»Mit Herzblut gemalt«

Der zwar leidlich erfolgreiche, aber stillose und „unmotiverte“ Maler Sorg ist reichlich exzentrisch. Er quält seine Verlobte nur zum Spaß, malt Bilder allein zum Verkauf und nach Bestellung, hasst seine(n) Kritiker und mehr noch seinen Galeristen. Sein Kunststil wechselt mit jedem Bild: Kubismus, Expressionismus, Impressionismus, naive Malerei, … Das einzige, was die Betrachter seiner Bilder immer wieder aufs Gleiche fasziniert, ist sein Umgang mit Farben. Doch Sorg ist nicht in der Lage, aus dieser Farbfähigkeit Potenzial zu ziehen. Als seine Verlobte eines Tages ein paar Blutstropfen auf eine seiner Leinwände verspritzt, ist er wie hypnotisiert von dem völlig neuen Effekt. Er zeichnet das Bild weiter, indem er sich selbst immer wieder in die Finger schneidet. Doch sein Blut reicht nicht: Irgendwann ist er zu schwach, um den Pinsel zu halten. Da kommt ihm die Idee, wie er sich auf artfizielle Weise seiner Verlobten entledigen kann. Er tötet sie, malt mit ihrem ihrem Blut und verscharrt ihren Körper am Strand. Das Bild wird ein riesen Erfolg und ihm werden immense Summen dafür geboten, doch er will es nicht verkaufen. Der Maler, der nun „Blut geleckt hat“, lockt Frauen aus der Umgebung in sein Haus, tötet sie und malt mit ihrem Blut immer neue Meisterwerke. Als ihm schließlich die Tochter einer seiner größten Fans in die Hände gerät, wendet sich sein Glück.


Wie eng Lewis in „Color me Blood Red“ die Themen „Kunst“ und „Leben“ führt, ist schon erstaunlich. Wie in Poes „Das ovale Portrait“ überträgt sich alle Lebenskraft vom Portraitierten auf das Portrait – im wahrsten Sinne des Wortes. Denn der moderne Horrorfilm benötigt die Metapher der Gruselnovelle nicht mehr, um sein Grauen zu bebildern: Er formuliert es aus, wie es sich zeigt. Und noch eine weitere Schauergeschichte kommt in den Sinn: Oscar „Wildes Bildnis des Dorian Gray“, bei dem der Jugendliche Gray sich wünscht ein Portrait möge altern, während er immer jung bleibt. Der Wunsch geht in Erfüllung und wird ihm, der in Dekadenz und Zynismus untergeht, zum Verhängnis. Auch Sorgs neue Lebensgeister lassen ihn zusehends wahnsinniger und exzentrischer werden. Sein Äußeres spiegelt den Wahn im inneren von Minute zu Minute intensiver. Und während seine Bilder „ausbluten“ (um den Farbeffekt zu erhalten, verwendet er keine Firnis) steigert sich seine Inspiriertheit durch das Blut bis in die Selbstzerstörung.

Lewis, der die Schamhaftigkeit des klassischen Horrorfilms durch das „Zeigen“ endgültig hinter sich gelassen hat, scheint in „Color me Blood Red“ so etwas wie die Reflexion seines eigenen Schaffens inszeniert zu haben: Künstler Sorg ist bis zur seiner Entdeckung des Blut-Effektes ein Unbekannter, Erfolgloser, seine Kunst ohne eigenen Charakter und nahezu unverkäuflich. Erst der Skandal des Hyperrealismus (die Rezipienten Sorgs ahnen nicht, dass es sich um echtes Blut handelt) verhilft ihm zu Anerkennung und Marktwert. Das ähnelt jenem Paradigma, das Lewis‘ eigenem Schaffen zu Grunde liegt: Wie kann ich mit Filmen Geld verdienen? Diese ökonomische Motivation steht in der Moderne keineswegs im Widerspruch zur Kunst. Denn die Liaison „Kunst und Geld“ hat gerade den modernen Horrorfilm extrem befruchtet und ihn zu immer neuen ästhetischen Kapriolen geführt. Das Fortschrittsprinzip des modernen Horrorfilms ist vor allem dem Kalkül der Produzenten zu verdanken mehr als mit vorherigen Film verdienen zu wollen/müssen.

Damit ist „Color me Blood Red“ nicht nur ein sehr reflektierter, sondern auch ehrlicher und vielleicht Lewis‘ persönlichster Film.

Color me Blood Red
(USA 1965)
Regie, Buch & Kamera: Herschell Gordon Lewis
Musik: David F. Friedman, Schnitt: Robert L. Sinise
Darsteller: Gordon Oas-Heim, Candi Conder, Elyn Warner, Patricia Lee, Jerome Eden, Scott H. Hall, James Jackel, Iris Marshall, William Harris, Cathy Collins
Verleih: CMV, Länge: 79 Minuten


Die DVD von CMV

Sicherlich: Wer bei Herschell Gordon Lewis-Filmen makellosen Ton oder störungsfreies Bild erwartet, der kennt nicht die Produktionsbedingungen, unter denen seine Filme entstanden sind. Und so bekommen wir bei dieser CMV-DVD genau das, was zu erwarten ist und was man deshalb mit gutem Gewissen „originalgetreue Rekonstruktion des Werkes“ nennen könnte. Das tut der Genialität der Publikation, ja der gesamten Edition jedoch keinen Abbruch, denn sowohl die Ausstattung als auch die Aufmachung der Scheibe verdienen das Attribut „genial“:

Neben dem Haupt-Film befindet sich (wie bei jeder der DVDs der Reihe) ein langer Zusatzfilm, der mal mehr mal weniger in assoziativer Nähe zum Lewis-Film steht. Bei „Color me Blood Red“ ist das The Hideous Sun Demon (USA 1959).

Die Ausstattung im Einzelnen:

# Bild: 1:1,33 (PAL)
# Ton: Englisch (DD 2.0) mit deutschen und holländischen Untertiteln
# Audiokommentar von Herschell Gordon Lewis
# Bildergalerie
# Outtakes aus „Color me Blood Red“ (mit Musik und Audiokommentaren)
# Trailershow der HGL-Filme
# Länge: 79 Minuten
# Zusatzfilm: The Hideous Sun Demon (Länge: 75 Min.)

Stefan Höltgen

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