Familienzusammenführung

Eigentlich wollte Rob Zombie nie eine Fortsetzung seines John Carpenter-Remakes „Halloween “ drehen, doch als das Studio ihm die Pläne für ein Sequel eröffnete, gemahnte ihn sein künstlerischer Stolz, sein Projekt lieber selbst zu beenden, als es in die Hände eines anderen zu übergeben. Also willigte  Zombie ein und griff das Thema des von klein auf delinquenten Michael erneut auf. Im Gegensatz zum zahmeren ersten Teil fällt „Halloween II“ durch brutale und auch groteske Gewaltdarstellungen auf. Bereits die erste Sequenz eröffnet dem Zuschauer einen voyeuristischen, doch anatomisch gut recherchierten Blick in die Erste-Hilfe-Behandlung der Überlebenden des ersten Teils, wobei einige Zuschauer bereits beim Anblick der Wundbehandlung zusammenzucken mögen. Man sieht Myers aus dem Leichenwagen fliehen und mit Brachialität  den Kopf eines Coroners mit einer Glasscherbe abtrennen. Die Unwirksamkeit und mangelnde Schärfe einer derartigen Waffe rufen durchaus Bilder der Enthauptung von Nicholas Berg durch irakische Terroristen ins Gedächtnis, die ähnlich schwerfällig mit stumpfen Schnittwaffen den Tod des Geschäftsmannes herbeiführten. (Dass freilich derartige Vergleiche ein heißes Eisen sind, wissen wir seit des Bildvergleichs von Abu Ghuraib mit Pasolinis „Die 120 Tage von Sodom“ durch Ulrich Raulff, weshalb dieser Faden gar nicht weiter gesponnen werden und nur als Anmerkung bestehen bleiben soll.)

halloween2-usposterDie einleitende Sequenz, in der Myers Laurie  bereits im Krankenhaus nachstellt, entpuppt sich, zum Glück des Regisseurs, als Albtraum der Protagonistin. Wäre dies die Realität der Exposition gewesen, hätte der Film bereits hier sämtliche Kredibilität eingebüßt, da er in diesem Fall von Minute Eins ein Slasher-Stalker-Film und somit als leidenschaftslose Pflichtproduktion erschienen wäre. Die Ehrenrettung durch das Erwachen der traumatisierten Laurie leitet einen ästhetisch wie dramaturgisch ausgeklügelteren Film ein, um dessen Nichterscheinen in deutschen Kinos es tatsächlich schade ist. Doch leider wird den deutschen Horror-Aficionados hier der Leinwandgenuss verweigert, der nur einigen wenigen dank der Macher des Fantasy Filmfests in einer Handvoll einmaliger bundesweiter Vorführungen ermöglicht wurde. Rob Zombie ästhetisiert in seinem Film das Hässliche: Neben Detailaufnahmen der von Michael Myers voll Inbrunst zerstörten Körper finden sich auf der Ton- und Bildebene absolute Kunstgriffe, die diese Gewalt zum Teil eines Gesamtkunstwerkes machen. Der gekonnte Einsatz von Schachtelmontagen und der den Zuschauer stellenweise in festgelegte Richtungen manipulierende Schnitt rufen Erinnerungen an Sergej Eisensteins Theorie der ‚Montage der Attraktionen‘ wach. So beispielsweise in der Szene, als der Sheriff versucht, seine Tochter von der Natürlichkeit des Fleischessens („man was meant to eat meat“!) zu überzeugen, während Zombie parallel dazu eine Szene montiert, in der Myers einen Hund schlachtet und dessen Innereien isst.

