Kultur entsteht durch Leid. Die wohl überwiegende Zahl großer Kunstwerke basiert nicht etwa auf Freude und Glück, sondern auf Schmerz, Trauer und Einsamkeit. Auf das Werk Lars von Triers bezogen lässt sich aus dieser Einsicht folgern, dass es dem Regisseur noch nie so schlecht gegangen zu sein scheint wie bei der Arbeit an seinem Meisterwerk „Dogville“. Auch während der Produktion von „Antichrist“ litt von Trier bekanntlich unter schweren Depressionen – sein neuer, kürzlich in Cannes vorgestellter Film „Melancholia“ hingegen entstand unter besseren psychischen Bedingungen. Es nimmt daher nicht Wunder, dass in allen bisherigen Besprechungen ein Adjektiv verdächtig oft auftauchte: „Schön“ sei der Film, hieß es immer wieder. Das ist für das dänische Enfant terrible freilich ein vernichtendes Urteil. Von Trier macht schließlich keine Filme, die „schön“ sein, sondern, die den Zuschauer provozieren sollen, wenn sie das Böse im Menschen, die Hybris der Vernunft und das Leiden am Sein offenlegen. „Todessehnsucht“ weiterlesen
Zombies in Berlin
Die Apokalypse beginnt in Moabit. Dabei sollte es doch so schön werden: der 35jährige Wiener Michi (Michael Fuith) kommt nach Berlin, um seine große Liebe Gabi (Anka Graczyk) zurückzugewinnen, trifft jedoch in ihrer Wohnung im Bezirk mit dem spröden Westberliner Charme lediglich zwei Handwerker an. Und dann kommen die Zombies. Bald findet sich Michi mit dem 15jährigen Harper (Theo Trebs) hinter verbarrikadierter Wohnungstür wieder, während draußen die Infizierten toben. Um eine Viruserkrankung handelt es sich, per Biss übertragbar – das entschuldigt dann auch die enorme Agilität der Zombies, die in Marvin Krens „Rammbock“ mal wieder, dem Zeitgeist entsprechend, rennen dürfen. Zum Ausbruch kommt die Krankheit jedoch nicht sofort, sondern erst durch die Ausschüttung von Adrenalin im Körper des Infizierten. Folglich heißt es vor allem: Ruhe bewahren, auch im Angesicht der aggressiven Horden im Innenhof. Wie gut, dass Michi ohnehin über ein eher lakonisches, ausgeglichenes Naturell verfügt…
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»Auch ein Klima kann ansteckend sein.«
Peter Fleischmann, um den es nach seinem Dokumentarfilm „Mein Freund der Mörder“ (2006) leider wieder etwas stiller geworden ist, zählt zu den Ausnahmefilmern des deutschen Kinos – nicht nur, aber vor allem auch weil er keine Angst vor den fantastischen Genres hatte und hat. Neben Rainer Erler und dem frühen Wolfgang Petersen hat er sogar eine regelrechte Genregeschichte des deutschen Nachkriegs-Science-Fiction-Films mitbegründet und gezeigt, dass aktuellere Produktionen wie etwa der gerade angelaufene „Die kommenden Tage“ durchaus auf einer soliden Genretradition fußt. Den Filmen ist gemein, dass sie eher der osteuropäischen, metaphyischen Linie der Science Fiction zugehören und ihre Zukunftsentwürfe viel offener für philosophische Reflexionen der Gegenwart nutzen, als das westliche SF-Kino. Peter Fleischmanns „Die Hamburger Krankheit“, der zuerst in der Arthaus-Jubliäums-Edition zum Neuen Deutschen Film erschienen war und nun auch als Einzel-DVD erhältlich ist, kündet offen genau davon.