Saw

Dass, wenn man Menschen entführt und/oder einsperrt und dann beobachtet, wie sie sich in der neuen Umgebung zurechtzufinden versuchen, ein sehr lohnenswertes Motiv für einen Horrorfilm sein kann, haben Filme wie „The Cell“, „Das Experiment“ oder „Cube“ deutlich vorgeführt. In James Wans „Saw“ erwischt es zwei Männer, die sich in einer abgewrackten Herrentoilette wiederfinden. Der Chirurg Dr. Gordon und der Privatdetektiv Adam wissen zunächst nicht, warum sie verschleppt wurden. In dem Raum, in dem beide an den gegenüberliegenden Wänden mit Ketten an Rohren gefesselt sind, liegt eine Leiche. Nach und nach entdecken die beiden versteckte Hinweise (Fotos) und Hilfsmittel (Konchensägen), die sich als Spielbausteine im Spiel eines seit längerer Zeit aktiven Serienmörders entpuppen. Ein Spiel bei dem auch herauskommt, was die Spieler miteinander verbindet und zu was beide schließlich fähig sind, um das Spiel zu gewinnen.

Es ist natürlich eine Herausforderung, den Handlungsschauplatz auf einen einzigen Raum zu beschränken und den Figuren – dadurch, dass sie angekettet sind – auch noch nahezu jede Aktionsmöglichkeit zu nehmen. Es widerspricht quasi dem Medium Film, das gerade durch die Montage verschiedener Räume und die Darstellung von Aktionen in diesen Räumen zu dem wird, was es vom Theater unterscheidet. James Wan hält dann dieses „unfilmische“ Vorgehen, dass nur in den seltensten Fällen perket glückt („Cube“) nicht lange durch. Es geht ihm aber auch weniger um den sozialpsychologischen Aspekt seines ganz speziellen „Gefangenen-Dilemmas“, in das er seine Protagonisten steckt, als darum, gerade durch die Enge der räumlichen Situation den Kontrast zwischen „Drinnen“ und „Draußen“ zu verdeutlichen. Film bietet verschiedene Möglichkeiten dafür, den Blick aus Räumen ausbrechen zu lassen, ohne dass die Protagonisten selbst diese Möglichkeiten hätten. Einerseits mittels einer Flucht durch die erzälte Zeit (Rückblende), andererseits aus dem erzählten Raum (in den Raum einer Nebenhandlung).

Durch etliche Rückblenden macht „Saw“ dem Zuschauer – und auch den Protagonisten – nach und nach klar, was die beiden Gefangenen miteinander verbindet, wer sie gefangen genommen hat und was alles „auf dem Spiel“ steht. Zu diesem Spiel gehört auch, dass den beiden Gefangenen der virtuelle Ausblick aus ihrem Gefängnis gestattet wird: Dr. Gordon findet in der Wand hinter einer Kachel eine Schachtel, die unter anderem ein Handy enthält. Es klingelt und am anderen Ende ist seine Frau und seine Tochter – beide in der Gewalt des Entführers, der Gordon auf diese Weise zwingen will, das Spiel zu Ende zu spielen: Gordon soll Adam töten. Durch das Telefon, dass nur sehr wenige Informationen über die Situation am anderen Ende vermittelt, wird Gordon suggeriert, dass seine Familie gefoltert wird, was den Arzt schließlich zum Äußersten treibt.

Wieder einmal übernehmen die Medien die Rolle des Botschafters Hiob, die in der Situation von „Saw“ allerdings eine ambivalente ist. Der minimale Handlungsraum und die spärlichen Informationen führen dazu, dass die wenigen Informationen, die den beiden Gefangenen zur Verfügung stehen, ständig re-interpretiert werden müssen. So entstehen zwangsläufig Misstrauen und Paranoia. Diese überträgt der Film in gekonnter Weise auf seine Zuschauer. Unterstützt wird dies vor allem durch die exzellente Montage und Kameraarbeit. Was zunächst in suchenden, fast tastenden Bewegungen des Blicks durch den Raum beginnt, gerät durch immer mehr Rückblende- und Transitions-Einschübe in Hektik. Hinzu kommen die eingeschnittenen Szenen einer Überwachungskamera, die den Verlauf des Spiels für den Spielleiter – den Entführer – dokumentieren soll. Durch die quasi-dokumentarische Ästhetik dieser subjektiven Kamerabilder, wechselt der Zuschauer von „Saw“ immer wieder die Perspektive zwischen den Entführten und ihrem Entführer. Der Zuschauer wird „am eigenen Leib“ Zeuge von der moralischen Zwickmühle die er selbst durch den Blickwechsel mit konstruiert.

Das Spiel in „Saw“ lässt zwar nur ein Spielergebnis zu, aber viele Wege, zu diesem zu gelangen. Entscheidend ist der Tod Adams, der Dr. Gordon und dessen Familie das Leben retten soll. Nicht nur das Drehbuch, auch die Brachialität der Ästhetik steuert ohne Umschweife auf dieses Ziel zu. Das Dilemma wird unausweichlich in dem Maße, wie Informationen von Außen in das Gefängnis gelangen. Das alles kontrolliert und dirigiert der Spielleiter mit äußerster Grausamkeit und Souveränität. Und selbst, als die Rettung der beiden Gefangenen in greifbare Nähe rückt, zeigt sich, dass die Spielregeln nicht zu umgehen sind, dass selbst ein negativer Ausgang des Spiels darin berücksichtigt ist – und dass die beiden Gefangenen in der Zelle zu keiner Zeit allein waren.

Saw
(USA 2004)
Regie: James Wan

Die DVD von Kinowelt

„Saw“ erscheint bei Kinowelt in zwei Fassungen: Eine „2 DVD Collector’s Edition“ (die aus der Kinoversion, dem „Director’s Cut“, dem Soundtrack und einem „Buchteil“ besteht) und eine Einzel-DVD. Die (vorliegende) Einzel-DVD enthält den 99 Minuten langen (gegenüber der Kinoversion etwas ummontierten und 7 Sekunden längeren) „Director’s Cut“. Wie bei Kinowelt-Publkationen üblich ist das Edition ohne Makel. Die Körnigkeit des Bildes, die im Wesentlichen für die „roughness“ des Films verantwortlich ist, ist im Transfer auf DVD gut eingefangen worden und bietet gerade bei größeren Fernsehschirmen oder Beamern einen guten Eindruck des Kinofilms.

Die Ausstattung der DVD im Einzelnen:

• Bild: 1,85:1 (anamorph)
• Sprachen/Ton: Deutsch, Englisch (5.1 Dolby Digital)
• Untertitel: Deutsch
• Extras: Musik-Video von Fear Factory „bite the hand that bleeds“ (unrated Version), Trailer
• FSK: keine Jugendfreigabe
• VÖ-Datum: 06.06.05
• Preis: 14,99 Euro

Stefan Höltgen

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2 Antworten auf „Saw“

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