Das Duell mit dem Vampir

Womit fange ich an? Damit, dass die Summe einer handvoll guter Stoffe selbst nicht zwangsläufig einen guten Stoff ergeben muss? Damit, dass die Unkenrufe, die Postmoderne habe ihre Kinder gefressen hat, wenn die Kunst der Allusionen ihre Zitate „kannibalisiert“ (Benjamin), ohne dass etwas Originelles dabei herauskommt (was ja im streng-definitorischen Sinne gar nicht „postmodern“ wäre)? Oder vielleicht damit, dass die Mühe vielleicht doch wert sein könnte, etwas Neues oder Nettes unter dem Bilder-Konglomerat zu suchen. Am besten alles Drei der Reihe nach.


Gabriel von Helsing kennt der mediensozialisierte Leser/Zuschauer als den streng-wissenschaftlicher verfahrenden Widersacher des Grafen Dracula, der ihn besiegt, weil er etwas hat, was Dracula nicht hat: Emotionslosigkeit. Als ein solcher wird dieser Charakter auch in Stephen Sommers Film „Van Helsing“ präsentiert: Im Auftrag einer geheimen Bruderschaft, die sich aus Vertretern aller Weltreligionen zusammensetzt, wird Van Helsing (Hugh Jackman) um den Globus geschickt, um die Monster, die von Gott nicht Gewollten, ins Jenseits zu befördern. Im Prolog ist das zunächst Dr. Jeckyll/Mr. Hyde (Stephen Fisher/CGI), den Van Helsing im Notre Dame stellt und erledigt, wo ersterer als Glöckner tätig ist. Danach, ins geheime Hauptquartier der Bruderschaft zurück geordert, erhält er den Auftrag, nach Transsylvanien zu reisen, um dort den Grafen Dracula (Richard Roxburgh) unschädlich zu machen. Versprochen wird Van Helsing, der unter Amnesie leidet, dass er dort auch etwas über seine eigene Vergangenheit herausfindet.

Vor Ort bekommt er es mit der schönen Anna Valerious (Kate Beckinsale) zu tun: Auch sie jagt Dracula, weil dieser ihre gesamte Familie ausgerottet hat (eine alte Wette einlösend). Dracula plant Schlimmes: Mit Hilfe des von Baron Doktor Frankenstein (Samuel Weest) erbeuteten technischen Apparates, wollen sich der untote Vampir und seine drei Vampir-Bräute (Josie Moran, Silvia Colloca und Elena Anaya) Nachkommen erschaffen. Van Helsing plant, dies zu verhindern und bekommt dabei Schützenhilfe vom alleingelassenen Frankenstein-Monster (CGI/Shuler Hensley). Indes kehrt Annas Bruder Velkan (Will Kemp) als Werwolf zurück, um im Auftrag Draculas die Widersacher aus dem Weg zu räumen. Van Helsing wird im Zweikampf mit dem Werwolf gebissen und verwandelt sich beim nächsten Vollmond ebenfalls in einen solche. Und darin liegt die Chance, Dracula endgültig zu vernichten, denn nur der Werwolf kann dies.

Für „Van Helsing“ hat Produzent, Regisseur und Drehbuchautor Sommers ordentlich ins Zeug gelegt, um nahezu alle klassischen Universal-Horrorstoffe in seinen Film aufzunehmen (nur die Mumie hat gefehlt!). Die Art, wie die Stoffe verknüpft sind, ist nachvollziehbar … aber das reicht nicht: Zu sehr um das heroische Pathos seines Heldentrios (Van Helsing/Anna/Dracula) bemüht, versandet die Erzählung in schon Tausend Mal Gesehenem. Sommers muss an Filme wie Coppolas „Bram Stoker’s Dracula“ oder Demmes „The Silence of the Lambs“ gedacht habe, als er die Optik seines Werkes ausgeknobelt hat. Doch wo Coppolas Effekte stets im Dienst der Narration stehen und Demme Düsternis immer in Hinblick auf die Atmosphäre im Kinosaal einsetzt, verbraucht sich „Van Helsing“ in nerviger CGI, großspurigen, aber sinnentleerten Einstellungen und Kamerafahrten, aber vor allem im übertriebenem Schauspiel. Im „Van Helsing“ zeigt sich also sehr deutlich, was die Postmoderne vom Eklektizismus unterscheidet: der tiefere Sinn des Zitierens und die doppelte Lesart.

Und dennoch kommt der Zuschauer auf seine Kosten. Denn, wenn man den überbordenden Stil und den schmalzigen Pathos zu übersehen im Stande ist, geraten auf einmal die sehr schön gezeichnete Nebendarsteller ins Blickfeld: Ein Igor (Kevin J. O’Connor), den Dracula von Frankenstein als Gehilfe abgeworben hat, der den Werwolf ständig quält, weil er es „so gut kann“ und ein Gehilfe Van Helsings, Carl (David Wenham), der als kauziger Ordensbruder, die wissenschaftliche Seite Van Helsings, welcher viel zu sehr mit kämpfen beschäftigt ist, vertritt. Erwähnt werden müssen auch die drei Vampir-Bräute, von denen eine schöner/böser ist als die andere und deren Kostümierung ihre gleichen sucht.

Der Gag mit dem Motiv-Mixup ist übrigens so originell nicht. In den 60er und 70er Jahren gab es etliche Fernsehproduktionen, die – rund um die Ausstrahlung der Universal-, Hammer- und Corman-Klassiker – eigene kleine Produktionen mit verschiedenen Filmmonstern darboten. „Van Helsing“ ist also keineswegs der erste Medienstoff, in dem Frankenstein auf Dracula trifft. Dem Deutschen Zuschauer dürfte sich noch eine andere Assoziation aufdrängen, nämlich die zu den in den 80er Jahren äußerst populären Kinderhörspielen von H. G. Francis (mittlerweile auf CD wiederveröffentlicht). Auch hier gibt es „Dracula und Frankenstein – Die Blutfürsten“ und „Das Duell mit dem Vampir“ als Vermischung verschiedener Horrormotive. Bei letzterem nährt sich sogar der Verdacht einer weiteren Inspirationsquelle von Van Helsing: Auch hier kann der Vampirismus nur durch einen Werwolf gestoppt werden.

„Van Helsing“ hat im Erwecken dieser Erinnerungen einen besonderen Wert. Kleinere Details der megalomanen Produktion sorgen ebenfalls für leichtes Vergnügen. Aber im Großen und Ganzen ist der Film einfach viel zu „glatt“ in seinen Bildern, zu kalkuliert in seiner Dramaturgie und viel zu unintelligent im Zitat seiner Motiv-Vorlagen. Regisseur Stephen Sommers dachte, „es wäre cool, wenn alle klassischen Monster der Universal-Studios irgendwie aufeinandertreffen könnten.“ (so ein Interview im Presseheft) … aber er hat sich bei der Realisierung seiner Idee dann einfach zu sehr auf das „cool“ und das „irgendwie“ konzentriert.

Van Helsing
(USA 2003)
Regie, Buch & Produktion: Stephen Sommers
Kamera: Allen Daviau, Schnitt: Kelly Matsumoto & Bob Ducsay, Musik: Alan Silvestri
Darsteller: Hugh Jackman, Kate Beckinsale, Richard Roxburgh, Elena Anaya u. a.
Länge: 131 Minuten
Verleih: UIP

Stefan Höltgen

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