Wie bereits im ersten Teil setzt Zombie auch in „Halloween II“ auf gekonnt in den Vordergrund gestellte Alarmsignale, um die Prägnanz von Situationen zu betonen. So dröhnte in „Halloween“  ausschließlich der Alarm des Sanatoriums, in dem der kleine Michael gerade eine Krankenschwester tödlich verletzt hat, während sich auf der Bildebene die Handlung in Slow Motion tonlos weiter vollzieht. Die Fortsetzung bedient sich eben dieses sehr effektiven Mittels, diesmal in Form einer Hupe, die aus einem verunglückten Auto schmettert, in dem Laurie sich vor ihrem großen Bruder retten wollte. Michael Myers ist kein kunstvolles Monster, das seine Morde mit Präzision ausführt wie etwa Dexter Morgan oder Hannibal Lecter. Er ist ein unbegreifliches Böses, das seine gesamte Wut an seinen Opfern entlädt, deren Körper nicht nach einem bestimmten Muster destruiert, sondern vielmehr nach Belieben zerschmettert werden. Nicht die Methode zählt, sondern der Moment der Tat. Es fällt auf, dass Myers seinen Tötungsakt mit leidenschaftlicher Wut vollzieht. Obwohl sein Gesicht aufgrund der Maske den steten Ausdruck der Gleichgültigkeit trägt, macht sich die Intensität seiner Monstrosität durch Schnaufen und stellenweise sogar Grunzen bemerkbar. Die Debatte um die bio-psycho-soziale Prägung versus die genetische Bedingtheit von Delinquenz wird durch die Figur der Laurie wie bereits im Original aufgegriffen. Einerseits ist Laurie als Opfer einer Gewalttat eine  therapiebedürftige Traumapatientin, andererseits werden besonders in ihren Albträumen und Halluzinationen Züge einer ähnlich gestörten Persönlichkeit wie die ihres Bruders Michael erkennbar. Die Trennung  von Traum und Wirklichkeit wird von Anfang an aufgehoben, indem gleich einleitend auf ein Symbol der Psychoanalytischen Traumdeutung (das weiße Pferd als Vorbote eines Akts der Brutalität und Grausamkeit) hingewiesen wird und die Anfangssequenz sich als grausamer Albtraum entpuppt. Phantasmen dieser Art durchziehen den gesamten Film: die traumatisierte Laurie wird selbst ein Jahr nach der Konfrontation mit Michael Myers noch von luziden und verstörenden Albträumen geplagt, die sich im weiteren Verlauf auch in Tagträumen und Phantasien sowie somatischen Auswirkungen manifestieren. Je mehr Myers sich dem Ort Haddonfield, Illinois nähert, desto stärker wird die Belastung für Laurie.

Regelmäßig zeigt der Film einen bärtigen, verhüllten – aber außerhalb der Morde häufig maskenlosen – Myers, der sich langsam zu Fuß einen Weg durch die Landschaft bahnt, eine Reise, die für ihn und Laurie wie vom Schicksal gefügt scheint. Trugbilder und Wahnvorstellungen durchziehen den Film, sodass der Blick nicht nur auf die Opfer, sondern – wenn auch nur teilweise – auf gewisse Aspekte des Monsters  fällt.  Es offenbart sich wiederholt die Beziehung zur Mutter (die erneut durch Zombies Ehefrau Sheri Moon Zombie besetzt und erstaunlich überzeugend dargestellt ist), die ihn als Symbol seines Drangs, die Familie wieder zu vereinen, begleitet.  Er, wie später auch Laurie, sieht diese Mutterfigur als regelmäßige Erscheinung, als imperative Stimme, die zu perfiden Taten anstachelt. Myers selbst wird in den Szenen der Interaktion mit dieser Revenanten stets als kleiner Junge gezeigt, eine Freud/Jungsche Anspielung par excellence. Rob Zombie arbeitet demnach tatsächlich mit Versatzstücken der Psychoanalyse, anstatt nur schräge Traumsequenzen zur Verwirrung seines Publikums einzubauen.

Der „Genuss“ eines derartigen Films, und damit die Wiederkehr der anatomischen Genauigkeit von Rob Zombies Gewaltdarstellungen laden eventuell  zur Neuauflage der Gewaltdebatte ein, die an dieser Stelle nicht zu ausführlich ausgetragen werden soll. Dennoch kann eine kurze Anmerkung nicht schaden: Wenn man erst einmal die Fragilität des menschlichen Körpers akzeptiert hat, ist diese ausführliche Darstellung von Gewalt zwar nicht harmloser, doch nicht so drastisch Ekel induzierend wie bei einer unbedarften und unschuldigen Art des Sehens. Das  habitualisierte Auge erkennt hier anatomische Präzision,  während der unbedarfte Zuschauer abgeschreckt und schockiert wird. In dem Seherlebnis eines Rob Zombie Films stecken demnach die Habitualisierungs- und die Inhibitionsthese theoretisch sogar unter einer Decke, anstatt in gegnerischen Ecken des Horror-Boxrings.

Halloween II (USA 2009)
Regie & Buch
: Rob Zombie; Schnitt: Glenn Garland, Joel Pashby; Kamera: Brandon trost; Musik: Tyler Bates Darsteller: Sheri Moon Zombie, Tyler Mane, Scout Taylor-Compton, Brad Dourif, Malcolm McDowell, Margot Kidder, Al Yankovic
Länge
: 105 Min. (Unrated Director’s Cut: 119 Min.)
Verleih
: Tiberius Film / Sunfilm

Jana Toppe

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