When whiteness attacked us …

Horrorfilme nach den literarischen Vorlagen Stephen Kings zählen zwar nicht unbedingt zu den besten, aber häufig zu den erfolgreichsten Beiträgen des Genres, was wohl damit zusammenhängt, dass Kings Stoffe oft den „kleinsten gemeinsamen Teiler“ des Unheimlichen in den verschiedensten Rezipienten ansprechen. Seine Motive bedienen sich bei der Populärkultur, der Volksmythologie oder, wie er es nennt, bei den Ängsten der Kindheit, also verschiedensten Urängsten, greifen damit nicht selten auf kulturelle Stereotype zurück, die von Technikphobie bis hin zur puritanischen Sexualmoral reichen. Deshalb hängt die „Qualität“ eines Stephen-King-Films eigentlich immer davon ab, wer den jeweiligen Stoff für die Leinwand adaptiert. Die Bandbreite reicht vom herausragenden „The Shining“ Stanley Kubricks bis hin zu den sich sklavisch an der Vorlage heftenden Filmen eines Mick Garris. Auch Frank Darabont ist als „King-Verfilmer“ nicht unerfahren: Bereits 1983 hatte er dessen Geschichte „The Woman in the Room“ in einen überaus bedrückenden Kurzfilm verwandelt und 1994 mit „Die Verurteilten“ und 1999 mit „The Green Mile“ Lob und Preise eingeheimst. Seine jüngster Film „Der Nebel“ ist nun auf Blu-ray erschienen und dieser Film hebt sich wieder einmal deutlich von den anderen Leinwandadaptionen Kings ab.

Darabont hält sich weitgehend an die Vorlage, ändert von dieser jedoch den Schluss: Ein mysteriöser Nebel treibt einige Bewohner einer Kleinstadt in einem Supermarkt zusammen. Ein Verletzter berichtet, dass irgendetwas in dem Nebel sei, dass Menschen angreife und töte. Die Gruppe teilt sich zunächst in Zweifler und solche, die die Gefahr ernst nehmen. Nachdem von ersteren einige den Kreaturen im Nebel zum Opfer fallen, entstehen jedoch schnell neue Gruppenkonstellationen. Nun teilen sich die Supermarkt-Insassen in eine handvoll Entschlossener auf, die der Falle entkommen und Hilfe suchen wollen und eine immer stärker anwachsende Gruppe, die in den Ereignissen eine Strafe Gottes und das jüngste Gericht sehen wollen. Diese gruppieren sich um eine offensichtlich geistesgestörte aber fanatische Christin, die schon bald beginnt ihre „Jünger“ gegen die Rationalisten aufzuwiegeln. Die Situation im Markt eskaliert mehr und mehr, als die Bedrohung von Außen zunimmt. Schließlich gelingt es einigen, aus dem Martk zu entkommen und mit einem Auto (und unter gewaltigen Verlusten) in eine unsichere Zukunft zu fahren, an deren Ende entweder die Rettung oder der sichere Tod durch die Monster im Nebel steht.

Kings Erzählung endet derartig offen; Darabont entschließt sich jedoch zu einem weitaus gewagteren und zeitgemäßeren Finale. Man spürt förmlich, dass es ihm weniger um die Kreaturen und den Horror, den sie verbreiten, gelegen war, als vielmehr den sozialen Prozessen und vor allem den jeweiligen Deutungen der Ereignisse. Die Partei der hyperkritischen Rationalisten, die die Gefahr in ihrer eigentlichen Beschaffenheit leugnen, wird dabei als ebenso falsch dargestellt, wie die Apokalypse-Jünger, die im Nebel die Rache eines alttestamentarischen Gottes sehen. Überlebensfähig sind einzig diejenigen, die in der Lage sind, beide Extreme miteinander zu denken. Man kann sich des Eindruck nur schwer erwehren, dass Darabont mit seinem Film eine Kritik an jener bedenklichen Science-Fiction-Saga „Left Behind“ von Tim LaHaye und Jerry Jenkins formuliert. Die Moral von „Left Behind“ ließe sich problemlos konform mit der irren Weltuntergansprophetin im Supermarkt denken – und hat in den USA bereits in Form von Comics, Literatur, Film und anderen Produkten der Populärkultur 60 Millionen Käufer gefunden. „Der Nebel“ ist jedoch weit mehr als die Verhandlung fundamentalistischer Ansichten.

