pars pro toto

Dass Woody Allen nicht nur ein Meisterregisseur, sondern auch ein begabter Darsteller ist, hat er nicht allein in seinen eigenen Filmen immer wieder unter Beweis gestellt. Seit dem ersten Spielfilm, in dem er zu sehen war („What’s new Pussy Cat“, 1965 von Clive Donner) ist Allen für Regie-Kollegen immer wieder auch vor die Kamera getreten und hat dabei so bemerkenswerte Leistungen wie in „Mach’s nochmal Sam“ (USA 1972, Herbert Ross), Martin Ritts „Der Strohmann“ (USA 1976) oder „Ein ganz normaler Hochzeitstag“ (USA 1991, Paul Mazrusky) hingelegt. Eine seiner jüngsten Darbietungen dieser Art lieferte er in Alfonso Araus „Picking up the Pieces“ (USA 2000) ab.

Darin gibt Allen einen gehörnten Ehemann namens Tex Cowley, der irgendwann von den Eskapaden seiner promisken Frau Candy (Sharon Stone) genug hat und sie kurzerhand bei einer Zaubershow zersägt. Die Leichenteile verfrachtet der erfolgreiche Metzger nach New Mexico und vergräbt sie unter einem Baum. Einzig eine Hand verliert er auf dem Weg dorthin – und ausgerechnet diese Hand wird von einer blinden Frau, die über sie stolpert und daraufhin ihr Augenlicht zurück erhält, zu einer Reliquie gemacht. Schnell erfahren der Bürgermeister (Cheech Marin) und der Dorfpfarrer (David Schwimmer) des nahegelegenen kleinen Ortes von dem Wunder und versuchen es für sich nutzbar zu machen. Das erfährt nicht nur Tex irgendwann im Fernsehen, sondern auch Officer Bobo (Kiefer Sutherland), der einer der unzähligen Exgeliebten Candys ist und Tex verdächtigt, sie ermordet zu haben. Es beginnt ein Wettrennen um die Hand: Tex versucht sie entgültig verschwinden zu lassen, Bobo sie als Beweisstück zu sichern und die Einwohner des zum Wallfahrtsort gewordenen Dörfchens sie als ihren Segensbringer zu behalten – denn die Hand vermag wirklich zu heilen und auch andere körperliche Mängel zu kurieren.

Der eigentliche Schauspieler Alfonso Arau liefert hier mit dem eigentlichen Regisseur Woody Allen in der Hauptrolle eine der originellsten Komödien der vergangenen Jahre ab. Nicht nur liest sich die Besetzungsliste von „Picking up the Pieces“ wie ein Zusammentreffen kleinerer und größerer Hollywood-Stars, auch hinter der Kamera stehen keine Unbekannten. So sorgt etwa der Oscar-Gewinner Vittorio Storaro für eine überaus originelle Bebilderung der Geschichte, liefert immer wieder Einstellungen, die nur Teile der Protagonistenkörper zeigen (wie um das Thema des Films emblematisch zu verdoppeln), inszeniert einige der skurrilsten Schuss-Gegenschuss-Montagen und stellt auch sonst jede Standard-Szene so dar, wie man sie wohl noch nie zu Gesicht bekommen hat.

Die Geschichte von „Picking up the Pieces“ ist dabei an schwarzem Humor, Zynismus und entlarvender Komik kaum zu übertreffen. Ein Pfarrer, der es munter mit einer Prostituierten treibt, ein tumber Sheriff, der seine Schießwut kaum zügeln kann, eine Ehebrecherin, die vom Himmel aus Wunder mit ihrer Hand (deren Mittelfinger in der Position des „Stinkefingers“ erstarrt ist) tätigt, lahme gehen, Akne verschwinden, Busen und Penisse wachsen lässt. Korruption, Kleinstaaterei, Heuchelei und über alledem ein Mord, der nicht gesühnt wird, weil die Raffgier größer als der Hang zur Gerechtigkeit ist und ein gelynchter Polizist eben nicht zu finden ist, wenn man ihn in nur genügend Einzelteile zerteilt. „Picking up the Pieces“ ist gut, weil er so böse ist und daher böse, weil er so gut ist. Und Woody Allen hat darin noch einiges auf Lager, was er sich selbst in seiner schwärzesten Eigenregie („Harry außer sich“) nicht zu inszenieren, geschweigen denn darzustellen gewagt hätte.

Picking up the Pieces – Ich hab doch nur meine Frau zerlegt
(USA 2000)
Regie: Alfonso Arau; Buch: Bill Wilson; Musik: Ruy Folguera; Kamera: Vittorio Storaro; Schnitt: Michael R. Miller
Darsteller: Woody Allen, Sharon Stone, Kiefer Sutherland, Alfonso Arau, Cheech Marin, David Schwimmer,  Maria Grazia Cucinotta u. a.
Länge: 92 Minuten
Verleih: Kinowelt

Die DVD von Kinowelt

Dass Kinowelt dieses kleine Filmjuwel überhaupt ausgegraben hat, ist schon Lob wert. Der Film ist 2001 in Deutschland nur kurze Zeit und nur in wenigen Kinos zu sehen gewesen. Die DVD enthält neben ihm (mit deutscher und englischer Tonspur) dessen Trailer, ein Featurette und ein Making of.

Die Ausstattung der DVD im Einzelnen:

Bild: 1,85:1 (anamorph)
Sprachen/Ton: Deutsch, Englisch (5.1 Dolby Digital)
Untertitel: Deutsch
Extras: Making of, Featurette, Fotogalerie, Trailer
FSK: ab 16 Jahren

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