Puppenfiebertraum

Feinfühlige Wesen mit Vogelschnabel und lockigem Pelz, weiße Mäuse in einer Kutsche, die von einer Schildkröte gezogen wird, eine Puppe als Objekt der Begierde und ein Frosch, der zaubern kann – merkwürdige Gestalten und Geschehnisse beherrschen die Welt von „Blood Tea and Red String“. Unsere Helden, die beschnabelten Wesen, die unter einem Baum leben, haben im Auftrag der weißen Mäuse eine Puppe nach dem Bild einer schönen Frau gefertigt, doch als die Mäuse sie abholen wollen, sind die Wesen unter dem Baum selbst zu sehr in ihr Geschöpf verliebt. Natürlich entführen die Mäuse die Puppe, ohne jedoch zu wissen, dass diese inzwischen ein Geheimnis birgt, und so müssen sich die Wesen von Unter dem Baum auf die Suche nach ihrer Geliebten begeben, durch ein Land, in dem verborgene Gefahren lauern.

Ein bisschen Pygmalion, ein bisschen Grimms Märchen, ein bisschen Idiosynkrasie ergeben die schwer fassbare Mischung dieses Stop-Motion-Animationsfilms. Die liebevoll gestalteten Protagonisten bewegen sich in atmosphärischen Räumen und Panoramen, die eine ebenso realistisch wie fremdartig wirkende Welt generieren; die Handlung wirkt durch kulturelle Versatzstücke so vertraut , doch durch die willkürliche Logik ihrer Abläufe so unvorhersagbar, wie es sich für ein Kunstmärchen ziemt.

Es fällt schwer, sich ein Urteil zu bilden über diesen Film, der in Form und Inhalt soweit aus dem Rahmen fällt. Die jahrelange und detailverliebte Arbeit an Puppen und Settings verlangt dem Betrachter den höchsten Respekt ab; auch auf der Tonebene können Atmosphäre und Musik sowie die Geräusche, die den Dialog ersetzen, nicht anders als stimmungsvoll und gelungen bezeichnet werden. So durchbricht der Film die Sprachbarriere – wie es in Animationsfilmen noch immer viel stärker möglich ist, da sie stets mehr auf ihre visuelle denn verbale Ausdruckskraft bauen (müssen). In seiner abseitigen Vermischung der kindlichen Puppenwelt mit fiebriger, teilweise erotischer Bedrohlichkeit wird er bei Freunden von z. B. Tim Burtons Animationsfilmen den Nerv des Morbiden treffen.

Doch leider hat der Film ausgeprägte Längen, da er immer wieder mit Szenen durchsetzt ist, die in ihrer Monotonie zäh wirken. Und diese können nicht damit entschuldigt werden, dass die hohe Abstraktionsanforderung durch überlange Verweildauer wettgemacht werden müsste. Ob die Regisseurin sich der Klarheit ihrer Darstellung nicht sicher genug war oder einen eher hypnotischen als fesselnden Rhythmus erzeugen wollte – diese Abschnitte erwecken am ehesten den Eindruck, der Film brauchte eine künstliche Streckung auf so genannte abendfüllende Länge. Diese ermüdenden Szenen nehmen der Erzählung die Dichte und mögen die Aufmerksamkeit des Zuschauers eher schwinden lassen als auf die Geschehnisse im so mühsam geschaffenen Puppenland zu fokussieren.

Da sich „Blood Tea and Red String“ allerdings durch einen arbiträr wirkenden Rahmen aus Realfilm und seine Machart im Ganzen davon absetzt, der reinen Unterhaltung zu dienen, sind diese Längen möglicherweise tatsächlich Absicht und zur Kontemplation geeignet. Darauf muss sich der Zuschauer bei der Betrachtung einlassen – oder eben nicht.

Blood Tea and Red String
(Blood Tea and Red String, USA 2006)
Regie: Christiane Cegavske; Drehbuch: Christiane Cegavske; Kamera: Christiane Cegavske; Musik: Mark Growden; Schnitt: Christiane Cegavske
Animation: Christiane Cegavske
Länge: 71min.
Verleih: Cinema Surreal/b-media/AL!VE

Zur DVD von AL!VE

Das Zusatzmaterial ist reichlich und mehr als befriedigend für Interessierte an Animationsfilmen. Abgesehen vom fast obligatorischen Audiokommentar der alleinigen Filmemacherin, bieten die Extras Produktionsfotos, Charakter- und Plotentwicklung in Form von Zeichnungen aus Christiane Cegavskes Sketchbuch, Miniaturgemälde und zwei Kurzfilme der Regisseurin: „Blood and Sunflowers“ und „The Doll Maker“.

Die Ausstattung der DVD im Einzelnen:

Bild: 4:3
Ton: Deutsch (DD 5.1), Audiokommentar (Deutsch)
Untertitel: keine
Extras: Trailer, Audiokommentar, Kurzfilme „Blood and Sunflowers“ und „The Doll Maker“, Miniaturgemälde, Produktionsfotos, Fotogalerie Charakter- und Plotentwicklung, b-ware! Trailershow, Booklet
FSK: ab 6 Jahren
Preis: 29,99 Euro

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