Schon Darabonts erste King-Adaption „The Woman in the Room“ hat gezeigt, welches großartige filmerische Talent in ihm steckt. Er “sieht”, das Filmische in der Literatur und schält es aus den Stoffen heraus, ohne sich ihnen allzu platt anzudienen (oder deren Plattheiten zu übernehmen). Die King-Novelle „Der Nebel“, eine etwa 170 Seiten umfassende Erzählung aus der “Skeletton Crew”, ist im selben Jahr wie Carpenters “The Fog” erschienen. Anders als King beginnt Darabont gleich mit einem Verweis auf Carpenter, wie um sich gegen den Vorwurf der naiven Übernahme zu schützen: Sein Protagonist ist Filmplakatmaler und hat ein großformatiges Poster von Carpenters „The Thing“ in seinem Atelier hängen. Darabonts Film setzt sich also durch das Zitat von jeder Kritik plumper Motiv-Übernahme ab (wenngleich man den Nebelmonstern eine Nähe zu den Kreaturen eines H. P. Lovecraft und ihrer Filmwerdung in Steward Gordons „From Beyond“ kaum absprechen kann). Der titelgebende Nebel bekommt in Darabonts Film jedoch auch eine strukturale Komponente.

Gelang es ihm schon bei „The Woman in the Room“ die Schuld am Tod und den Horror des Untotseins auf eine metaphysische Ebene (Sterbehilfe als Dienst am geliebten Menschen) zu transponieren, indem er den beängstigenden Bildern einen unfassbar langsamen Schnitt-Rythmus und einen esoterisch-sanften Flöten-Soundtrack angedeihen lassen hat, so leistet er dies bei „Der Nebel“ in der Darstellung des Nebels noch einmal. Es ist eine weiße Wand, auf die die Gefangenen im Supermarkt all ihre Ängste projizieren, ein Weiß, das alle möglichen Schrecken „in Latenz“ enthält, wie ein unentwickeltes Foto – oder wie eine unbelichtete Kinoleinwand. Der Versuch diese Latenz zu durchdringen endet für die Protagonisten notwendigerweise im Filmraum, in dem alle möglichen und unmöglichen Wesen warten. „Der Nebel“ geht sehr klug mit dieser Doppeldeutigkeit um, weil er sie niemals ins Offensichtliche überträgt. Anstelle dessen lässt Darabont seinen Film in den Momenten, in denen sich die Menschen in den Nebel hinein wagen, besonders filmisch werden, zeigt Slow-Motion, spielt mit der Montage, überlegt alles mit einem unfassbar passgenauen Soundtrack (Mark Isham hat dazu Dead can Dances “The Host of the Seraphim” in seinen sowieso sehr gelungenen Score implementiert). „Der Nebel“ wird damit zu einem Horrorfilm über Horror und Film mit vielfältigsten Perspektiven.

Der Nebel
(The Mist, USA 2007)
Regie & Buch: Frank Darabont; Musik: Mark Isham; Kamera: Ronn Schmidt; Schnitt: Hunter M. Via
Darsteller: Thomas Jane, Marcia Gay Harden, Laurie Holden, Andre Braugher, Toby Jonesm William Sadler u. a.
Länge: 126 Minuten
Verleih: Constantin

Die Blu-ray-Disc von Constantin

Die nun erschienene Blu-ray-Disc von Senator bringt dies natürlich in der bestmöglichen Bild- und Tonqualität zur Geltung. Darüber hinaus ist das Zusatzmaterial der „Special Editon“ bemerkenswert: Eine Schwarzweiß-Fassung des kompletten Films (Darabont wollte „Der Nebel“ ursprünglich ohne Farbe drehen, ist dann wohl aber mit den Vorstellungen Hollywoods kollidiert), ausführliche Making-ofs der Spezialeffekte, entfallene Szenen, ein Audiokommentar Darabonts und einiges mehr finden sich auf der Disc. Die Cover-Gestaltung verdient überdies lobende Erwähnung: Das Metalpack ist beinahe in Schwarzweiß bedruckt, im Selber des Metalls findet der Nebel eine gelungene grafische Entsprechung und im Zentrum prangt ein blutroter Handabdruck (wie er sich auf der Supermarkt-Tür im Film findet). Die Blu-ray-Disc ist damit eine in allen Facetten gelungene Ausgabe des Films.

Die Ausstattung der Blu-ray-Disc im Einzelnen:

Bild: 16:9 (1080p/24p)
Ton: Deutsch (DTS HD Master audio 5.1), Englisch (DTS HD Master audio 5.1), Audiokommentar
Untertitel: Deutsch, Englisch u.a.
Extras: Audiokommentar von Frank Darabont, Kinotrailer, Schwarz-Weiß Filmfassung mit Einleitung, Die Monster unter uns – Ein Blick auf die Kreatur-Effekte, Der Horror im Ganzen, Die visuellen Effekte, Entfallene Szenen – optional mit Audiokommentar, Making-of (35 min)
FSK: ab 16 Jahren
Preis: 29,99 Euro
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Der F.LM-Podcast zu „Der Nebel“
Oliver Nödings Kritik zu „Der Nebel“

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