.0 Mono)
Extras: Kinotrailer, Trailerschau, Booklet
Länge: ca. 105 Minuten
Freigabe: ab 16
Preis: 11,95

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